Chinesische Contentpolizei, süß, zahlreich und oder undercover

Da haben die chinesischen Liebhaber freier Meinungsäußerung mal die Kreativabteilung angehauen. Seit neuestem (oder schon etwas länger) werden u.a. in den universitären Internetforen chinesischer Universitäten knuffige Internetpolizei-Grafiken „eingesetzt“. Gemäß einer popkulturellen Maxime, nach der alles süß anzuschauen sein muss (impliziert: auch die Repression), repräsentieren sie auch die sozial vermittelte Kontrolle durch Kommilitonen, die undercover unterwegs sind, wie Kai Raven bei supersized.org berichtet. So schaut das dann aus:

JingJing, InternetpolizistChacha, Internetpolizistin

Mit diesen Maskottchen soll gezeigt werden, dass das Internet kein anonymer Ort ist, sondern auch dort ist Polizei unterwegs und virtuell präsent. Und ansprechbar: der geneigte Leser, der befindet „dass da doch was nicht stimmt“ (so der Slogan auf Plakaten der Berliner Polizei vor einiger Zeit), darf und soll sogleich chatten oder mailen, oder wie es beschrieben wird, „sich Hilfe holen“.

Die China Digital Times berichtet vom relativen Erfolg der Aktion, die im Januar auch zum besonderen Schutze der wirtschaftlichen Boom-Region Shenzhen gestartet wurde. Die Absicht ist klar: nicht durch Comicbildchen überzeugen oder umstimmen, sondern Einschüchterung.

„The main function of Jingjing and Chacha is to intimidate, not to answer questions,“ our reporter was told by officials in charge of The Internet Security and Surveillance Division of Shenzhen Public Security Bureau. The Internet has been always monitored by police, the significance of Jingjing and Chacha’s appearence is to publicly remind all netizens to be conscious of safe and healthy use of the Internet, self-regulate their online behavior, and maintain harmonious Internet order together.

Die Harmonie erhalten, dabei helfen auch 500 undercover arbeitende Kommilitonen einer Universität in Shanghai, wie die International Herald Tribune berichtet. Der Artikel ist lesenswert ausführlich.

Part traffic cop, part informer, part discussion moderator – and all done without the knowledge of her fellow students – Hu is a small part of a huge effort in mainland China to sanitize the Internet. For years, China has had its Internet police, reportedly including as many as 50,000 state agents who are online, blocking Web sites, erasing commentary and arresting people for what is deemed anti-Party, or anti-social, speech.

But Hu, one of 500 students at her university’s newly bolstered, student-run Internet monitoring group, is a cog in a different kind of machine, an ostensibly voluntary one that the Chinese government is mobilizing to help it manage the monumental task of censoring the Web.

Mich erinnert das irgendwie daran, dass auch ein deutscher Geheimdienst mal undercover arbeitende, „informelle Mitarbeiter“ hatte, deren Aktivitäten ihnen später sozial und moralisch auf die Füße gefallen sind. Man stelle sich vor, China würde geläutert und demokratisch und stellte sich der Vergangenheit (spekulatives pdf, S.30)..

Die Tragweite illustrieren hilft der SpON, der von Yang Tianshui berichtet, der heute zu zwölf Jahren Haft verurteilt worden ist. Bezeichnend auch, dass keine Revision eingelegt wird – weil der Prozess als illegal eingestuft ist.

Das Urteil ist nur eines in einer ganzen Reihe von Prozessen gegen Internet-Aktivisten, die für diesen Monat erwartet werden. Peking verschärft seit mehreren Monaten das Vorgehen gegen politisch missliebige Meinungsäußerungen im Internet. Für Aufsehen sorgte unter anderem im April letzten Jahres der Fall des Internet-Autoren Shi Tao, der wegen „Geheimnisverrates“ zu zehn Jahren Haft verurteilt wurde. Tao hatte Kontaktleuten in den USA über anstehende Entlassungen bei einem chinesischen Unternehmen berichtet.

6 Ergänzungen

  1. Sehr geehrte Damen und Herren,

    „Internetpolizei“ in China ?

    Kontrolle des Internets durch die Regierung ? Freiheit im Internet ? Was ist das?
    Zunächst einmal sind „Google“, „Yahoo“ und andere, die Information transportieren, weltweit unterwegs, auch die Post und das Telefon. Kann man das Postwesen, den Telefonverkehr, den Austausch von Informationen, von Gütern und Waren kontrollieren?
    Die amerikanische Regierung tut das sehr gerne, systematisch und konsequent mit Hinweis auf den Kampf gegen den „Internationalen Terrorismus“. Sie hat ein umfassendes Kontrollsystem in Gesetze gegossen und handelt dabei völlig legal.

    Andere Länder verhalten sich weniger restriktiv. Auch in Deutschland ist das Internet, technisch gesehen, „frei“ für jedermann zugänglich, denn es richtet sich nicht an einen bestimmten Postadressaten oder Telefonteilnehmer. Technisch gesehen sind die Inhalte des Internets jedem Menschen, der über einen Internetzugang verfügt, frei zugänglich und jeder Mensch überall auf der Welt hat technisch die Möglichkeit, jedem seine Meinung, seine Vorlieben, seine Wünsche, seine intimsten Gedanken mitzuteilen, auch Kinderpornografen, Holokaustleugner, Kriegsverbrecher und Völkermörder – aber nur technisch gesehen.
    In Deutschland und überall in der freien Welt wird – Gott sei Dank – das Internet kontrolliert. Der Transport und die Verbreitung von Inhalten im Internet dürfen in Deutschland dem Grundgesetz, der Menschenwürde und dem Völkerrecht nicht widersprechen und das ist gut so. Es gibt aber Grenzbereiche, über die sich vortrefflich streiten lässt.
    Was ist mit gewaltverherrlichenden und pornographischen Inhalten, deren Flut seit Jahren anschwillt, besonders auch aus den USA zu uns herüberschwappt, in alle Bereiche eindringt und scheinbar keine Grenzen kennt, eben frei ist im Sinne von „tun und lassen können, was man will“.
    Ist das „Freiheit“ oder Anarchie im gewaltverherrlichenden und pornografischen Lebensbereich, der nicht ein ganz persönlicher, individueller Bereich ist, sondern in einem wichtigen sozialen, gesellschaftlichen Kontext stattfindet. Gewalt und Pornografie richten sich definitionsgemäß immer auch gegen andere. Wie können unser Kinder auf Dauer damit umgehen, die unser Erbe einmal antreten werden?
    In China gibt es mittlerweile 140 000 000 Internetbenutzer und überall sind, wie bei uns, Internetcafes, wie Pilze aus dem Boden gesprossen. Millionen junge Menschen nutzen diese Möglichkeiten und das ist gut so.
    Soll man sie schützen vor pornografischen und Gewalt verherrlichenden Inhalten, wie wir sie aus Amerika kennen. (Entschuldigung, natürlich nicht wir, sondern die 16-jährige Cousine unseres Arbeitskollegen zum Beispiel. Wir würden das höchstens heimlich, eventuell gelegentlich, nur im stillen Kämmerlein und mit garantiert schlechtem Gewissen tun, wenn überhaupt.
    Es erfährt ja niemand. Das Internet ist relativ anonym und bietet eine hervorragende Plattform, wo wir uns unerkannt austoben können, könnten, wenn wir wollten. Denn wir haben uns ja ein kleines bißchen Menschenwürde bewahrt, sind aber gleichzeitig denjenigen gegenüber äußerst tolerant und freizügig, denen ein Teil der Menschenwürde abhanden gekommen ist. Die würden aufschreien, wenn man ihnen ihre Gewaltvideos und Pornobildchen nehmen würde, da es ja niemanden stört.
    Was hat denn eine Regierung damit zu tun? Soll sie Verantwortung übernehmen?
    Die Achtung der Menschenwürde garantieren? Jungen Menschen Schutz bieten vor gewaltverherrlichenden und pornografischen Einflüssen?
    Oder soll sie das Feld dem „Freien Markt“ neoliberaler Prägung überlassen, wo der rauhe Wind von Angebot und Nachfrage weht ? Wo für Moral kein Platz ist. Wo nur Werbebanner, Verlinkungshäufigkeit, Anklickwahrscheinlichkeiten und Einschaltquoten herrschen? Dort herrscht die Moral, nach der Gewinne erstrebenswert, Renditesteigerungen lobenswert, Dividendenausschüttungen wünschenswert sind und Profitmaximierung die höchste aller Tugenden ist.
    „Gut“ ist, was nachgefragt wird. Wenn es noch nicht im Angebot ist, kommt es mit Sicherheit rein, denn nur ein verkauftes Produkt bringt Gewinne und Vorteile, was natürlich besonders gut ist. Alles andere ist schlecht?

    Beste Grüße
    Franz Nolte

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.