Native AdvertisingSo gefährlich und verbreitet ist Werbung, die wie Journalismus aussieht

Fast alle Nachrichtenseiten veröffentlichen werbende Inhalte, die von ihrem redaktionellen Angebot kaum zu unterscheiden sind. Expert*innen sehen dadurch die Glaubwürdigkeit des Journalismus bedroht.

Mini-Menschen arbeiten an einem Riesen-Laptop, der mit Greifarmen verschiedene Dinge tut.
Die Werbeindustrie arbeitet hart daran, möglichst überzeugend zu wirken. – Alle Rechte vorbehalten Imago / Zoonar

Fast jeden Tag erhalten wir in der Redaktion E-Mails von Menschen, die Artikel auf netzpolitik.org publizieren wollen. Die Anfragen stammen nicht von Hobby-Journalist*innen, sondern von Werber*innen. Die Begründungen sind mitunter skurril: Weil wir Gesundheitscontent hätten, seien wir sicher auch an einem Beitrag über eine Vaginalgewichtheberin interessiert, die gleichzeitig Sexcoach ist, lautet etwa eine Anfrage.

Zahlreiche andere Medien nehmen solche Angebote regelmäßig an. Die besagte Gewichtheberin wurde nach eigener Aussage bereits von BuzzFeed, Glamour, Cosmopolitan, msn und vielen weiteren journalistischen Plattfomen gefeatured.

Native Advertising nennt sich die Praxis, wenn bezahlte Anzeigen im redaktionellen Gewand veröffentlicht werden. 2014 war das in Deutschland noch weitgehend unbekannt, inzwischen ist daraus ein profitables Geschäft geworden. „Das Instrument ist weit verbreitet und verbreitet sich immer weiter. Von Boulevardmedien bis zur Neuen Züricher Zeitung nutzen das alle“, sagt Guido Keel, Professor am Institut für Angewandte Medienwissenschaft der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften.

250 Milliarden US-Dollar für Möchtegern-Journalismus

Daniela Schlütz, Professorin für Theorie und Empirie der digitalen Medien an der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf, sagt ebenfalls: „Native Advertising ist etwas, das sich weitgehend durchgesetzt hat in Onlinemedien. Das ist extrem weit verbreitet.“

Und der Markt für Native Advertising wächst weiter. Eine Studie der französischen Werbefirma adyoulike aus dem Jahr 2019, die von Statista veröffentlicht wurde, sagte dem Native Advertising in Deutschland für 2025 einen Umsatz von knapp 21 Milliarden Dollar voraus. Das ist rund vier Mal so viel wie für 2020 prognostiziert wurde. Die Wachstumsprognosen für den weltweiten Markt fallen ähnlich beeindruckend aus. Dem Forschungsunternehmen Market Research Future zufolge hatte der globale Native-Ads-Markt im Jahr 2023 ein Volumen von 88 Milliarden Dollar. Bis 2032 soll es auf mehr als 250 Milliarden Dollar anwachsen.

Expert*innen halten das für eine bedrohliche Entwicklung. „Mit dem Journalismus macht das nichts Gutes“, sagt die Medienforscherin Daniela Schlütz. Der Medienforscher Guido Keel fügt hinzu: „Es ist eine Aufweichung der Grenze zwischen Anzeigenabteilung und Redaktion. Und dann leidet die Unabhängigkeit des Journalismus in der Wahrnehmung des Publikums, das sich zunehmend nicht mehr sicher ist: Ist diese Geschichte jetzt auf einem Newsportal, weil die Journalistin, der Journalist sie für relevant hält oder ist sie da drin, weil jemand dafür bezahlt hat? Da schadet sich der Journalismus selbst.“

Eine Vernebelungstaktik

Lutz Frühbrodt ist Professor an der Technischen Hochschule Würzburg und forscht auch zur Entgrenzung zwischen Journalismus und Werbung/PR. Er sagt: „Der User denkt möglicherweise, das sei keine richtige Anzeige, sondern da stünde nur jemand dahinter, der das bezuschusst oder das sei sogar ein rein redaktioneller Text. Das ist eine Vernebelungstaktik.“

Der Schweizer Presserat schrieb schon 2019: „Dieses Eindringen von kommerziellen Inhalten, die so gestaltet sind, dass sie nicht eindeutig als solche erkannt werden sollen, in den redaktionellen Teil zeugt von einem Mangel an Respekt vor der Leserschaft. Es untergräbt die Glaubwürdigkeit des Journalismus, eine Glaubwürdigkeit, ohne die er seinen Sinn verliert.“

Die Menschen, die Artikel auf netzpolitik.org kaufen wollen, möchten damit zumeist Glücksspiel wie Online-Casinos oder Sportwetten bewerben. Häufig kommen auch Anfragen zum Thema Kryptowährungen oder es melden sich Agenturen, die Marketing für OnlyFans-Models machen. Auch VPNs sollen bei uns beworben werden.

20 Euro um den Journalismus zu korrumpieren

Meist schreiben uns Menschen, die Artikel kaufen wollen, von Gmail-Adressen aus an. Viele haken mehrfach nach oder melden sich mit einer anderen Mail-Adresse erneut. Sie stellen sich hauptsächlich als Agent*innen oder Agenturen vor, die versuchen, ihre Klient*innen in die Medien zu bekommen.

Seltener schreiben uns auch Mitarbeitende einzelner Marken an, etwa von einer Kryptobörse. Sie kommen meist ohne Umschweife zur zentralen Frage, nämlich was es koste, einen Artikel bei uns zu veröffentlichen? Ganz selten bietet uns auch jemand an, dass wir einen Gastbeitrag auf einer Website veröffentlichen könnten – gegen Bezahlung natürlich.

Wir haben 13 der Menschen, die bei uns Native Ads platzieren möchten, gefragt, welcher Preis ihnen denn vorschwebt. Einer bot 100 Euro pro Artikel, ein anderer 150 bis 250 Euro. Einer schlug 475 Euro vor, und nachdem wir nicht anbissen, erhöhte er sein Angebot auf 850 Euro. Eine Person wollte nur Links in unsere Artikel einfügen, um das Suchmaschinenranking der Zielseite zu verbessern. Pro Link wollte sie 50 Dollar bezahlen. Ein anderer Mensch bot 20 Dollar pro gekauftem Artikel und schrieb, dass wir mehr Käufer anziehen würden, je niedriger unser Preis sei. Es gäbe große Webseiten, die gekaufte Artikel schon für 5 Dollar anbieten würden.

Eine Bild-Story für 79.000 Euro

Mit Native Advertising lässt sich aber auch deutlich mehr verdienen. Eine Product-Story auf bild.de kostet etwa 79.000 Euro bei 30.000 Seitenaufrufen. Auf welt.de sind es 70.000 Euro für 23.000 Views.

Nach einem von Statista veröffentlichten IVW-Ranking ausgewählter Nachrichtenportale in Deutschland war bild.de im Dezember 2024 die meistbesuchte Seite, Eigentümer ist die Axel-Springer-Verlagsgruppe. Auf der Website gibt es die Rubriken „Produkttests“ und „Kaufberatung“, darunter steht jeweils klein „Anzeige“. Klickt man dort etwa auf „Sportwetten mit PayPal“, erscheint ein Text im Stil eines redaktionellen Bild-Artikels. Oben rechts steht in kleiner Schrift: „Ein Service von SportSight“. Darunter folgt eine Liste von 16 Sportwetten-Anbietern, die Zahlungen mit PayPal ermöglichen.

Andere Medienhäuser bieten ebenfalls solche Formate an. Bei einer Recherche von netzpolitik.org auf den zehn größten Nachrichtenportalen aus dem IVW-Ranking (siehe unten) fanden sich am 20. und 21. Februar zahlreiche Beispiele für Native Ads oder artverwandte Praktiken. Offenbar kommt keines der Medien ohne aus. Unsere Recherche hat ergeben, dass auch zahlreiche weitere deutschsprachige Medien Geld damit verdienen, dass sie Anzeigen an die redaktionelle Arbeit annähern. Zum Teil verkaufen sie Texte an so fragwürdige Werbepartner wie die Spionage-App mSpy. Unter anderem die Leipziger Zeitung, der Stern und der Tagesspiegel werben für diese.

„Klar als Anzeige gekennzeichnet“

Ein Unternehmenssprecher der Bild-Gruppe schreibt auf Anfrage von netzpolitik.org, dass für bild.de und die Publikation welt.de, die ebenfalls zu Springer gehört, Native Ads von speziellen, redaktionsunabhängigen Redakteur*innen erstellt würden. Außerdem seien die Angebote „als Anzeige klar gekennzeichnet.“

Allerdings fehlt ein solcher Hinweis auch mitunter. Klickt man etwa auf „JOYclub Test“, erscheint zunächst ein Banner mit der Aufschrift: „Einwilligung zu Cookies & Datenverarbeitung (ein Service von We Love X)“. Der Artikel dahinter: „Erotik, Sex-Partys, Swinger & mehr“, enthält keinen Vermerk auf die Werblichkeit des Angebots.

Ein Klick auf „ETF Broker Vergleich“ führt zu einem redaktionellen Text zu den Vor- und Nachteilen verschiedener Broker. Oben rechts steht kleingedruckt: „Ein Service von Sinngold“.

Bei der Recherche fanden sich auf anderen Portalen ähnlich lautende Hinweise wie „Eine Kooperation mit …“, „Advertorial“, „Verlagsangebot“, „Ein Beitrag von …“, „Sponsored“. Der Medienforscher Guido Keel kritisiert das Vorgehen der Medienhäuser: „Wenn man ein Mindestmaß an Transparenz anstrebt, muss man diese Bezeichnungen vereinheitlichen und verständlich machen, damit klar wird, dass es sich um Werbung handelt.“

Herberts Probleme mit dem Nagelpilz

Anders als die bisher genannten Beispiele führen Informationsangebote, die auf bild.de klein mit dem Wort „Anzeige“ markiert sind, zum Teil auch auf externe Websites. Dort berichtet dann zum Beispiel der 71-jährige Herbert von seinen Problemen mit Nagelpilz – und wie er ihn erfolgreich mit einem bestimmten Produkt bekämpft hat. Oder es werden die Erfolge eines „Schlank-Drinks“ bejubelt. Über den Textbeiträgen steht jeweils der Hinweis „Advertorial“.

Laut einer öffentlichen Rüge des Presserats von 2024 ist diese Bezeichnung jedoch nicht ausreichend zur Kennzeichnung eines bezahlten Angebots. Auch „Verlagsangebot in Kooperation mit …“ ist einer anderen Presserat-Rüge von 2024 zufolge nicht ausreichend. „Bezahlte Veröffentlichungen müssen so gestaltet sein, dass sie als Werbung für den Leser erkennbar sind“, heißt es in Richtlinie 7.1 des deutschen Pressekodex.

Arno Weyand vom Presserat sagt: „Im Internet reicht manchmal auch eine Kennzeichnung als Anzeige nicht aus, wenn sie zum Beispiel sehr klein ist, nicht eindeutig der Veröffentlichung zugeordnet werden kann oder auch einfach untergeht. Es steht ja auf Webseiten jede Menge oben im Kopf.“

Warum wollen die Werbetreibenden überhaupt Anzeigen schalten, die wie journalistische Texte aussehen? Arno Weyand vom Presserat sagt: „Es gibt den Wunsch, möglichst redaktionell daherzukommen. Je redaktioneller, desto glaubwürdiger und desto häufiger wird die Anzeige wahrscheinlich gelesen. Die wollen an der Seriosität partizipieren mit einer möglichst geringen Kennzeichnung der Werbung.“

Der Medienforscher Guido Keel fügt hinzu: „Der Vorteil von Native Ads ist, dass sie nicht weggeklickt werden, dass sie nicht von Adblockern blockiert werden, im besten Fall nicht als Werbung erkannt werden und so Botschaften verbreitet werden können, die sonst von Menschen, die ein Medienportal nutzen, routiniert weggeklickt oder nicht beachtet werden.“ Normalerweise würde Werbung unbewusst übersprungen. Texte hingegen würden eher angesehen.

Werbung für Atommüll-Lager

Selbst die als besonders seriös geltende Zeit nutzt das Instrument des Native Advertising. Auf zeit.de findet sich beispielsweise ein Link zu „Kulturexpeditionen mit ZEIT REISEN“, der als „Anzeige“ markiert ist. Der redaktionelle Artikel dahinter ist allerdings nicht mehr entsprechend gekennzeichnet.

Das Medienhaus betreibt sogar eine eigene Agentur für gekaufte Inhalte: Studio ZX „unter dem Dach der ZEIT Verlagsgruppe.“ Deren Produkte werden allerdings vor allem in gesponserten Sonderpublikationen ausgespielt, etwa in einem Magazin über Endlagerung von Atommüll.

Auf Anfrage von netzpolitik.org verweist der Verlag auf weitere Beispiele für Native Ads. Diese würden stets als Anzeige gekennzeichnet und farblich hinterlegt. „Der Startpreis liegt im unteren fünfstelligen Bereich“, heißt es. Die Texte würden allerdings nur gefunden, „wenn sie über begleitende Anzeigen angeteasert werden.“ Hierfür können Werbetreibende beispielsweise Bild-Text-Teaser auf der Homepage buchen. „Da wir alles deutlich als ‚Anzeige‘ kennzeichnen, sehen wir die Glaubwürdigkeit unserer Marke gewahrt“, schreibt die Unternehmenssprecherin.

Lesende erkennen die Anzeigen nicht als solche

Die Leser*innen nehmen es jedoch kaum wahr, ob ein Text auf einem Nachrichtenportal redaktioneller Natur oder doch eine Anzeige ist. Das haben gleich zwei Studien ergeben.

Guido Keel hat 2021 in der Schweiz erforscht, inwiefern ein Medienpublikum Native Advertising erkennt. „Im Schnitt hat ein Drittel die Native Ads nicht als solche erkannt. Bei gewissen Medien waren es über 50 Prozent“, sagt Keel.

In einer Zusatzstudie haben Keel und seine Kolleg*innen Eye-Tracking genutzt, um zu erfassen, wo Menschen hinschauen, wenn sie einen Online-Text lesen. „Sie lasen den Hinweis: Dieser Beitrag ist gesponsort von XY, aber in der Nachbefragung erinnerten sie sich nicht daran“, sagt Keel. Auch seien die Glaubwürdigkeit und der Informationsgehalt des Beitrages nicht signifikant davon abhängig gewesen, ob die Lesenden einen gesponserten oder einen journalistischen Beitrag vor sich sahen.

Daniela Schlütz hat 2016 eine Forschungsarbeit zum Native Advertising veröffentlicht. Sie und ihre Mitforschenden wollten ebenfalls wissen, inwiefern Rezipient*innen unterscheiden können, ob sie Werbung oder redaktionelle Inhalte sehen. „Die große Erkenntnis war: Die meisten sehen das nicht“, sagt Schlütz. „Sie nehmen nicht wahr, ob da Anzeige drübersteht oder nicht. Die haben fast alles für einen redaktionellen Beitrag gehalten.“

Banner mit Text: Unser BlackRock seid Ihr! Journalismus mit Haltung. Garantiert nicht neutral. Nur möglich dank deiner Unterstützung. Spende jetzt.

Anzeige? Artikel? Egal!

In der Regel wird bei dem Betrachten von Anzeigen das „Persuasionswissen“ aktiviert. Die Rezipient*innen bemerken, dass sie von etwas überzeugt werden sollen. „Dann kommt so eine Haltung: Jetzt passe ich mal besonders gut auf, dass mich niemand über den Tisch zieht“, sagt Schlütz. Doch wenn die Native Ads nicht als Anzeigen erkannt werden, läuft dieser Prozess nicht ab.

Das sei ähnlich wie bei Instagram-Influencern. „Zu denen bauen die Menschen so eine Art Freundschaft auf und wenn die dann sagen: Kauf dieses Produkt, dann wirkt das, weil diese Schutzfunktion nicht greift.“ Schlütz hat in ihrer Forschung festgestellt, dass es vielen jungen Menschen inzwischen gleichgültig ist, ob sie Werbung oder redaktionelle Inhalte konsumieren. „Die jungen Leute können und wollen das oft gar nicht mehr richtig unterscheiden“, konstatiert auch der Medienforscher Lutz Frühbrodt.

Guido Keel schränkt allerdings ein, dass es auch ein kritisches Publikum gebe, das den Unterschied wahrnimmt. „Ich würde mir als Werber gut überlegen, ob der Schuss nicht nach hinten losgehen kann. „Es gibt auch Untersuchungen, die zeigen, dass das durchaus reputationsschädlich wirken kann, wenn man mit diesem Mittel arbeitet“, sagt Keel.

Auch der ARD-Forschungsdienst stellte im Jahr 2019 fest: „Laut dem Persuasion-Knowledge-Model wird Native Advertising schlechter bewertet und damit weniger wirkungsvoll, wenn es von den Konsumenten als Werbung erkannt wird, ohne dass vorher dessen werblicher Charakter deutlich war.“

Die Rechtslage

Von den Menschen, die bezahlte Artikel auf netzpolitik.org platzieren wollen, macht etwa jeder Zehnte die Vorgabe, dass der Post nicht als Anzeige markiert sein darf. Oder er fragt, ob eine solche Markierung bei uns nötig sei. Laut dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb muss der kommerzielle Zweck einer geschäftlichen Handlung jedoch klar kenntlich gemacht werden. Gleiches fordert, wie erwähnt, der Pressekodex.

Wenn Online-Medien gegen journalistische Standards verstoßen, können sie nach dem Rundfunkstaatsvertrag von den Landesmedienanstalten mit Beanstandung, Untersagung, Sperrung sowie Anordnung von Rücknahme oder Widerruf sanktioniert werden. Sie können sich davon jedoch freikaufen, indem sie sich kostenpflichtig dem deutschen Presserat unterstellen. Bis auf t-online haben alle zehn meistgeklickten Nachrichtenplattformen des IVW-Rankings diesen Weg gewählt.

Der Presserat kann keine Inhalte sperren oder zurücknehmen lassen. Seine schärfste Waffe ist die öffentliche Rüge. 86 Mal wurde diese 2024 eingesetzt, so oft wie noch nie. Wegen mangelnder Trennung von redaktionellem Text und Anzeigen wurden 2024 allerdings gerade einmal drei öffentliche Rügen verhängt.

Übrigens: Auf netzpolitik.org gibt es keine Werbung und erst recht kein Native Advertising. Wir leben von den Spenden unserer Leser*innen, was uns vor derart fragwürdigen Geschäftspraktiken schützt.

 


 

Wo gibt es auf den zehn meistbesuchten deutschen Nachrichtenplattformen aus dem IVW-Ranking (neben bild.de) noch Native Advertising oder ähnliche Werbeformen? Hier die Ergebnisse unserer Recherche:

Platz 2: t-online.de

Auf Platz zwei der IVW-Statistik vom Dezember 2024 lag die Nachrichten-Website t-online, die von der Ströer Digital Publishing GmbH (SDP) betrieben wird. Auf der Startseite von t-online.de sind redaktionelle Texte verlinkt wie „Amazon reduziert Testsieger-Steuersoftware um fast 50 Prozent“. Der Beitrag ist nicht als werblich markiert. Allerdings steht über den im Text verstreuten Links zu Amazon der Vermerk „Anzeige“.

Ähnlich funktioniert es im Beitrag „Erleben Sie pure Entspannung und Luxus im „Hotel Panorama Royal“ in Tirol“. Auch hier ist der Text nicht als werblich markiert, über den Buchungslinks im Text steht aber ebenfalls „Anzeige“. Die Ströer Unternehmenskommunikation schreibt auf unsere Anfrage: „Neben zahlreichen anderen Werbeformaten gehören auch native Anzeigen zum Angebot von t-online. Diese sind standardmäßig gekennzeichnet und werden unabhängig von der Redaktion erstellt.“

Platz 3: Ippen-Media

Auf Platz drei der IVW-Liste steht Ippen.Media. Das ist keine Nachrichtenplattform sondern Deutschlands fünftgrößte Zeitungsgruppe. Eine exemplarische Untersuchung von merkur.de – der auf der Ippen-Seite erstgenannten Publikation – ergibt, dass auch hier werbliche Inhalte in redaktioneller Aufmachung veröffentlicht werden.

Im Artikel „LIDL Abverkauf – bis zu 66 % auf Werkzeug- & Garten“ steht im zweiten Absatz: „Hinweis an unsere Leser: Wir erstellen Produktvergleiche und Deals für Sie. Um dies zu ermöglichen, erhalten wir von Partnern eine Provision.“ Den gleichen Vermerk findet man im Text: „Das neue iPhone 16e ist da“.

Die Verantwortlichen von Ippen.Media haben, ebenso wie die Vertreter*innen der folgenden Plätze vier bis neun, nicht auf die Fragen von netzpolitik.org geantwortet.

Platz 4: kicker.de

In der IVW-Liste folgt kicker.de, im Besitz einer Tochter des Verlag Nürnberger Presse Druckhaus Nürnberg. Dort findet sich beispielsweise der Artikel: „Das sind die Preise beim kicker-Managerspiel Interactive“. Darüber steht: „Monatliche Preise vom Partner Indeed“, ansonsten ist der redaktionell anmutende Text nicht als werblich gekennzeichnet.

Zudem finden sich zahlreiche Beiträge zu einer achtteiligen Buchreihe namens „Zauberkicker“, einer zu jedem der Bücher, ein Überblick, dazu ein Text zu jedem Charakter der Reihe, jeweils mit Buch-Bestellmöglichkeit. Laut Buchcover ist die Reihe eine Kooperation zwischen Kosmos-Verlag und kicker Kids. Diese Verbindung wird in den redaktionellen Texten allerdings nicht kenntlich gemacht.

Platz 5: focus.de

Auf Platz fünf folgt Focus Online von Hubert Burda Media. Unter der Rubrik „Kaufberatung“ finden sich redaktionell gestaltete Texte wie „BMW fahren aktuell so günstig wie lange nicht“ Darüber steht: „Dieser Beitrag erschien durch Kooperation mit EFAHRER.com“. Der Text behandelt das Leasing von BMW-Fahrzeugen. Nach dem ersten Absatz folgt die Information: „Die mit einem (Einkaufswagen) Symbol oder Unterstreichung gekennzeichneten Links sind Affiliate-Links. Kommt darüber ein Einkauf zustande, erhalten wir eine Provision“.

Das nicht als werblich markierte Angebot „Günstiger tanken & Vorteile nutzen“ führt zu einem redaktionellen Text auf einer externen Seite. Oben links steht in kleiner Schrift „tradingtwins“, der Name eines kommerziellen Vergleichsportals. Unter der Focus-Rubrik „Finanzvergleiche“ finden sich Links zu Artikeln wie „Online-Broker-Vergleich 2025“. Hier findet sich der Vermerk: „Wir erhalten eine Provision, wenn ein Geschäftsabschluss zustande kommt.“

Platz 6: spiegel.de

Auf der IVW-Liste folgt Der Spiegel des Spiegel-Verlags in Hamburg. Ganz unten auf der Startseite von spiegel.de findet sich der Artikel „Must-Haves für lange Nächte vor der Konsole“ mit Links zu Angeboten von MediaMarkt. Darüber stehen die Hinweise „Verlagsangebot“ und „Ein Beitrag von Checkout Charlie“. Die Firma verhandelt mit Onlineshops über Gutscheine. Eine gleichlautende Markierung findet sich über dem Artikel „Wie smarte Sicherheitstechnik Ihr Zuhause schützt“. Der Text enthält Links zu Angeboten von tink.

Auf einer Unterseite von spiegel.de veröffentlicht ein Autor mit dem Pseudonym „Hans im Glück“ zahlreiche Artikel rund um das Gewinnspiel „GlücksSpirale“ wie zum Beispiel „die spektakulärsten Glücksorte der Welt“ oder „Die magische Welt der Glücksbringer“. Darunter steht jeweils ein Link zum Loskauf, darüber finden sich die Hinweise „Anzeige“ und „Ein Beitrag von GlücksSpirale“.

Platz 7: welt.de

Platz sieben der populärsten Nachrichtenplattformen belegte im Dezember 2024 Die Welt aus der Axel-Springer-Verlagsgruppe. Auf welt.de gibt es praktischerweise einen digitalen Assistenten, den man fragen kann, ob das Portal Native Ads publiziert. Die Antwort: „Ja, auf WELT.de gibt es Native Advertising. Dies ist eine Form der Werbung, die sich nahtlos in den redaktionellen Inhalt einfügt und oft als gesponserte Artikel oder Inhalte präsentiert wird.“

Unter einzelnen Artikeln findet sich eine Rubrik namens „Neues aus unserem Netzwerk“. Über den dort platzierten Angeboten steht der Hinweis „Sponsored“. Dahinter verbergen sich beispielsweise Bild-Artikel wie „Kanye West wollte Sex mit seiner Schwiegermutter“. Und auf der Startseite findet sich ein Verweis auf „Brand Story: Rewe-Bonus-Nutzer – ‚Schon viel mehr als wir je erwartet hätten'“. Der Link führt zu einem Interview mit dem Rewe-Vorstandsvorsitzenden. Über dem Titel des Gespräch steht „Anzeige“.

Platz 8: rnd.de

Platz acht belegt das RND, das Redaktionsnetzwerk Deutschland der Verlagsgesellschaft Madsack. Auf dessen Seite finden sich Texte mit Titeln wie „Das sportlichste Hotel der Niederlande“ oder „Romantischer Kurzurlaub in Wuppertal“. Darüber steht der Hinweis „Anzeige“, im Text folgt nach dem zweiten Absatz ein Buchungslink.

RND vermarktet auch zahlreiche Lokalzeitungen und macht in seinen Mediadaten genaue Spezifikationen wie Native Ads anzuliefern sind: „Der Advertorialtext ist strukturiert (Unterüberschriften, Absätze) und Links zu externen Seiten sind, wie beschrieben, im Text direkt zu vermerken.“

Platz 9: tvspielfilm.de

Auf der Neun steht tvspielfilm.de von Hubert Burda Media. Dort finden sich Angebote wie „“The White Lotus“ Staffel 3 – alles zu den neuen Folgen in unserem Special“. Darüber steht der Hinweis „Anzeige“ in kleiner Schrift. Der Link führt auf eine aufwendig produzierte Sonderseite.

Wie ein gewöhnlicher redaktioneller Beitrag der Seite kommt der Text „die besten VPN-Deals im Februar“ daher. Über dem Link auf der Startseite ist ebenfalls klein „Anzeige“ vermerkt. Der verlinkte Text beschreibt zehn VPN-Angebote. Unter dem Teaser ist ein Kasten eingefügt: „Die mit einem  Symbol oder Unterstreichung gekennzeichneten Links sind Affiliate-Links. Kommt darüber ein Einkauf zustande, erhalten wir eine Provision“.

Platz 10: chip.de

Platz zehn der Liste belegt Chip Online, ebenfalls aus dem Burda-Konzern. Auf chip.de findet sich unter anderem der Text „Foto-App für kurze Zeit gratis“. Er ist nicht als Werbung gekennzeichnet und sieht aus wie die redaktionellen Angebote der Seite. Allerdings gibt es nach dem Teaser einen Hinweis auf Affiliate-Links. Gleiches gilt auch für Texte über einen Olivenöl-Test, eine Grafikkarte („Erschien durch Kooperation mit PCMasters“), einen Mini-PC oder einen Pizzaofen.

Über dem redaktionellen Text: „Testsieger-VPN zum Tiefpreis“ steht hingegen der Vermerk „Anzeige“. Der Beitrag bewirbt ein Angebot des Anbieters NordVPN. Ganz unten auf der Startseite gibt es noch eine Rubrik mit der Bezeichnung „Werbepartner Inhalte“. Dort findet sich beispielsweise ein Artikel von focus.de, der einen Marketing-Experten lobpreist.

Eine Sprecherin des Verlags hinter chip.de schreibt auf unsere Anfrage, dass die redaktionell gestalteten Anzeigen mit „Anzeige“ oder „gesponsert von“ gekennzeichnet seien. „Diese werblichen Inhalte werden von einem eigenen, unabhängig von der CHIP.de Redaktion arbeitenden Content-Commerce-Team in Abstimmung mit den jeweiligen Werbekunden erstellt“, so die Sprecherin. Ausgeschlossen vom Native Advertising seien unter anderem Cannabis-Anbauvereinigungen und Glücksspielanbieter ohne deutsche Lizenz.

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

1 Ergänzungen

Wir freuen uns auf Deine Anmerkungen, Fragen, Korrekturen und inhaltlichen Ergänzungen zum Artikel. Bitte keine reinen Meinungsbeiträge! Unsere Regeln zur Veröffentlichung von Ergänzungen findest Du unter netzpolitik.org/kommentare. Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.