Seit Juli 2016 darf ich den Bereich „Internet“ im ZDF-Fernsehrat vertreten. Was liegt da näher, als im Internet mehr oder weniger regelmäßig über Neues aus dem Fernsehrat zu berichten? Eine Serie.
Vor gut einem Jahr habe ich im zweiten Beitrag dieser Serie eine Reihe von Gründen angeführt, warum eine möglichst offene Lizenzierung vor allem von journalistischen Inhalten öffentlich-rechtlicher Anbieter wünschenswert wäre. Vor allem textlastige Wikipedia-Beiträge mit öffentlich-rechtlichen Videoinhalten zu ergänzen wäre nicht nur eine Möglichkeit, neue und junge Zielgruppen zu erreichen, es würde auch einen klaren öffentlich-rechtlichen Mehrwert im Vergleich zu anderen, privaten Medienanbietern darstellen.
Seither hatte ich bei verschiedensten Anlässen und auf vielfältige Weise Gelegenheit, mit Verantwortlichen über die Frage der (offenen) Lizenzierung öffentlich-rechtlicher Inhalte zu diskutieren. Dieser Austausch hat nicht nur mein Wissen über interne Abläufe sowie praktische Hürden bei der Umsetzung erweitert, er hat auch einige neue Fragen aufgeworfen. Bevor ich zu diesen offenen Fragen komme, aber zunächst einmal eine Liste mit Punkten, die ich als weitgehend unstrittig anführen würde – klarerweise ist das meine subjektive Sichtweise auf den Stand der Diskussion:
- Offene Lizenzen sowie offen lizenzierte Inhalte finden im ZDF in wenigen, ausgewählten Kontexten bereits Verwendung (z.B. bei Grafiken zu Ergebnissen der Bundestagswahl oder auf Initiative einzelner hin wie bei „Operation Naked“ von Mario Sixtus).
- Für einen überwiegenden Teil der öffentlich-rechtlich produzierten oder beauftragten Inhalte kommt derzeit eine offene Lizenzierung nicht in Frage, weil Agentur-, sonstiges Drittmaterial oder GEMA-Musik verwendet wird.
- Es gibt aber auch einen substantiellen Anteil an Eigenproduktionen ohne GEMA-Musik und ohne Fremdmaterial, die für eine offene Lizenzierung ohne aufwändige Rechteklärungskosten in Frage kommen.
- Das ZDF will im digitalen Raum mit seinen Inhalten auch auf Drittplattformen präsent sein. Priorisiert werden dabei bislang exklusiv große kommerzielle Drittplattformen wie Facebook und YouTube. Dieser Fokus ist mit der Reichweite und Nutzung dieser Plattformen, insbesondere durch jüngere Zielgruppen auch zu rechtfertigen.
- Mit der Wikipedia gibt es aber eine weitere, nicht-kommerzielle Plattform mit großer Reichweite. Bislang werden jedoch keine Mittel dafür eingesetzt, Inhalte für die Nutzung in Wikipedia bereitzustellen.
- Offene Lizenzierung darf nicht auf Kosten der Redakteure und Kreativen gehen, etwaige verminderte Wiederholungshonorare (was nicht überall ein Problem ist) müssen abgegolten werden.
Offene Frage 1: Lizenzwahl
Frage: Warum wird in Fällen, in denen alternative Lizenzen zum Einsatz kommen, nicht eine Wikipedia-kompatible Lizenz (CC0, CC-BY, CC-BY-SA) eingesetzt?
Begründung: Im Rahmen der Berichterstattung über die Bundestagswahl 2017 wurden Ergebnisgrafiken unter der restriktivsten aller verfügbaren Creative-Commons-Lizenzen veröffentlicht (CC-BY-NC-ND), die jegliche Veränderung sowie Nutzung in kommerziellen Kontexten untersagt. Beides verhindert nicht nur die Nutzung in der Wikipedia, sondern auch viele andere durchaus wünschenswerte Anschlussnutzungsweisen. Im Gegenzug dazu ist auch mit einer ND-Lizenz kein Schutz vor Verfälschung von Inhalten verbunden: die Richtigkeit der Inhalte oder ihrer Zuschreibung ist nicht Regelungsgegenstand offener Lizenzen. Selbst wenn die Lizenz eine Veränderung von Inhalten erlaubt, muss diese Veränderung als solche immer ausgewiesen werden, um die Lizenzbedingungen zu erfüllen. Selbst bei offener Lizenz ist das ZDF also rechtlich nicht in einer schwächeren Position, wenn gegen Verfälschung von Inhalten vorgegangen werden soll. Die Untersagung der Nutzung in kommerziellen Kontexten ist auch problematisch, erschwert sie doch vor allem Innovation durch Dritte und schließt die Nutzung im Bereich der Wikipedia aus. Genau letzteres sollte aber das Ziel sein. Umgekehrt werden ohnehin kontinuierlich Inhalte in kommerziellen Kontexten wie Facebook und YouTube bereitgestellt, allerdings ohne diese offen zu lizenzieren.
Offene Frage 2: O-Töne
Frage: Wie könnte die Veröffentlichung und offene Lizenzierung von Interview-O-Tönen in einer durchsuchbaren Online-Datenbank mit offener Schnittstelle (“API”) realisiert werden?
Begründung: In rechtlicher Hinsicht sind O-Töne von Personen öffentlichen Interesses eine der unkompliziertesten Formen von Inhalt, die unter offenen Lizenzen bereit gestellt werden könnten. Gleichzeitig wären diese zum Beispiel von Interesse für personenbezogene Inhalte auf Wikipedia.
Offene Frage 3: Bildmaterial
Frage: Wie wäre es möglich, Bildmaterial von ModeratorInnen sowie Talkshow-Gästen (z.B. in Form von hochaufgelösten Video-Standbilder) unter offener Lizenz zur Verfügung zu stellen?
Begründung: Auch Standbilder und Profilfotos sind rechtlich unkompliziert und technisch simpel in der Erstellung. Gleichzeitig wäre damit nicht nur die Illustration personenbezogener Inhalte in der Wikipedia, sondern auch Berichterstattung über ZDF-Sendungen unkomplizierter möglich. Bis zu einem gewissen Grad würde das also eine Marketing-Maßnahme des ZDFs darstellen und gleichzeitig zum Aufbau eines offenen Langzeitarchivs beitragen.
Offene Frage 4: Eigenproduktionen ohne Fremdmaterial
Frage: Wäre es möglich, eine Liste an Eigenproduktionen ohne Fremdmaterial bzw. GEMA-Musik zu erstellen, exemplarisch für ein Quartal oder zumindest ein Monat?
Begründung: Eigenproduktionen ohne Fremdmaterial sind in rechtlicher Hinsicht am einfachsten unter einer offenen Lizenz veröffentlichbar. Eine Liste von eigenproduzierten Beiträgen und Sendungen würde hier eine systematischere Bewertung des Potentials sowie der sonstigen Herausforderungen bei offener Lizenzierung ermöglichen.
Ausblick
Diese Liste an Fragen lag bereits seit einiger Zeit dem Intendanten des ZDF vor, dessen Antwort mich gestern erreicht hat. Die Antworten darf ich hier leider wegen der üblichen Verschwiegenheitsregeln nicht veröffentlichen. Das Schreiben fiel einerseits differenzierter aus als Stellungnahmen davor, die konkreten Fragen wurden jedoch pauschal unter Verweis auf Rechteklärungsaufwände nicht beantwortet (Fragen 2-4) oder betrafen nicht den Kern des Problems (Frage 1). Ich werde demnach die diesbezügliche Brieffreundschaft fortsetzen müssen.
Erfreulich ist jedenfalls das kürzlich auch im Rahmen einer Podiumsdiskussion von ZDF-Intendant Thomas Bellut bekräftigte Bekenntnis zu einer digitalen Kulturplattform, in der auch Inhalte von Museen und anderen Kultureinrichtungen eingebunden werden sollen. Die Frage der Lizenzierung wird dabei aber auch nur als Problem und nicht als Chance gesehen.
Dementsprechend hat sich an der prinzipiellen Einschätzung, die Frage offener Lizenzierung als Nerdkram ohne breitere Relevanz zu betrachten, bislang wenig geändert. Weiterhin wird durchaus einiges an Geld und Personal für Präsenz auf kommerziellen Plattformen wie YouTube und Facebook eingesetzt, während quasi gar kein Geld für Rechteklärung zur offenen Lizenzierung eingesetzt wird. Das führt jedoch zu einem doppelten Versäumnis: Einerseits werden die Potentiale der Präsenz auf gemeinnützigen Drittplattformen wie Wikipedia gerade im Bereich journalistischer Inhalte nicht genutzt. Andererseits wird eine Gelegenheit zur Differenzierung von privatwirtschaftlichen Anbietern sowie zum Herausstreichen des Mehrwerts öffentlich-rechtlicher Angebote ausgelassen.
Zunächst ein Mal vielen Dank für das Update! Es freut mich, dass du so Konstruktiv versuchst etwas bei den öffentlich Rechtlichen zu Bewegen. Ich kann dir aus eigener Erfahrung sagen, dass es unter den Menschen die dort Arbeiten an den stellen wo ich Berührungspunkte hatte eine offene Ablehnung gegenüber offenen Lizenzen gibt.
Für eine der FUNK Eigenproduktionen habe ich im vergangenen Monat Drehbücher schreiben sollen. Es war schicht unmöglich einen anderen Vertrag zu bekommen als den Standardvertrag der Produktionsgesellschaft zdfDigital, die sich darauf berufen hat, dass das ZDF diesen Vertrag so vorgibt und nichts zu ändern sei. Die Zusatzklausel, dass die von mir erstellten Drehbücher auch unter CC-BY-SA, oder CC-BY oder CC0 veröffentlicht werden sollten wobei ich bei der Attribution nicht ein Mal meinen Namen hätte sehen müssen wurde einfach abgelehnt. Es gab auch null Bereitschaft an dieser Stelle zu verhandeln.
Das empfinde ich als mega traurig und hoffe sehr, dass du dort in Zukunft noch mehr bewegen kannst. Ich war schockiert, dass das ZDF offene Lizenzen nicht mal schafft, wenn die Urheber das (nicht mal ausschließlich, sondern nur als Zweitverwertung) wünschen.
Danke für das Teilen Deiner Geschichte, ist sehr hilfreich!
Ich bin seit 20 Jahren in unterschiedlichen freien Beschäftigungsverhältnissen zum ÖR. Aus dieser Erfahrung heraus bleibt für Herrn Dobushs ( meiner Meinung nach ) hoch naive Denke des fairen Agierens der ÖR gegenüber Kreativen leider nur Spott. Natürlich war bereits bei FUNK abzusehen, dass die Verträge natürlich so verlangt werden, wie nun von Rene beschrieben. Und natürlich wird sich dieser asoziale „Friß oder Stirb“ Virus bei einer Erweiterung über FUNK hinaus flächendeckend finden. Das geht auch gar nicht anders, denn ein fairer Rechteeinkauf wäre auch mit substanziellen Erhöhung des Rundfunkbeitrags ( hier lautes prusten ) gar nicht finanzierbar . Warum auch ? Warum soll der Deutsche Steuerzahler für Google, Amazon, sonstwen ( damit sich die Plattformen bei Wikipedia als Content Steinbruch bedienen können ) die Profite kalifornischer Plattformen bezahlen ???? Das Geld sollte vielmehr in die Qualitätssicherung des Programms einfließen. Bereits jetzt gibt es eine ( und ich spreche nicht von fehlender Kultur oder sowas ) substanzielle Verramschung des ÖR Programms. Die Menschen müssen viel Geld zusätzlich in die Hand nehmen, um Content Qualität über alternative Anbieter zu bekommen und haben das zusätzlich zum Rundfunkbeitrag zu bezahlen. Das ist fundamental asozial und schließt arme Bevölkerungsgruppen von der Teilhabe aus. Das ist eine Bankrott Erklärung des verfassungsmäßigen Rundfunkbeitrags. Und wozu ? Damit kalifornische Plattformen noch mehr Gewinn machen, diese Gewinne lt. Denke von Herrn Dobush zwangsfinanziert vom Deutschen Steuerzahler.
Sehr richtig,
Ein Webprojekt des Deutschen Museums wurde von Ilse Aigner und Team
an Google gegeben.
Es sollen aber noch mehr folgen.
Wer sowas fördert – mit viel Geld – und dt Media Agenturen ausgliedert ,der
verkauft unsere Kultur und zerstört Arbeitsplätze.
Was Google im Hinterund mit den Daten macht , ist eh unklar.
Diese Politiker gehören angezeigt.
Die Webseite ist auch äusserst simple aufgebaut!
Es geht um Fotoshow …..
Dass Besucher sich das nur mal schnell digital anschaun und einen Besuch dann evtl
nicht mehr benötigen.
(im Hintergund um enorme Datensammlungen in den USA )
w w w artsandculture.google.com/partner/deutsches-museum
Natürlich findet man auch die tollen Google APIs auf fast jeder Site integriert.
Sie können nichts , was es schon nicht vor Google gegeben hat.
DHTML etc…und früher war viele sogar noch schneller !
Ich bin gegen die Offenlegung der Museen ins Netz .Vorschau ja ,aber sonst sollen
die Besucher noch vor Ort erscheinen.
Wie schon hunderte Jahre erfolgreich praktiziert.