Neues aus dem Fernsehrat (14): „Öffentlich-rechtlich im Netz“ bei der #np13

Das (vermeintliche) Überangebot an Inhalten im Internet setzt öffentlich-rechtliche Rundfunkangebote unter verschärften Legitimierungsdruck. Gleichzeitig schränkt das Rundfunkrecht den Handlungsspielraum öffentlich-rechtlicher Sender im Netz beträchtlich ein.

Seit Juli 2016 darf ich den Bereich „Internet“ im ZDF-Fernsehrat vertreten. Was liegt da näher, als im Internet mehr oder weniger regelmäßig über Neues aus dem Fernsehrat zu berichten? Eine Serie.

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Meinen Vortrag (Video / PDF der Slides) bei der diesjährigen „Das ist Netzpolitik!“-Konferenz habe ich zum Anlass genommen, mich grundsätzlicher mit Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft von öffentlich-rechtlichen Angeboten im Internet auseinanderzusetzen. In der Vergangenheit kam der gesetzliche Telemedienauftrag im Rundfunkstaatsvertrag einem weitgehenden Telemedienverbot gleich: Inhalte durften nur für wenige Tage online verfügbar bleiben, mussten einen „Sendungsbezug“ aufweisen und durften keinesfalls „presseähnlich“ ausfallen.

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„Lebenswirklichkeit“ im Rundfunkstaatsvertrag

Erstmals substantiell gelockert wurden diese Bestimmungen bei der Einführung des Jugendangebots Funk. Mangels Sender war hier kein Sendungsbezug mehr möglich. Stattdessen wurde § 11g in den Rundfunkstaatsvertrag eingefügt, der vorsieht, dass …

… [d]ie Verweildauern der Inhalte des Jugendangebots […] so zu bemessen [ist], dass sie die Lebenswirklichkeit und die Interessen junger Menschen abbilden und die demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse der jeweils zur Zielgruppe gehörenden Generationen erfüllen.

Angesichts dieser flexiblen und zeitgemäßen Vorschrift stellt sich natürlich die Frage, warum sich nur das Jugendangebot und nicht öffentlich-rechtliche Telemedienangebote ganz allgemein an der „Lebenswirklichkeit“ sowie an „demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnissen“ der Beitragszahlenden orientieren?

Reform des Telemedienauftrags

Wie im Rahmen dieser Serie bereits berichtet, dokumentieren die Ergebnisse der öffentlichen Konsultation zur Reform des Telemedienauftrags eine durchaus breite Unterstützung für eine Lockerung der bestehenden Verbote. Vor allem der Sendungsbezug soll, wenn es nach dem vorliegenden Entwurf geht, mit Ausnahme presseähnlicher Angebote fallen.

Ob es tatsächlich zu diesen Änderungen im Rundfunkstaatsvertrag kommt, ist jedoch keineswegs geklärt. Neben Unwägbarkeiten im Zusammenhang mit dem Regierungswechsel in Nordrhein-Westfalen – eine Änderung erfordert Einstimmigkeit unter allen 16 Bundesländern – sprechen sich vor allem Presseverleger gegen die Änderungen aus. Besonders die Frankfurter Allgemeine Zeitung tat sich in den letzten Wochen mit Kampagnenjournalismus gegen öffentlich-rechtliche Angebote hervor, titelte „Von Staatsrundfunk und Zwangsgebühr“ und den „Nimmersatten“. Das veranlasste wiederum Brigitte Beatz beim Deutschlandfunk, einen ironischen „Liebesbrief an die FAZ-KollegInnen“ zu schreiben.

Blick zur BBC

Bei all dem ist die Debatte über eine Modernisierung des Telemedienauftrags in Deutschland immer noch rückwärtsgewandt. Besonders deutlich macht das ein Blick zur BBC. Bereits 2015 hatte diese in ihrem Strategiepapier „British Bold Creative“ (PDF) das Ziel der „Open BBC“ ausgegeben und mit dem Aufbau einer öffentlich-rechtlichen Plattform begonnen. Dort werden nicht nur Inhalte der BBC selbst, sondern auch anderer gemeinnütziger Anbieter wie Museen, Archive oder Universitäten angeboten und die Nutzerinnen und Nutzer werden eingeladen, sich interaktiv mit diesen Inhalten auseinanderzusetzen.

Die Abkehr vom „Sendungsbezug“ kann deshalb nur ein erster, winziger Schritt hin zu mehr Offenheit auch bei den deutschen öffentlich-rechtlichen Angeboten sein. Konkret geht es um eine fünffache Öffnung:

  1. Offene Grenzen: Öffentlich-rechtliche Angebote müssen wo immer möglich auch grenzüberschreitend nutzbar sein. Geoblocking sollte von der Regel zur Ausnahme werden. Vor allem aber sollte gemeinsam mit anderen öffentlich-rechtlichen Anbietern an einer europäischen Plattform gearbeitet werden.
  2. Offene Lizenzen: Damit öffentlich-rechtliche Inhalte nicht nur auf kommerziellen Plattformen wie YouTube und Facebook, sondern auch auf gemeinnützigen Plattformen für Wikipedia verfügbar sein können, müssen zumindest bei Eigenproduktionen ohne Agenturmaterial und GEMA-Musik offene Lizenzen zum Standard werden.
  3. Offene Finanzierung: Ein substantieller Anteil des öffentlich-rechtlichen Kuchens sollte nicht über die Anstalten, sondern im Rahmen offener und dezentralisierter Vergabeprozesse verausgabt werden. Denkbar wären hier verschiedene Lösungen, von Crowdfunding bis hin zu einer demokratisch legitimierten Internetintendanz.
  4. Offen für Kooperationspartner: Nach Vorbild der BBC sollten öffentlich-rechtliche Plattformen auch offen für Partnerschaften und Inhalte anderer, gemeinnütziger Anbieter wie Museen oder Universitäten sein.
  5. Offene Strukturen: Mehr Transparenz hinsichtlich öffentlich-rechtlicher Entscheidungs- und Vergabeprozesse sowie neue Formen der Mitwirkung von Beitragszahlenden jenseits defizit-orientierter Formate („Programmbeschwerde“) sind entscheidend, um die Legitimität öffentlich-rechtlicher Angebote im Netz zu sichern.

Ein Telemedienauftrag, der sich an diesen Punkten orientiert, wäre die beste Antwort auf die Fundamentalkritik am öffentlich-rechtlichen Angebot von Seiten privater Presseverlage. Nicht, weil diese damit einverstanden wären – ganz im Gegenteil -, sondern weil so der Wert eines öffentlich-rechtlichen Angebots auch im Internet deutlich gemacht würde.

Eine Ergänzung

  1. Ich möchte die öffentlich-rechtlichen Anstalten aber nicht im Netz sehen. Sie wären nur weitere potente Player, der durch pure Macht – diesmal per Zwangsfinanzierung – die Vielfalt im Netz zerstören. Ich habe noch keinen einzigen Beitrag der ÖR im Netz gesehen, der über eine oberflächliche Betrachtung mit einem Thema hinausgegangen wäre. Mehr als vier oder fünf Absätze kommen dabei selten rum, wozu auch, damit dominiert man verblödete, die Kürze liebende Suchmaschinen und damit das Netz. Die erwähnten Open-Ansätze werden inhaltlich auch keine qualitative Aufwertung bewirken, da heutiges Open-XYZ meist Ein-Tages-Hypes sind, die danach wieder einschlafen. Etwas dauerhaftes habe ich aus der Szene noch nicht gesehen, sobald die Aufmerksamkeit weg ist, ist auch das Projekt verwaist. Leider trägt das auch nicht zum breiten und langfristigen Nutzen des Netzusers bei. Daher mein schon einführend genanntes Fazit: ÖR, wie man es kennt, Internet, nein danke.

    Mit meinem Kommentar meine ich ausdrücklich nicht die Rundfunk- und Fernsehbeiträge der ÖR.

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