Hans-Christian Ströbele war als Redner auf dem 34. Chaos Communication Congress zu Gast. Vor gefüllten Tribünen befragte ihn Constanze Kurz zu seiner Einschätzung und den Ergebnissen des NSA-BND-Untersuchungsausschusses. Unter dem Titel „Die Lauschprogramme der Geheimdienste“ erklärte der Grünen-Politiker, der jahrzehntelang in verschiedenen Geheimdienst-Kontrollgremien war, vor welchen Hindernissen parlamentarische Untersuchungen und Parlamentskommissionen stehen.
Schon der scheinbar harmlosen Frage Kurz‘ nach den verwendeten Telefonen im Ausschuss muss Ströbele ausweichen: „Das ist alles geheim“. Antworten dieser Manier muss er sich, fast entschuldigend, noch häufiger bedienen. Eines kann er jedoch mit Sicherheit sagen: Es gab und gibt anlasslose Massenüberwachung auch in Deutschland, das sei ein klares Ergebnis des Ausschusses.
„Wir brauchen Snowden hier, er ist unverzichtbarer Zeuge für die Aufklärung“
Man wisse nun, dass der Glasfaserknoten in Frankfurt, „der wichtigste in Europa“, abgespiegelt und mit NSA-eigenen Selektoren durchsucht worden ist, so Ströbele. Der ehemalige Abgeordnete der Grünen beschrieb die wissentlichen Rechtsbrüche des BND, deren Verantwortliche allerdings „hochbefördert“ worden seien, anstatt dass ihnen rechtliche Konsequenzen gedroht hätten.
Ströbele betonte, dass man Edward Snowden dankbar sein müsse. Die viele hunderttausend Dokumente, die er Journalisten übergab, hätten nicht nur vielen die Augen geöffnet, sondern hätten auch die Wirklichkeit korrekt wiedergegeben: „Alle haben sich als richtig erwiesen.“ Dennoch sei der Whistleblower vor dem Ausschuss nicht gehört worden. Verantwortlich dafür sei die Bundesregierung, die bis heute nicht entschieden habe, ob Snowden nach Deutschland zum parlamentarischen Untersuchungsausschuss kommen dürfe und in Deutschland freies Geleit hätte. Dabei hätte man ihn gebraucht, denn er sei ein „unverzichtbarer Zeuge für die Aufklärung“.
„Das ist ein Riesenproblem für die Aufklärung“
Der erfahrene Geheimdienstkontrolleur beschrieb außerdem anschaulich, wie man sich den Umgang mit einer geheimen Behörde vorzustellen hat:
Manche Geheimdokumente durften wir noch nicht einmal in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages lesen. Da mussten wir zum Bundesnachrichtendienst, in dessen neuen Bunker in Berlin kommen, kriegten da Zimmer zur Verfügung gestellt, durften uns nichts aufschreiben, durften auch nichts mitnehmen, sondern bekamen dort Bildschirme hingestellt und durften dort Akten lesen. Wenn ich mit Kollegen vor solchen Akten saß und gelesen habe, auch da – das sind ja auch Menschen – zeigten sie plötzlich höchste Empörung. Aber in dem Abschlussbericht findet sich davon so gut wie nichts mehr wieder.
Über mehrere Kontrollgremien hinweg machte Ströbele die Beobachtung, dass sich die jeweilige Regierungskoalition schützend vor die Geheimdienste stelle und die Opposition wenig tun könne. „Das ist ein Riesenproblem für die Aufklärung“, urteilte er.
Insgesamt zeichnete das Gespräch ein ernüchterndes Bild im Hinblick auf Kontrollierbarkeit und Transparenz der Geheimdienste. Dazu trugen auch die Publikumsfragen am Ende bei. Hier erklärt Ströbele, dass er das Gefühl hatte, „noch nie so belogen worden“ zu sein wie anlässlich der Snowden-Veröffentlichungen und der nachfolgenden Untersuchungen im Ausschuss. Informationen seien vorenthalten oder bewusst verzögert herausgegeben worden. Trotzdem hofft er auf eine „heilende Fernwirkung“ des Gremiums, da jeder Geheimdienstmitarbeiter ja damit rechnen müsse, irgendwann einmal vor einem Untersuchungsausschuss zu stehen.
Das Video findet ihr auch unter media.ccc.de und bei Youtube. Das Gespräch steht auch als Podcast im mp3- oder opus-Format zu Verfügung.
Darüber hinaus bietet die Übersichtsseite zum NSA-BND-Untersuchungsausschuss einen guten Einstieg und tiefgründigere Informationen zum Thema.
Hans-Christian Ströbele ist klasse. Vielen Dank für seine wichtige Arbeit.
Von wem und von welchen Interessen wird unser Land eigentlich inzwischen regiert? Von einem uns repräsentierenden Parlament wohl nur noch mit großen Einschränkungen. Jedenfalls schlagen die illegalen Machenschaften unserer Staatsschutzorgane große Lücken in die Legitimation des Staates und zerstören damit das, was sie zu schützen vorgeben.
Trump hat in Deutschland immerhin noch 35000 US Soldaten und 20 US Atomwaffensysteme – so die aktuellen Zahlen – und da wir ja nicht zu den „Five Eyes“ gehören (sind die eigentlich alle einäugig?) – werden wir halt alle ein bisschen mitgetrackt – ach ja – und dann kamen die Chef-WTC Attentäter ja aus Hamburg – und die Deutschen haben nix gemerkt – muß man also den Schlaf überwachen …
nun arbeiten geheimdienste nicht nur mit telefonen …