Hinweis: Ja, Markus hat den Artikel ein paar Minuten früher entdeckt: Censilia: Ausweitung der Kampfzone
Und noch eine kleine Leseempfehlung zum Frühstück: In der c’t 9/10 fasst Holger Bleich die aktuelle Entwicklung auf EU-Ebene noch einmal übersichtlich zusammen. Wer hier und anderswo im Netz in den letzten Wochen mitgelesen hat, erfährt naturgemäß wenig neues, bekommt aber einen kompakten Überblick.
Besonders freut mich, dass es mit der Veröffentlichung in der c’t nun endlich eine zitierfähige Quelle gibt, die das offenkundige Märchen vom „Milliardenmarkt Kinderpornographie im Web“ mit aktuellen Untersuchungsergebnissen widerlegt:
Verlässliche Zahlen zur Anzahl von Websites oder gar zu dem stets behaupteten profitablen Markt für Missbrauchsdarstellungen von Kindern im Web existieren nicht. Das Kriminalwissenschaftliche Institut der Uni Hannover erstellt derzeit die erste diesbezügliche Studie.
Arnd Hüneke, der die Studie leitet, ist sich nach ersten Zwischenergebnissen sicher: „Einen Markt für kinderpornografische Inhalte gibt es im Web nicht.“ Dies habe sich aus vielen Gesprächen, beispielsweise mit Strafermittlern der Landeskriminalämter, zweifelsfrei ergeben, teilte er c’t mit. Wie Malmström auf ihre Zahlen komme, sei ihm nicht klar.
Längst ist aber jedem halbwegs fachkundigen Politiker klar, dass Zugangserschwerungen fürs Web allenfalls marginale Auswirkungen auf die Verbreitung von Missbrauchsdarstellungen haben […]
Vielleicht können wir nun endlich über sinnvolle Maßnahmen im Kampf gegen die Verbreitung von Missbrauchsdarstellungen im Netz reden. Na, wir wäre das?
Na und wenn schon – wenn die Studie nach ihrem Abschluss zu belastbaren Beweisen GEGEN den „Milliardenmarkt“ Kinderpornografie im Web/Netz kommt, dann wird sie halt begraben. Sie wird untergehen, relativiert und angezweifelt werden, und es werden wieder gebetsmühlenartig die (dann eigentlich widerlegten) Argumente wiederholt.*
Denn als Feindbild und casus belli für „Kinderschutz“-Organisationen und Politiker und den Feldzug für universell einsetzbare Internetsperren unter dem Deckmantel des Kinderschutzes ist das Phantom des „Milliardenmarktes“ viel zu kostbar, als daß man sich argumentativ davon verabschieden wird. Von der Aufrechterhaltung solcher Lügen hängen nämlich Wählerstimmen bei Senioren und Internet-N00bs, öffentliche Zuschüsse und private Spenden, und politischer Einfluß ab!
Es ist im übrigen zu vermuten daß Frau Malmström von der gleichen international agierenden Organisation ihre Zahlen bekommen hat, die Frau von den Laien auch schon die Blamage mit den angeblich in Indien erlaubten Kinderpornos eingebracht hat. Letztere Organisation war m. W. bereits bei den Beratungen zum gecancelten 2009er Rahmenbeschluss zugegen auf dem diese ganze Richtlinie zu wesentlichen Teilen beruht. Und bei denen hat man’s schon oft nicht so genau genommen mit Zahlen.
*so geschehen u.a. auch vor ein zwei Jahren in den USA nach einer groß angelegten und von den Generalstaatsanwälten von 48 US-Bundesstaaten in Auftrag gegebenen Studie zu Cyber-Bullying und Übergriffen gegen Kinder und Jugendliche im Netz. Einfach gesagt kam die Stude zu dem Schluß, daß das Problem in Wirklichkeit fast nicht existent ist. Gefiel aber den Panikmachern vom Dienst nicht, also hat man vehement die Studie versucht zu diskreditieren und herunterzuspielen, und inzwischen will keiner mehr etwas davon hören.
Ach was, wozu denn teure und zeitraubende Studien. Das würde einen Vollblutpolitiker wie die Hessische Umweltministerin auch nur aufhalten und wirre Vorstellungen tuns offenbar ja auch. Mit dem unschlagbaren Argument ”…Obwohl es keine Statistiken darüber gebe, geht die hessische Ministerin davon aus, dass immer häufiger Tiere von Menschen als Sex-Objekte benutzt werden…“ will man nun, da sich die Mär des KiPo-Marktes nun wirklich nicht mehr halten lässt – eben Sex mit Tieren verbieten. Uff, endlich jemand der sich dieses nun wirklich brennenden (oder auch nicht, aber is ja egal, s.o.) Themas annimmt.
@ninjaturkey: Zuerst dachte ich, das wär ein Joke. Aber die hessische CDU versucht tatsächlich hier eine zweite Front gegen „Perverse“ zu eröffnen. Und wieder ist das böse Internet im Visier:
Frankfurter Rundschau
FAZ
Natürlich ist das ganze wieder „nur die Spitze eines Eisbergs“, und es wird auf die guten Erfahrungen anderer Länder mit einem Verbot der Sodomie verwiesen.
Neu (im Vergleich zur KiPo-Debatte) sind die Spitzen gegen die Aufweichung der Sexualmoral durch die bösen 68er und die damals erfolgten gesetzlichen Liberalisierungen.
@ Roger:
Ich habe den Verdacht, dass die Ministerin einfach einem Tippfehler im Satz „Denkt denn keiner an die Rinder?!“ aufgesessen ist…
Nein! Die CDU ist sich für nichts zu schade. Passt auf, bald verkündet Roland Koch, jüngste Untersuchungen unter Leitung der Unionsparteien hätten ergeben, dass die Erde eine Scheibe, Buchdruck des Teufels und der Papst unfehlbar sei. Ach so, das behaupten die ja teilweise schon.
Mittlerweile bin ich die Diskussion um Bildchen und Darstellungen irgendwelcher amoralischen Handlungen leid. Das zeigt doch im Grunde genommen nur, dass es nicht um den Schutz von Kindern und Rindern geht, sondern um die Befriedigung pseudo-moralischer Verklemmtheit. Ginge es um Schutz, würde die Diskussion in ihrer gesamten Vehemenz um Schutz vor Mishandlung und Vergewaltigung auf internationalem Level gehen. Aber diese Debatte findet nicht statt und zwar nicht im Mindesten. Und schon gar nicht öffentlich.
Literaturempfehlung: Singelnstein, Stolle: Die Sicherheitsgesellschaft, 2. Auflage
Prägnantes Zitat: „Wissenschaftliche und praktische Erkenntnis wird ersetzt durch wahlkampftaugliche Alltagstheorien“
Da geht es im Bezug auf die „gefühlte Kriminalität“ aber u.a. auch um das Wiederaufleben eines moralisch-religiösen Konservatismus; über den Wandel der Begriffe Sicherheit und Freiheit und vieles mehr.
[quote]Die Kommission will den Begriff der „Kinderpornografie“ weiter fassen als bisher. Dem Vorschlag zufolge soll darunter unter anderem „jegliche Darstellung der Geschlechtsorgane einer Person mit kindlichem Erscheinungsbild für primär sexuelle Zwecke“ fallen. Als Kind soll jede Person unter achtzehn gelten.[/quote]
Darf ich das so verstehen, dass es illegal sein soll, wenn man sich Nacktfotos von 18-25jährigen ansieht, die nicht gerade kurvig gebaut sind? Oder wie soll man nun entscheiden ob eine Frau wie 18 oder wie 19 aussieht? Das ist doch subjektiv.
Ps.: Wie quote ich eigentlich? Ich würde das gerne so haben, wie die anderen :) Mit blauen Hintergrund und eingerückt :)
@KinNeko (#8)
mit [blockquote] Zitat [/blockquote], nur anstatt eckige Klammern spitze Klammern.
in der Kommentarsektion auf spiegelfechter.com kannst du dir HTML-Tags anzeigen lassen.
Falls du dich in die Materie vertiefen willst, schau auf http://de.selfhtml.org nachsehen.
Zur zitierfähigen Quelle: das hatte die c’t ja schon im Artikel zur Zensursula-Debatte letztes Jahr geschrieben (für die Leute mit vorliegender c’t(-ROM): die entscheidende Passage ist auf Seite 21). Allerdings nicht ganz so direkt.
P.S.: Ist mir gerade erst aufgefallen: Die Überschrift und der Text sind falsch. Die korrekte Ausgabe müsste in Jörg-Olaf Schäfers Text „c’t 09/2010, Seite 53“ lauten. Sonst referenziert der Artikel hier den von mir angesprochenen Artikel, obwohl er den aktuellen meint. ;)
@Roger #3
Dient das derzeit nicht schon als Entschuldigung für den Missbrauch in der Kirche?
@Drizzt: Danke für den Hinweis. Ist korrigiert.
Also bei dem ganzen Gerede über Internetsperren für Seiten die pädophile Inhalte darstellen wüsste ich einmal gerne ob irgendwer schon einmal eine solche Seite gesehen hat? Sehr wohl finden sich solche Inhalte in p2p Netzwerken und im Usenet aber im Inet hab ich solche Inhalte noch nie entdeckt. Die kommerziellen Pornoanbieter sitzen meines Wissens meist in den USA und soweit ich weiss ist Kinderpornographie auch dort illegal.
Wäre doch ganz nett, wenn auch mal konkrete Beweise für die vielzitierte Problematik gegeben würden.
Für mich sieht das eher wie eine Kriminalisierung des Internet für neue Kontrollmaßnahmen seitens der Regierung aus.
Klar dass jeder ja sagt, wenn es darum geht Kinder zu schützen. Ich persönlich glaube nicht an die Existenz solcher Inhalte im Web, da gäbe es schon andere Möglichkeiten widerrechtliche Inhalte zu tauschen, als einen HTTP-Onlineshop für Kinderpornos zu betreiben.
Sry, ich halte das für ein neues altes Schreckgespenst der Ministerien für Bürgersicherheit.
Demächst tischen sie uns dann die Geschichte auf, dass deutsche Al-Kaida-Terroristen über iranische Kinderpornonetzwerke waffenfähiges Uran verticken was dann einen Krieg der NATO-Staaten gegen den Iran rechtfertigen soll.