Sondervermögen für InfrastrukturGeld ist nicht alles

Mit einem milliardenschweren Sondervermögen wollen Union und SPD die digitale öffentliche Infrastruktur stärken. Doch das Geld sollte nicht in KI oder Quantencomputing fließen. Stattdessen brauchen wir endlich eine Digitalisierung, die allen Menschen zugutekommt.

Markus Söder (CSU), Friedrich Merz (CDU), Lars Klingbeil (SPD) und Saskia Esken (SPD) geben am 4. März eine Pressekonferenz zu den Sondierungsgesprächen
Markus Söder (CSU), Friedrich Merz (CDU), Lars Klingbeil (SPD) und Saskia Esken (SPD) geben am 4. März eine Pressekonferenz zu den Sondierungsgesprächen – Alle Rechte vorbehalten Phoenix, Screenshot YouTube

Viele werten es als eine historische Kehrtwende: 500 Milliarden Euro wollen Union und SPD als Sondervermögen bereitstellen. Das Geld soll in die Verteidigung und die öffentliche Infrastruktur fließen. „Damit die Dinge im täglichen Leben wieder funktionieren“, wie Lars Klingbeil (SPD) auf einer Pressekonferenz am 4. März betonte.

Ihre Entscheidung haben die beiden Parteien verkündet, noch bevor sie mit Koalitionsgesprächen begonnen haben. Wie viel Geld aus dem Sondervermögen der Digitalisierung zugutekommen soll, ist aktuell noch völlig unklar. Selbst der CDU lägen hierzu „derzeit keine detaillierten Informationen vor“, wie uns ein Pressesprecher der Partei auf Anfrage mitteilte.

Derweil wachsen die Begehrlichkeiten: Der Branchenverband Bitkom wünscht sich milliardenschwere Investitionen in Künstliche Intelligenz und Quantencomputing. Auch der KI-Verband fordert mehr Rechenkapazitäten für KI. Und die Wissenschaftsminister:innen der Länder verlangten vor wenigen Wochen eine „KI-Offensive von Bund und Ländern“ – als „gemeinsame Kraftanstrengung“ für den Standort Deutschland.

Solche Forderungen sind nicht nur verfrüht, sondern zeugen auch von einem grundlegenden Missverständnis. Denn die öffentliche Infrastruktur dient nicht in erster Linie dazu, die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes zu stärken.

Und bevor die nächste Bundesregierung die Mittel ausschüttet, sollte sie zunächst die richtigen Lehren aus den Fehlschlägen ihrer Vorgängerin ziehen. Andernfalls bleibt die Digitalisierung weiter in guten Vorsätzen stecken.

Die richtigen Lehren ziehen

An solchen guten Vorsätzen hatte es der Ampel-Koalition nicht gemangelt. Sie verfasste eine Digitalstrategie, berief einen Beirat, der deren Umsetzung kritisch begleiten sollte, und im Kabinett gab es sogar einen Halb-Digitalminister. Dennoch blieb bei vielen der angestrebten Leuchtturmprojekte das Licht aus.

Der Beirat Digitalstrategie zog nach zweijähriger Amtszeit ein desaströses Fazit. Er vermisste einen klaren strategischen Kurs und eine zentrale Steuerung. Auch die Einbindung von Betroffenen, Fachleuten und Stakeholdern sei – wenn überhaupt – meist zu spät erfolgt.

Eine erfolgreiche Digitalisierung könne nur gelingen, so die Empfehlung des Beirats, wenn sich die politischen Prozesse grundlegend ändern. Außerdem müsse die nächste Regierung klarer definieren, welche gesellschaftliche Wirkung die digitalpolitischen Maßnahmen erzielen sollen.

Grundlegende Voraussetzungen fehlen

Wie weit die Bundesrepublik bei der öffentlichen digitalen Infrastruktur zurückliegt, zeigt sich eindrücklich beim Thema digitale Identitäten. 60 Millionen Deutsche besitzen einen elektronischen Personalausweis. Allerdings nutzen nur die wenigsten dessen digitale Funktionen, viele kennen sie nicht einmal.

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Die Ampel wollte den ePerso deshalb gezielt bewerben. Die geplante Werbekampagne fiel jedoch dem Rotstift zum Opfer. Ebenso erging es der Möglichkeit, dass Bürger:innen die eID-Funktion ihres Persos kostenlos freischalten können. Rund 30 Millionen Euro wollte die Ampel so einsparen – eine krasse Fehlentscheidung, die ihre Digitalisierungspläne ins Wanken brachte.

Auch beim Thema „digitale Souveränität“ stellte sich die alte Bundesregierung selbst ein Bein. Statt wie versprochen auf Open Source und eigene Speicher-Lösungen zu setzen, vertrauten Bund und viele Länder die digitale öffentliche Infrastruktur lieber US-Firmen wie Oracle und Microsoft an.

Gleichzeitig kürzte die Ampel die Mittel für das Zentrum für digitale Souveränität (ZenDiS), das offene Software-Lösungen für die Verwaltung schaffen soll. Nicht nur angesichts einer marodierenden Trump-Regierung war auch das eine fatale Fehlentscheidung.

Eine digitale öffentliche Infrastruktur für alle

Mit Blick auf die vergangenen Jahre zeigt sich auch: Geld ist nicht alles. Es fehlt auch an Steuerung, Priorisierung und geeigneten politischen Prozessen. Bevor also die nächste Regierung das Sondervermögen großzügig in KI und Quantencomputing steckt, sollte sie zunächst klare Bedingungen definieren und dabei auch die Lehren aus den Versäumnissen und Fehlern der Ampel-Regierung ziehen.

Dazu gehört erstens, dass sie das Geld nicht mit der Gießkanne verteilen sollte – erst recht nicht dort, wo es wirkungslos versickert. Stattdessen sollte sie zunächst gezielt die grundlegenden Voraussetzungen für eine digitale öffentliche Infrastruktur schaffen.

Zweitens sollte die öffentliche Infrastruktur nicht vorrangig dem Markt und bestimmten Partikularinteressen, sondern allen Menschen zugutekommen, die in einem Land zusammenleben. Dazu gehören Straßen, Schulen, Krankenhäuser – und eben auch Breitbandnetze, Mobilfunkmasten oder eine funktionierende digitale Verwaltung.

Das aber geht drittens nur, wenn die nächste Regierung von Beginn an Stakeholder, Expert:innen und Zielgruppen einbindet. Nur mit Hilfe vieler Perspektiven lässt sich ein Ziel definieren, dass die Richtung für die ressortübergreifende Umsetzung in der nächsten Regierung vorgibt. Dazu sollte dann auch ein festes Digitalbudget gehören – ein weiteres Versprechen, das die Ampel nicht einlöste.

Erst wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, lassen sich die politischen Fehler der Vergangenheit vermeiden. Und erst dann sollten wir auch von einer historischen Kehrtwende sprechen.

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