Am vergangenen Wochenende hat die Berliner SPD auf einem Landesparteitag einen Leitantrag zum Thema „Partizipation und digitale Teilhabe in der sozialen Stadt“ beschlossen. Wie der Titel vermuten lässt, geht es dabei um Netzpolitik. Vorangegangen war ein langer Prozess einer innerparteilichen Debatte in der Berliner SPD und abschließend kann man sagen, dass sich der Weg gelohnt hat. Von allen SPD-Papieren zur Netzpolitik in den vergangenen Jahren dürfte dieser mit das Beste sein. Wie immer gilt: Papiere und Wahlprogramme sind geduldig, wir lassen uns überraschen, was die Politik praktisch macht. Und die SPD hat als Regierungspartei in Berlin die Chance, uns zu beweisen, dass sie es ernst meint.
In einer Pressemitteilung erklärt Jonas Westphal, Sprecher des Forums Netzpolitik der Berliner SPD:
Der Leitantrag geht auf eine basis-demokratische Initiative zurück und wurde über mehrere Monate im Netz umfangreich diskutiert. Viele Anregungen aus der Zivilgesellschaft und von Netzaktivisten außerhalb der Partei sind im Leitantrag aufgegangen. Für die Berliner SPD ist Netzpolitik Gesellschaftspolitik. Der Antrag setzt sich deswegen mit dem digitalen Wandel in allen Politikfeldern auseinander. Wir fordern mehr freien Zugang zu Wissen. Wir lehnen Vorratsdatenspeicherung und das innovations-feindliche Leistungsschutzrecht für Presseverleger ab!
Und das kommt in dem Papier vor:
Die Berliner SPD sieht sich als „die Partei des Forschritts und der sozialen Gerechtigkeit“, möchte aber deise Perspektive erweitern“ durch „eine neue soziale Frage – welche die „alten“ Gerechtigkeits- und Verteilungsfragen nicht weniger relevant werden lässt – lautet: Wer kontrolliert meine Daten? Unter welchen Bedingungen habe ich Zugang zu Informationen und gesellschaftlicher Teilhabe in Zeiten zunehmender Digitalisierung des Lebens?“
Dabei handelt es sich im Kern um Gerechtigkeits- und Verteilungsfragen. Es geht um die Kontrolle und die Modalitäten der Nutzung von Daten. Es geht um soziale Teilhabe und Partizipation. Diese Erkenntnis ist zentral für die SPD. Denn das heißt, dass wir diese Fragen ins Zentrum unserer Politik rücken müssen. Der Begriff „Netzpolitik“ umfasst dabei einen Teilbereich der Thematik, die aber deutlich breiter ist: Es handelt sich um grundsätzliche Fragen der Gesellschaftspolitik.
Die Netzneutralität will man gesetzlich verankern und Netzsperren lehnt man ab, „bei strafrechtlich relevanten Inhalten verfolgt die SPD Berlin den Grundsatz „Löschen statt sperren“.“
Gewohnt SPD-schwammig wird es natürlich beim Urheberrecht, hier möchte man „die Debatte um ein modernes Urheberrecht“ fördern, „indem es einen fairen Ausgleich zwischen den NutzerInnen, den KünstlerInnen und ProduzentInnen, die von ihrer Arbeit leben müssen, und den Rechteverwertern geben muss.“ Das ist eine Selbstverständlichkeit. Aber dafür möchte man „neue Konzepte für Vergütungsmodelle noch genauer“ prüfen. Dafür lehnt man ausführlich ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger ab, möchte dagegen eine Bundesrats-Initiative starten und verwendet für die Ablehnung mehr Platz als für den restlichen schwammigen Urheberrechtsteil. Internetsperrungen nach dem 3-Strikes-Modell lehnt man ab, von 2-Strikes-Warnmodellen schreibt man aber nichts. Entweder wurde das vergessen oder bewusst weggelassen.
Den vom Chaos Computer Club vorgeschlagenen „Datenbrief“ möchte man einführen durch eine „gesetzliche Pflicht zu einem – elektronischen oder physischen – „Datenbrief““, der „einen bewussteren Umgang mit Personendaten bewirken“ soll. Für die „notwendige Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes“ will man auch hier eine Bundesratsinitiative starten. Ebenfalls eine Bundesratsinitiative möchte man für einfache AGB und eine Modernisierung des Datenschutzrechts starten:
Die Pflicht zum Datenbrief muss ergänzt werden um eine Pflicht für Unternehmen, ihre Datenschutzbestimmungen für Laien übersichtlich und verständlich zu gestalten. Es bedarf überdies eines gesetzlichen Verbotes, aus personenbezogenen Daten individuelle Verhaltensprofile zu erstellen, wenn die Betroffenen eine solche Profilerstellung nicht ausdrücklich angefordert haben. Angesichts des Geschäfts mit Personendaten müssen die bereits bestehenden Aufsichtsstrukturen überprüft und gegebenenfalls ausgebaut und weiterentwickelt werden.
Im Gegensatz zur Bundes-SPD lehnt die Berliner SPD die Vorratsdatenspeicherung ab. Zumindest die Partei, der Senat redet sich wahrscheinlich mit der Regierungsbeteiligung der CDU bei der Umsetzung der Forderung raus. Man setzt sich für einen „gesetzlichen Schutz von Whistleblowern“ ein und möchte mit noch einer Bundesratsinitiative die Ausfuhr von Überwachungstechnologien stärker regulieren:
Ausfuhr von Hard- und Software für die Telekommunikationsüberwachung ist nach wie vor nur lückenhaft geregelt. Anders als die schwarz-gelbe Bundesregierung, die hier keinen Handlungsbedarf sieht, sagen wir: Es darf nicht sein, dass von Deutschland aus Überwachungstechnologie an Diktaturen und ihre Handlager geliefert wird! Die Ausfuhr derartiger Technologien muss ebenso genehmigungspflichtig gemacht und strikt kontrolliert werden wie die Ausfuhr von Kriegswaffen oder Dual-use-Gütern. Deshalb werden wir im Bundesrat eine entsprechende Gesetzesinitiative einbringen.
Man möchte den „Freien Zugang zu Wissen und Daten in der Stadt ausbauen“ und verspricht „Die Bürgerinnen und Bürger erhalten — unter Beachtung des Datenschutzes — grundsätzlich freien Zugang zu den vorhandenen Informationen der öffentlichen Verwaltungen. Die Daten und Dokumente des Berliner Senats sollen weitestmöglich öffentlich und frei zugänglich sein.“ Beim Flughafen Berlin-Brandeburg kann man sich dann anschauen, wie das in der Praxis umgesetzt wird.
Die Open Data Initiative der auslaufenden Legislaturperiode muss fortgeführt und die erfolgreiche Arbeit des Senats unterstützt und weiter vertieft werden. Darum muss insbesondere das Berliner Informationsfreiheitsgesetz besonders um proaktive Elemente erweitert werden und somit dem Beispiel Bremens folgen. Auch Verträge der öffentlichen Daseinsvorsorge werden im Regelfall veröffentlicht.
Irgendwas wie Bundes-Git wünscht man sich auch, und schlägt die „die Einführung eines Policy-Trackers für Berlin“ vor. Dieser solle es jedem Bürger /jeder Bürgerin ermöglicht werden, „schnell und einfach zu erfahren inwieweit in welchem Stadium ein Gesetzgebungsverfahren angelangt ist.“ Auch bei Open-Data winkt übrigens eine Bundesratsinitiative:
Die Berliner SozialdemokratInnen wollen die Idee von frei verfügbaren Wissen fördern und unterstützen daher den Grundsatz von Open Access und Open Educational Ressources: Für alle vom Land Berlin finanzierten wissenschaftlichen Publikationen gilt ein Zweitverwertungrecht. Daher werden auch durch Berlin finanzierte Kultur- und Wissenschaftsprojekte bevorzugt die ihre Ergebnisse öffentlich zugänglich machen. Wir streben ferner einer Bundesratsinitiative für offene Daten auf Bundesebene an.
Etwas Liquid-Democracy möchte man auch wagen und verspricht „eine E-Partizipations-Plattform“ für Berlin, „mit deren Hilfe Bürgerinnen und Bürger Probleme, Lösungsmöglichkeiten und Konzepte zur Verbesserung der Lebensqualität dem Berliner Senat und den Bezirksregierungen vortragen sowie abstimmen und diskutieren können. Dabei werden die zuständigen AnsprechpartnerInnen der Verwaltung in das System eingebunden und langfristig Berliner Open Data Angebote integriert.“
„Der Zugang zum Internet ist unserer Sicht ein Bürgerrecht“, deshalb fordert man „eine staatlich garantierte digitale Daseinsfürsorge, die eine Internet-Grundversorgung und einen Internetzugang für alle, auch für einkommensschwache Bevölkerungsgruppen und BezieherInnen von Arbeitslosengeld II ermöglicht“. In jedem Bürgeramt soll ein „Bürger-IT-Raum“ aufgebaut werden, wo man Medienkompetenz lernen kann und Internet bekommt.
Obligatorisch fordert man „kostenfreie WLAN-Netze an zentralen Orten“. Muss halt jemand nur machen. Und: „Wir wollen prüfen, inwieweit der Senat — nach erfolgter rechtlicher Haftungsfreistellung — die Öffnung des eigenen WLANs für Dritte juristisch, logistisch und finanziell fördern kann, um einen zusätzlichen Anreiz für offene Netze zu setzen.“
Beim Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk möchte man das Depublizieren beenden und Mediatheken-Apps fördern. Und auch Open Source Software in der Öffentlichen Verwaltung möchte man jetzt mehr wagen als in der Vergangenheit:
Darum verfolgt die SPD Berlin das langfristige Ziel, eine Umstellung auf freier Open Source Software für die Verwaltung durchzuführen, wie sie beispielsweise die Stadt München seit nun mehr zehn Jahren erfolgreich betreibt. Neue Software-Lösungen, welche für die Berliner Verwaltung eigens entwickelt werden, sollen dann auf freien Lizenzen aufbauen. Auch unter Sicherheitsaspekten sind Open Source Produkte, die auf vielfach geprüftem, offenem Quelltext basieren, den proprietären mitunter überlegen. Alle Software-Lösungen in der Verwaltung Berlins sollen Offene und Freie Standards bzw. Dateiformate verwenden, um bei der Wahl der eingesetzten Software möglichst flexibel zu sein und Abhängigkeiten von Anbietern und Plattformen zu vermeiden.
Eine Sicherheitsklausel zum Schluss schützt vor zuvielen Experimenten:
Denn für die SPD Berlin gilt: Wir wollen Partizipation und digitale Teilhabe in der Sozialen Stadt ermöglichen. Wir haben erkannt, dass es sich dabei um eine Gerechtigkeits- und Verteilungsfrage handelt. Wir bekräftigen unseren Anspruch, alle Berlinerinnen und Berliner digitale Teilhabe zu ermöglichen und das Internet noch stärker als Kommunikationskanal im Rahmen demokratischer Entscheidungsprozesse nutzen zu wollen. Wir wollen neue Beteiligungsformen einführen, sagen aber auch ganz deutlich: Diese können die traditionellen demokratischen Partizipationsformen nur ergänzen, nicht ersetzen.
Danke für die Zusammenfassung.
Jetzt muss das nur noch bei der Bundespartei durchkommen, nach dem Motto: Mehr Internet wagen…
Die Lösung der Sozialen Frage ist heute in rein technischer Hinsicht relativ einfach. Die Schwierigkeit besteht allein in der Überwindung einer künstlichen Programmierung des kollektiv Unbewussten (selektive geistige Blindheit gegenüber makroökonomischen Konstruktionsfehlern), die vor Urzeiten erforderlich war, um den Kulturmenschen im wahrsten Sinn des Wortes „wahnsinnig genug“ für die Geldbenutzung zu machen, lange bevor diese seitdem grundlegendste zwischenmenschliche Beziehung wissenschaftlich erforscht war. Anderenfalls hätte das, was wir heute „moderne Zivilisation“ nennen, gar nicht erst entstehen können. Denn kein vernünftiger (nicht programmierter) Mensch wäre dazu bereit, in einer a priori fehlerhaften Marktwirtschaft zu arbeiten, wenn er weiß, dass ein nachhaltiges Wirtschaften unmöglich und der nächste Krieg – zwecks umfassender Sachkapitalzerstörung, um den Zinsfuß hochzuhalten – unvermeidlich ist. Doch der Krieg konnte nur solange der Vater aller Dinge sein, wie es noch keine Atomwaffen gab!
Die gegenwärtige „Finanzkrise“ ist keine gewöhnliche Konjunkturschwankung, sondern führt entweder zurück in die Steinzeit oder – was wahrscheinlicher ist – zum eigentlichen Beginn der menschlichen Zivilisation. Dazu muss die reale Angst vor der bevorstehenden, größten anzunehmenden Katastrophe der Weltkulturgeschichte (globale Liquiditätsfalle nach J. M. Keynes, klassisch Armageddon) insgesamt größer werden als die seit Urzeiten eingebildete Angst vor dem „Verlust“ der Religion:
http://www.swupload.com//data/3-Verwandlungen.pdf