Heute mittag soll der neue Entwurf zum Urheberrecht im Bundeskabinett verabschiedet werden. Nachdem der neue Kulturstaatsminister Bern Neumann (CDU) auf dem Neujahrsempfang der Musikindustrie versprach die Bagatellklausel zu kippen, folgt dem nun Brigitte Zypries (SPD): Die Justizministerin brachte die Bagatellklausel als Kompromissvorschlag zwischen neuem Informationszeitalter und traditioneller Verwertungskette unter rot-grün in den Gesetzesentwurf ein. Nun hat sie ihre Meinung geändert.
Das Handelsblatt ist gut informiert:
Wie das Handelsblatt aus Koalitionskreisen erfuhr, ist die Bagatellklausel in dem neuesten Gesetzesentwurf, der heute im Bundeskabinett verabschiedet werden soll, nicht mehr enthalten.
Die Klausel sollte private Kopien von kopiergeschützten Werken im kleinen Maße straffrei lassen, um die Zulässigkeit privater Vervielfältigungen nach §53 UrhG auch bei kopiergeschützten Werken zu gewähren zu können. Also zurück zur Wurzelparadoxie der Urheberrechtsnovelle: Privatkopie erlaubt, Umgehung von Kopierschützen verboten.
Tja. Kein Kompromiss – Trauerbeflaggung. Darknet.
* Vorausgesetzt das Handelsblatt ist wirklich gut informiert und es gibt nicht noch eine weitere Überraschung – aber dann positiver Art – im Kabinettsentwurf. Stay tuned.
Update: Weitere Infos sammeln wir hier: Reaktionen zum 2. Korb Kabinettsbeschluss.
Offener Brief auf Frau Zypries:
Sehr geehrte Frau Zypries,
mit Entsetzen sah ich in der Presse, dass Sie mit der Urheberrechtsnovelle auch kleine Mengen von Privatkopien unter Strafe stellen wollen.
Nicht nur, dass Sie unsere Kinder damit kriminalisieren, die ein paar Songs tauschen, wie es die Jugend seit Jahrzehnten macht – Sie machen sich auch zum verlängerten Arm der Lobby der Musikindustrie. Und dies, nachdem Sie schon durch die letzte Urheberrechtsnovelle erreicht haben, dass derjenige sich strafbar macht, der Original-CDs unter Umgehung des Kopierschutzes auf seinen Orginal-iPod kopiert und damit keine Kopie für andere erzeugt, sondern die gekaufte Musik einfach mobil dabei haben möchte. Der Ehrliche ist der Dumme.
Haben Sie sich schonmal Gedanken darum gemacht, dass der Rückgang der Umsätze in der Musikindustrie nicht durch Piraterie, sondern durch mangelnde Innovation, mangelnde Kundennähe und Substitution durch andere Konsumprodukte und Abgaben erzeugt wurde? Schauen Sie sich doch die Produkte der Musikindustrie genauer an:
– Digitale Musik ist mit "Digital Restrictions Managment" (DRM) geschützt, meine gekaufte Musiksammlung wird damit mit einem defekten iPod vernichtet. Hören Sie ab und zu noch ihre alten Platten und CDs? Und würden Sie noch CDs kaufen, wenn Sie wüßten, dass beim Defekt Ihres Players auch die gesamte CD-Sammlung für immer vernichtet wäre?
– Mangels eines wachsenden Budgets des Konsumenten wird Musikkonsum zunehmend durch andere Angebote wie Mobilfunk, Klingeltöne, "Mobile TV", Pay-TV und Playstation-Games ersetzt. Ein Umsatzrückgang ist daher eine Veränderung im Konsumentenverhalten, nicht ein Produkt einer plötzlich kriminalisierten, rücksichtslos kopierenden Mediengesellschaft.
– Dies wird verstärkt durch Doppelbelastungen des Budgets, da in Zeiten, obwohl immer mehr DRM eingsetzt wird, gleichzeitig über neue Abgaben auf PCs und Brenner zusätzliche Einnahmen an die GEMA abgeführt werden müssen – wiederum Geld, das dem Konsumenten in seinem limitierten Medienbudget fehlt.
Nehmen Sie sich ein Beispiel an unserem Nachbar Frankreich. Ganz anders als bei uns sollen dort Konsumenten das Recht bekommen, ihre digitalen Medien künftig beliebig in andere Formate konvertieren zu dürfen – damit die Sammlung nicht mit dem iPod stirbt und der legale Konsument endlich nicht schlechter gestellt ist als der Illegale – und gekaufte Musik wieder hören kann, wann und wo er möchte, ohne Gesetze zu brechen.
Bitte stoppen Sie ihr Vorhaben und machen Sie sich nicht zum Büttel einer verzweifelten, wenig innovativen, ideenlosen und von irrationaler Angst des bösen Raubkopierers geprägten Musikindustrie, die es seit Napster 1999 nur unter Zwang bewegen ließ, sich auf den neuen digitalen Kunden einzustellen.
Jedenfalls kann ich in der Kriminalisierung von Konsumenten durch Ihr Gesetzesvorhaben keinen Volkswillen erkennen.
Mit freundlichem Gruß,
J. Geissler
"Justizministerin Zypries plant, das Anfertigen von Raubkopien künftig auch in Bagatellfällen zu bestrafen."
Die Privatkopie nach UrhG ist eben _keine_ Raubkopie, sondern eine zulässige Vervielfältigung.
Nun denn, dann sollte man seitens des Verbraucherschutzministeriums (so dieses denn den Namen noch verdient) eine Kennzeichnugspflicht für CDs mit DRM einführen… und dann lassen wir den Markt entscheiden.
Nix trauerbeflaggung – direkte aktion. :)
ein boykott wird desöfteren als möglichkeit eines protests gegen die kriminalisierung der tauschbörsennutzer vorgeschlagen, aber wie wäre es mit so einer aktion?
man baut einen tauschring für original-dvds, cds und bücher etc. auf.
man tauscht medien untereinander im verhältnis von 1:1, sodass man für sein original ein anderes original bekommt. mal ehrlich, man schaut sich die filme ja selten öfter als einmal, zweimal an und dadurch, dass sie im kreislauf sind, kann man sie ja auch einfach wieder beschaffen und zur not macht man sich auf eigene gefahr "sicherheitskopie" von der niemand wissen muss.
diese plattform sollte dann medienwirksam beworben werden, als eine reaktion auf die drohgebärden der contentindustrie.
was soll das ganze bewirken?
folgendes. alles ist absolut legal, da es kein gesetz gibt, dass mir den tausch von originalmedien verbietet. es werden weniger dvds, cds, etc verkauft, es werden vermutlich auch weniger medien in den videotheken geliehen. man wird es aber nicht mehr auf die tauschbörsen schieben können. es fliesst dabei kein geld, sodass man auch niemandem persönliche bereicherung vorwerfen kann. im gegensatz zum boykott, der ja eine indivudelle sache ist und keine grosse projektionsfläche in der öffentlichkeit hat, bildet man dadurch eine geschlossene front und zeigt damit, dass man durchaus bereit ist, auf herkömliche distributionswege zu scheissen, um seine freiheiten durchzusetzen.
die forderungen können in einem entsprechenden manifest formuliert werden. vielleicht verschafft man sich dann endlich auf diese weise endlich gehör.
was ich für wichtig halte ist, dass man so eine "tauschbörse" auch explizit als protest gegen den gesetzgeber und die content-lobby positioniert. als reaktion auf die ständige gängelung und kriminalisierung der massen. dass man deutlich macht, dass der kunde
sich nicht alles gefallen lassen will.
allein wenn man einfach an den medientausch in den mensen der schulen
oder unis denkt, erzeugt man ein hohes medientauschvolumen.
dazu soll es noch einen counter geben, der berechnet, wie viel geld der medienindustrie durch diesen tausch entgeht.
sie lieben doch zahlen. mal sehen, wie schnell der geldcounter wächst.
sie kriminalisieren durch den wegfall der bagatellklausel die schulhöfe, dabei vergessen sie, dass die schulhöfe auch perfekt zum massenhaften tausch von
originalen geeignet sind. ;)