Die israelische Polizei soll mit der Spähsoftware Pegasus unrechtmäßig Bürger:innen in Israel überwacht haben, berichtet das israelische Fachmedium Calcalist exklusiv. Unter den Opfern sollen sich Bürgermeister:innen, ehemalige Staatsbedienstete und politische Gegner:innen des ehemaligen Premiers Benjamin Netanyahu befinden.
Eine richterliche Genehmigung für die Online-Durchsuchung soll dabei nicht eingeholt worden sein, ebenso habe die sonst übliche Aufsicht gefehlt, so Calcalist. Es sei unklar, wie die abgezogenen Daten der Überwachten verarbeitet wurden und ob sie an andere staatliche Behörden weitergegeben worden seien, etwa an israelische Sicherheits- oder Finanzbehörden. Die Polizei bestreitet die Vorwürfe.
Mit der Spyware Pegasus der israelischen NSO Group lassen sich Smartphones im Geheimen übernehmen und vollständig in Echtzeit auslesen. Dabei können Nachrichten und Telefonate belauscht, Fotos heruntergeladen oder Standortverläufe erstellt werden. Das legt die Privatsphäre der Überwachten beinahe vollständig offen.
Offiziell ist das Spionagewerkzeug für den Einsatz gegen Kriminelle und Terrorist:innen gedacht. Jedoch konnte eine Reihe an Untersuchungen wiederholt nachweisen, dass Pegasus gegen Menschenrechtler:innen, Journalist:innen und Aktivist:innen in aller Welt eingesetzt wird. Zuletzt wurde etwa bekannt, dass damit polnische Oppositionelle im Wahlkampf überwacht wurden. Abgeflossene Nachrichten tauchten später im regierungsnahen Staatsfunk auf, wo sie irreführend dargestellt wurden.
Polizei nennt Vorwürfe „unwahr“
Laut Calcalist sollen in Israel unter anderem Aktivist:innen überwacht worden sein, die Proteste gegen den damaligen Premier Netanyahu organisiert hatten. Im Zuge der Coronapandemie nahmen die Proteste zusätzliche Fahrt auf. Die inzwischen abgewählte Regierung versuchte das zu unterbinden – anscheinend auch mit illegalen Methoden. In anderen Fällen beschaffte sich die Polizei dem Medienbericht zufolge mit Hilfe von Pegasus Beweise gegen Verdächtige. Dabei unrechtmäßig erworbene Daten seien dem Calcalist zufolge anschließend als nachrichtendienstliche Erkenntnisse „reingewaschen“ worden, um sie in weiteren Ermittlungen legal verwenden zu können.
Angeschafft hatte die israelische Polizei den Staatstrojaner bereits 2013, spätestens seit 2015 sei Pegasus im operativen Einsatz, schreibt Calcalist. Eine eigene Polizeiabteilung soll sich hierbei jedoch in einem rechtlichen Graubereich bewegen und freizügig auf Informationsanfragen anderer Behörden reagieren. In einer Stellungnahme gegenüber Calcalist wollte NSO Group keine Auskunft über existierende oder potenzielle Kunden geben, verwies jedoch darauf, generell keinen Einblick in die Aktivitäten ihrer Kund:innen zu haben. Die Polizei wiederum bezeichnete die Vorwürfe als „unwahr“ und betonte, sich an geltende Gesetze zu halten.
Internationaler Spionageskandal
Eine große internationale Recherche enthüllte im vergangenen Sommer, dass mit Pegasus Menschen auf der ganzen Welt überwacht wurden. Darunter befanden sich hunderte Journalist:innen, Aktivist:innen und Oppositionelle, auch französische Kabinettsmitglieder waren betroffen.
Inzwischen steht die NSO Group auf einer Sanktionsliste des US-Handelsministeriums, während das israelische Verteidigungsministerium den Export von Überwachungstechnik stark eingeschränkt hat. Seitdem ist die Ausfuhr von Werkzeugen wie Pegasus in EU-Länder wie Polen und Ungarn nicht mehr erlaubt. Dort wurden sie gegen Regierungskritiker:innen eingesetzt. Deutschland, das ebenfalls zu den Kund:innen des Überwachungsunternehmens zählt, ist von der Einschränkung nicht betroffen.
Unterdessen hat in Polen ein parlamentarischer Ausschuss seine Arbeit aufgenommen, der ein wenig Licht in den Skandal bringen soll, den einige Nachrichtenmedien als „Polens Watergate“ bezeichnen. Wirkliche Macht hat der Untersuchungsausschuss allerdings nicht. Die Regierungsparteien verweigern konsequent jede Zusammenarbeit. Immerhin haben Spitzenpolitiker:innen der Regierungspartei PiS aber inzwischen eingestanden, Pegasus gekauft zu haben. Zuvor hatten sie sich über die Spionagevorwürfe lustig und ausländische Mächte dafür verantwortlich gemacht. In der gestrigen ersten Sitzung des Ausschusses erklärte John Scott-Railton vom kanadischen Citizen Lab, Hinweise auf weitere polnische Opfer gefunden zu haben.
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