Neue Computer für die Kinder, WLAN für die Schulen – der Digitalpakt [PDF] soll die deutschen Schulen ins 21. Jahrhundert holen. Doch in Berlin verzögert sich der Start des Investitionsprogramms. Statt die Sommerferien im großen Stil für nötige Umbauarbeiten an den Schulen zu nutzen, soll die offizielle Förderung erst danach beginnen.
Mit dem Digitalpakt fließen erstmals im großen Stil Bundesmittel in den Bildungsbereich. Diesen wollten die Länder bisher vor Einmischung schützen. Fünf Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt sollen in den kommenden fünf Jahren für die Modernisierung der technischen Infrastruktur ausgegeben werden. Sie stammen unter anderem aus der 5G-Versteigerung. Das Geld sollen vor allem in neue Endgeräte, Schulclouds und WLAN-Ausleuchtung investiert werden. Im Gegenzug haben sich die Länder verpflichtet, die Digitalisierung endlich auch in die Lehrpläne zu bringen und die Lehrkräfte fit zu machen.
Keine Förderung ohne Förderrichtlinie
Seit Jahren angekündigt, wurde der Pakt nach langem Ringen zwischen Bund, Ländern und Parteien im Frühjahr diesen Jahres endlich beschlossen – inklusive einer Grundgesetzänderung, die das Engagement des Bundes überhaupt erst ermöglicht.
Damit das Geld tatsächlich fließt, müssen die Ländern diverse Hürden nehmen. Von den 257 Millionen Euro, die Berlin aus dem Pakt nach Angaben der Landesregierung zustehen, können in diesem Jahr höchstens 38 Millionen abgerufen werden – und auch diese Summe wird immer unwahrscheinlicher.
Offiziell könnten die ersten Mittel aus dem Pakt seit Mai 2019 ausgeschüttet werden. Die Voraussetzung dafür ist jedoch, dass jedes Bundesland eine entsprechende Förderrichtlinie veröffentlicht. Sie ist notwendig, damit Schulen sich um die Mittel bewerben können, und muss mit dem Bund abgestimmt werden. Genau dieser Prozess zieht sich in der Hauptstadt offenbar hin.
„Auf einem guten Weg“
Andere Bundesländer wie Hamburg, Sachsen, Thüringen oder Mecklenburg-Vorpommern sind teils bereits seit Mai soweit. In Berlin sei die Veröffentlichung für die „Anfangsphase des neuen Schuljahres“ geplant, teilt uns die Pressesprecherin der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie, Iris Brennberger, mit. Das heißt: Frühestens im Spätsommer, schlimmstenfalls im Herbst.
Kommt Berlin mal wieder nicht hinterher? Die Pressesprecherin mauert. Auch auf mehrfache Nachfrage hin gibt sie keine Auskunft, warum die Förderrichtlinie noch nicht veröffentlicht ist. Man sei auf einem guten Weg. Der Fairness halber: Einem Bericht der Rheinischen Post zufolge haben insgesamt neun Bundesländer noch keine Förderrichtlinie veröffentlicht.
Brennberger betont zudem, dass Berlin gegenüber anderen Bundesländern einen Vorsprung habe, weil es mit dem „eEducation Berlin Masterplan“ bereits weitere Voraussetzungen geschaffen habe, die eine schnelle Umsetzung ermöglichen. Berliner Schulen würden demnach bereits heute IT-Standardlösungen einsetzen, ihr Lehrpersonal fortbilden, Projekte für den IT-gestützten Unterricht durchführen und die Technik nach dem Masterplan warten. Die Senatsverwaltung rechne deshalb weiter damit, dass die vollen 38 Millionen in diesem Jahr abgerufen werden. Jetzt in den Sommerferien würden zudem schon bauliche Maßnahmen umgesetzt, die die Senatsverwaltung eigenständig verantwortet, etwa der Netzwerkausbau.
Doch auch zu einer zweiten Voraussetzung für die Mittelbeantragung aus dem Digitalpakt schweigt sich Brennberger aus. Damit Schulen die Förderung für Geräte, WLAN, Schulserver oder Vernetzung beantragen können, müssen sie ein entsprechendes Medienkonzept vorlegen. Wie viele der 773 allgemeinbildenden Schulen in Berlin das schon getan haben? Keine Antwort. „Die Schulen sind dran, es ist ein laufender Prozess.“
Gerne würde ich hier auch etwas über die in Teilen völlig sinnfreien Förderrichtlinien lesen. Einige Beispiele (gelten für mir bekannte aber noch nicht öffentliche Bestimmungen in NDS)
+ pro Schule 25000 Euro für mobile Endgeräte. Das gilt sowohl für einzügige Grundschulen mit 100 Schülern als auch für Gesamtschulen mit 2500 Schülern.
Verschiebung innerhalb eines Trägers nicht zulässig. Also ein oder zwei Klassensätze bei 70 Klassen.
+ wenn eine Schule bereits in den letzten Jahren eine saubere Infrastruktur investiert hat, kann man das Geld, was für eine WLAN-Investition notwendig wäre, nicht andersweitig verwenden
+ die Betreuung eine Schulservers oder des WLANs oder der oben angesprochenen mobilen Endgeräte ist ausdrücklich nicht förderfähig. Es bleibt also wieder bei irgendeinem per Zufall vorhandenen technikaffinen Lehrer hängen
+ Die Geräte werden ja spätestens in fünf Jahren ausgetauscht werden müssen, es gibt keine Möglichkeit dafür Reserven zu bilden.
Und und und. Unser Träger ist selbst frustriert, denn bei uns sind die meisten Sachen nicht passend und was sollen wir mit einem Klassensatz iPads (o.Ä.)?
Vieles, was sinnvoll wäre, ist nicht förderfähig. Dokumentenkameras werden wahrscheinlich gehen, und die sind wirklich super. Bei allem anderen bleibe ich mehr als skeptisch.
„Gerne würde ich hier auch etwas über die in Teilen völlig sinnfreien Förderrichtlinien lesen.[…]“
Laut bundesweiter Abfrage von RP-Online am 06.07.19 kommt der Digitalpakt Schule nur schleppend voran, siehe [1]. Darin heißt es in Thüringen, Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern gehe man voran, jedoch veröffentlichte nur Sachsen die Richtlinie, siehe [2]. In Thüringen gibt es sie frühestens im August oder später laut Bericht der Ostthüringer Zeitung s. [3].
Nachfolgend eine Übersicht der einzelnen Stände der übrigen Bundesländer (Stand 20.07.19):
Brandenburg in Bearbeitung [4]
Bremen [5]
Hamburg [6]
Hessen als Gesetzentwurf veröffentlicht [7]
Niedersachsen Anhörungsverfahren als Entwurf unter [8]
Baden-Württemberg veröffentlicht Ende Juli siehe [9] Aktuell im Anhörungsverfahren
Rheinland-Pfalz als Vorab-Fassung veröffentlicht [10]
Sachsen-Anhalt veröffentlicht Förderrichtlinie zum 01.08.19 [11]
Berlin siehe oben
Bayern, Nordrhein-Westfalen, Saarland, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein, Saarland (mir) nicht bekannt
+ wenn eine Schule bereits in den letzten Jahren eine saubere Infrastruktur investiert hat, kann man das Geld, was für eine WLAN-Investition notwendig wäre, nicht andersweitig verwenden
Die Mittel sind ja auch nicht ausschließlich für WLAN-Investitionen, sondern auch für Aufbau/Verbesserung d. digitalen Vernetzung in Schulgebäuden/Schulgeländen, dem Aufbau/Weiterentwicklung digitaler Lehr-Lern-Infrastrukturen z.B. Moodle bzw. Anzeige- und Interaktionsgeräte (interaktive Whiteboards).
+ die Betreuung eine Schulservers oder des WLANs oder der oben angesprochenen mobilen Endgeräte ist ausdrücklich nicht förderfähig. Es bleibt also wieder bei irgendeinem per Zufall vorhandenen technikaffinen Lehrer hängen
In der Regel wurde die Aufgabenverteilung als Empfehlung, zwischen dem jeweiligen Kultusministerium und entsprechenden Kommunalen Spitzenverband (Städtetag, Landkreistag, Bezirketag, Gemeindetag/Städte- und Gemeindebund) verhandelt. Siehe hierzu unter anderem nachfolgende Aufstellung (die Links gibt es unter http://bit.ly/MMEBWBY3):
BW: „Multimedia-Empfehlungen“ (S. 26, 2002)
BY: „Bayerisches Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst Beraterkreis zur IT-Ausstattung von Schulen Votum 2018“ (ohne (scheinbare)
Mitwirkung des Bayrischen Städte-, Landkreis-, Bezirketags, Gemeindetags) (S. 11)
BE: „eEducation Masterplan“ (S. 36 bzw. 44)
HB: „SuBITI (Service- und Betriebskonzept für die IT-Infrastruktur)“ (S. 15)
NRW: „Ausstattung für das Lernen mit neuen Medien Ein Leitfaden für Schulen und Schulträger“ (S. 24)
RLP: „Vereinbarung über die Weiterentwicklung der Kommunikationstechnik in Schulen sowie die System- und Anwendungsbetreuung“ (S. 3)
SL: „Rahmenplan Land und Kommunen“ (S. 1, Anlage Pflichtenheft)
NI: „Neue Medien in Schulen Hinweise für Planung und Ausstattung“ (S. 21, 24)
TH: „Empfehlungen des Thüringer Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur zur Ausstattung der Thüringer Schulen mit Computer- und Kommunikationstechnik“ (S. 3)
Demnach sind die Lehrkräfte in den Schulen, als so genannter „First-Level-Support“ tätig.
Wem das nicht passen sollte, der möge bitte an das zuständige Kultusministerium gehen und verlangt eine Neuverhandlung der oben erwähnten Empfehlungen. In Ihrem Fall wenden Sie sich an das niedersächsisches Kultusministerium. Ich gehe jedoch davon aus, dass die Kommunen nicht noch den „First-Level-Support“ (also z. B. Maus einstecken oder die Frage „Wieso geht der Computer nicht?“ zu beantworten -> Lösung: Kaffemaschine anstelle Computer am Strom eingesteckt…) übernehmen möchten. Und wenn sie das übernehmen sollen, werden die es sich sicher finanziell entlohnen lassen wollen (Konnexitätsprinzip, „Wer bestellt, der zahlt.“). Und die Kosten sind mit 80 Tsd € jährlich pro Stelle nicht gerade wenig (siehe S. 138 von [12]).
+ Die Geräte werden ja spätestens in fünf Jahren ausgetauscht werden müssen, es gibt keine Möglichkeit dafür Reserven zu bilden.
Und und und. Unser Träger ist selbst frustriert, denn bei uns sind die meisten Sachen nicht passend und was sollen wir mit einem Klassensatz iPads (o.Ä.)?
Hört sich so an, dass der Träger die Fördermittel nicht haben möchte, wenn keine passenden Sachen dabei sind. Btw. es muss kein Klassensatz iPads/Tablet sein, es können auch Laptops/Notebooks sein.
Zum Schluss möchte ich noch anmerken: Ich beschäftige mich seit 2008 mit dem Thema der technischen Ausstattung an Schulen. Habe etliche Konzepte/Empfehlungen dazu gelesen, jedoch kommt bisher kein Konzept an das der Stadt Heidelberg mit dem Titel „H eidelberg, I nfrastruktur, Konzepte und T echnische Ausstattung an S chulen“ aus dem Jahr 2008 (s. [13]), deren Fortschreibungen 2016 (s. [14]) bzw. 2018 (s. [15]). Dabei gibts LWL ins Klassenzimmer (seit 2002), <4 PCs, IWB/Beamer u. seit 2016 WLAN-AP. Neben dem PC-Raum (16 PCs Beamer/IWB Netzwerkdrucker Gruppentisch) gibts auch 1 Multifunktionsraum (32 PCs via Monitor u PC aufzunehmender PC-Tisch, IWB/Beamer u 1 Netzwerkdrucker). Und die Wartung v 2924 PCs d 1 Person (2008) bzw. 1/1714 bei 2 Pers (2016) bzw 1/738 (bei 6 Personen Beschluss 2016) wird mit rund 1 Mio. € seit dem Doppel-Haushalt 2019/2020 gestemmt.
Mich würde ja gerne interessieren, wieso die Etagenverkabelung an Schulen weiterhin per Kupfer und nicht mit LWL? Am Preis kann es nicht liegen, so ließ ein Träger eine Sonderschule 2015struktiert (neu)verkabeln. In diesem Zusammenhang prüfte man die beiden Alternativen LWL bzw. CAT7. Dabei ergab sich bei einer Gesamtverkabelungslänge von 2.400 m ein Preisvorteil von 2.000 € für die LWL. Macht pro m LWL ein Plus von 0,83 €. Gesamtkosten lagen bei afair rund 12.000 € (macht in etwa 5 € pro m LWL).
Gruss
BBiwy
Referenzen:
[1] https://rp-online.de/politik/deutschland/digitalpakt-schule-kommt-in-nrw-nur-schleppend-voran_aid-40481361
[2] https://www.laenderrecht.de/media/upload/0077%20-%20SaechsABl_2019-23.pdf
[3] https://www.otz.de/regionen/eisenberg/schulen-im-saale-holzland-muessen-weiter-auf-den-digitalpakt-warten-id226514335.html
[4] https://mbjs.brandenburg.de/bildung/gute-schule/schule-in-der-digitalen-welt.html
[5] https://www.bildung.bremen.de/sixcms/media.php/13/L202-19.pdf
[6] https://www.hamburg.de/contentblob/12709076/4dc3d3cc170748589c7e6a59cecc85cc/data/mbl-05-2019.pdf
[7] http://starweb.hessen.de/cache/DRS/20/6/00786.pdf
[8] https://www.mk.niedersachsen.de/download/144641/Richtlinie_Anhoerung.pdf
[9] https://www.welt.de/regionales/baden-wuerttemberg/article194479141/Foerderrichtlinie-fuer-Digitalpakt-soll-Ende-Juli-stehen.html
[10] https://digitalpakt.rlp.de/fileadmin/digitalpakt/19-07-10-VV-DigitalPakt-Schule-RP-vorab.pdf
[11] https://www.server-lesen.de/titel-thema/anschub-fuer-die-digitalisierung-an-den-schulen.html
[12] http://docplayer.org/5480613-Medienentwicklungsplan-fuer-die-schulen-der-stadt-dortmund-2011-2016.html
[13] https://ww1.heidelberg.de/buergerinfo/vo0050.asp?__kvonr=16431
[14] https://ww1.heidelberg.de/buergerinfo/vo0050.asp?__kvonr=23599
[15] https://ww1.heidelberg.de/buergerinfo/vo0050.asp?__kvonr=25663