MassenüberwachungAnwaltverein warnt vor verschärften Chatkontrolle-Plänen

Der Deutsche Anwaltverein warnt vor verschärften Überwachungsplänen bei der Chatkontrolle. Der neue dänische Vorschlag sei „rechtsstaatlich hochproblematisch“ – es droht eine flächendeckende Überwachung privater Kommunikation.

Kamera filmt auf einen Brief, der gerade geschrieben wird.
Wie ein Postamt, in dem jeder Brief geöffnet und kontrolliert würde. (Symbolbild) – Public Domain generiert von netzpolitik.org mit Midjourney

Nachdem die polnische Ratspräsidentschaft mit ihrem abgeschwächten Kompromissvorschlag zur Chatkontrolle gescheitert ist, hat nun der Nachfolger Dänemark einen neuen, verschärften Vorschlag vorgelegt, den wir an dieser Stelle als Dokument veröffentlichen. Polen ist Gegner der Chatkontrolle, Dänemark jedoch Befürworter.

Der Deutsche Anwaltverein (DAV) warnt in einer Pressemitteilung „entschieden vor den enthaltenen Maßnahmen und appelliert an die Bundesregierung, die Verordnung abzulehnen“. Er nennt den Vorschlag „rechtsstaatlich hochproblematisch“.

Die EU-Kommission will Internet-Dienste verpflichten, auf Anordnung die Inhalte ihrer Nutzer:innen auf mutmaßliche Straftaten aus dem Bereich sexuellen Kindesmissbrauchs zu durchsuchen und diese bei Verdacht an Behörden zu schicken. Das EU-Parlament bezeichnet das als Massenüberwachung und fordert, stattdessen nur unverschlüsselte Inhalte von Verdächtigen zu scannen. Der Rat ist gespalten: Einige Staaten fordern die verpflichtende Chatkontrolle, andere sind dagegen. Deutschland gehört bisher zu den Gegnern; eine Sperrminorität im Rat verhinderte die Zustimmung zur Verordnung.

„Flächendeckende Überwachung privater Kommunikation“

Der Deutsche Anwaltverein gehört seit Beginn der Pläne zu den Kritikern. Der Verband sagt, dass trotz der Bedeutung des verfolgten Ziels eine derartige anlasslose Massenüberwachung keinesfalls gerechtfertigt sei. „Auch berechtigte strafrechtliche Anliegen können wir nicht mit Maßnahmen verfolgen, die gegen die Grundprinzipien des Rechtsstaats verstoßen“, so Rechtsanwalt Stefan von Raumer, Präsident des Deutschen Anwaltvereins. Dazu gehöre die massenhafte Durchleuchtung der Kommunikation von Nutzer:innen.

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Am neuen Text der dänischen Ratspräsidentschaft übt der Verband an vielen Stellen Kritik. Er enthalte mehrere massiv grundrechtsverletzende Maßnahmen. „Die Einführung dieses Instruments würde die systematische und flächendeckende Überwachung privater Kommunikation bedeuten“, so der DAV-Präsident. Der Verband vergleicht die Maßnahme mit einem Postamt, in dem jeder Brief geöffnet und kontrolliert würde. „Mit den Grundrechten auf Datenschutz, Achtung des Privatlebens und Vertraulichkeit der Kommunikation ist das unvereinbar.“

Angriff auf Verschlüsselung

Den neuen Vorschlag hält der DAV für einen Rückschritt; man sei nun annähernd wieder beim ursprünglichen und vielkritisierten Vorschlag der EU-Kommission angekommen. Der juristische Verband, der fast 60.000 Anwält:innen vertritt, hält die Pläne für einen „Angriff auf verschlüsselte Kommunikation“, er bedeute faktisch eine Umgehung wirksamer Verschlüsselungstechnologien. Die Aushebelung der Verschlüsselung würde zwangsweise Lücken in der IT-Sicherheit nach sich ziehen und damit etwa auch das Berufsgeheimnis von Rechtsanwält:innen in unvertretbarer Weise gefährden, so der Verband weiter.

Er kritisiert zudem eine Öffnungsklausel, die es erlauben könne, nicht nur Bildmaterial und Links, sondern auch Text- und Sprachnachrichten zu überwachen. Gerichtet an das Innenministerium von Alexander Dobrindt (CSU) appelliert der DAV, sich im Rat der Europäischen Union klar gegen den neuen Vorschlag auszusprechen und der Verordnung eine endgültige Absage zu erteilen

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4 Ergänzungen

  1. Bislang ist die Ende-zu-Ende Verschlüsselung nicht verboten. Solange die privaten Schlüssel ausschließlich beim Nutzer liegen und nicht beim Dienstanbieter, kann niemand außer dem Nutzer und seinem Kommunikationspartner die Nachricht entschlüsseln. Die verbreiteten Dienste aber geben den privaten Schlüssel nicht in die Hände der Nutzer und sind daher per se unsicher. Insofern ist eMail mit S/MIME und PQC noch relativ sicher, auch wenn bestimmte Metadaten, wie Sender, Empfänger, Zeit, offenbart werden. Den Betreff kann man „unverdächtig wählen“. Immer vorausgetzt man erstellt den privaten Schlüssel lokal und übermittelt nur den CSR zur PKI.

  2. Von Massenüberwachung zu Massensteuerung mittels durch künstliche Intelligenz errechneten Vorhersagetechniken
    https://www.dw.com/de/ki-modell-soll-menschliches-verhalten-vorhersagen/a-73117134

    Risiken dieser Entwicklung sind gewaltig:

    Psychologische Steuerung: Durch „Nudging“ und Verhaltensökonomie können Menschen in Echtzeit manipuliert werden, ohne dass sie es merken.

    Digitale Gehorsamkeit: Zugang zu Bildung, Arbeit, Reisen oder sozialen Diensten kann an Konformität geknüpft werden.

    Zensur und Meinungslenkung: Wer widerspricht, wird algorithmisch markiert – Soziale Plattformen haben bereits „abweichende Inhalte“ blockiert.

    Simulation zukünftiger Szenarien: KI-Systeme können heute Protestverläufe, Compliance-Risiken und Informationsausbreitung vorhersagen – und Gegenstrategien automatisch einleiten.

  3. Die Regierungskoalition, die Universelle Menschenrechte, Grundrechte sowie prinzipielle Demokratische Freiheiten, nicht so wie in GG und Verfassung als „Höchstes Gut“ erachten, welche Panisch und Unbeirrt, Ihre Ideologie und Parteipolitischen Interessen, sowie Ihr Demokratieverständnis nicht dessen, gleicht, welches die Mehrheit der Bevölkerung, von Ihnen erwartet und Ihnen per Wahl den Auftrag per Mandat gab, ob Frau Faeser, Herr Söder, Herr Merz, Herr Dobrindt, Frau Baerbock, Herr Wadepuhl, Sie fahren in Sachen Rüstung-Sicherheitsbehörden, freiheitlichen Diskursraum, Cybersicherheit, Überwachung und Demokratieverständnis, auch Ihre Linie weiter, auch gegen die Forderungen der Mehrheit der Bevölkerung, zur Not wird der Volkswillen diskreditiert und ignoriert, einfach durch die Regierung durchgesetzt und je mehr Panik vor Verlust an Macht und Einfluss die Volksparteien bekommen, weil Ihr Politikstil, die Bevölkerung, immer weniger Vertrauen in die Regierungsarbeit und Ihre Verstrickungen, die Tendenz zu Autoritären Regieren und Demokratische freiheiten und Grundrechte nicht als
    „Höchstes Gut“ ansehen, als Wirtschaftliche Interessen, Einflussreiche Lobbygruppen, Turbo-Kapitalismus und Großmacht Phantasien, von Politik-Eliten, Parteipolitische Agenda, mehr als die Universellen Menschen- und Grundrechte, als gemeinsame Werte, der Bevölkerung in der Freiheitlichen Demokratischen Gesellschaft, desto Repressiver Panisch-Reaktionär wird der Regierungsstil und Interesse an Überwachung und Kontrolle! Demokratische Freiheiten, werden dabei herab gewertet und gegen Kritiker, mit Diskreditieren und Illegitimieren, Diskursraum entzogen ggf. Repressive Kampagnen zum Eindämmen der Anderen Meinung und eben ein Abweichendem Demokratieverständnis in nicht unerheblichen Teilen der Bevölkerung.

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