PrivatsphäreFirefox sammelt jetzt standardmäßig Daten für die Werbeindustrie

Der eigentlich für guten Datenschutz bekannte Browser Firefox sammelt seit neuestem Daten über das Verhalten der Nutzer:innen. Das sei indirekt gut für deren Privatsphäre, sagen die Firefox-Macher. Gegner sehen hingegen darin eine weitere Schwächung der Privatsphäre. Die Funktion lässt sich abschalten.

Fuchs schaut in die Kamera.
Firefox…. – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / YAY Images

Der Browser Firefox versteht sich selbst als Software, die privatsphärefreundlich ist und Nutzer:innen viele Möglichkeiten gibt, selbst zu bestimmen, was mit ihren Daten passiert. Mit der neuen Firefox-Version 128 hat Mozilla allerdings ungefragt eine neue Technologie für angeblich „datenschutzfreundliche digitale Werbung“ in den Browser eingebaut. Pikant daran: Wer diese nicht will, muss die Funktion mittels Opt-Out selbst wieder aus dem Browser entfernen.

Bei der Technologie handelt es sich um Privacy Preserving Attribution (PPA) vom Unternehmen „Anonym“. Dieses Unternehmen hat Mozilla im Juni gekauft, es wurde von ehemaligen Meta-Managern aufgebaut. Mozilla stieg mit dem Kauf und der neuen Funktion quasi in den Werbemarkt ein.

Ohne zu fragen

Firefox begründet die Einführung der Technik damit, dass es eine Alternative für die herkömmliche Tracking-Werbeindustrie schaffe und damit letztlich ermögliche, dass Werbung weniger tief in die Privatsphäre eingreifen könne. Die nun eingeführte Software misst vereinfacht gesagt auf Browser-Ebene, wie oft eine Werbung dazu führt, dass jemand auf die Seite des Werbetreibenden geht. Dieser in der Werbesprache „Conversion“ genannte Indikator ist für die Werbetreibenden wichtig, um zu sehen, wie erfolgreich eine Werbung ist.

Mozilla argumentiert, dass die standardmäßige, also ungefragte Aktivierung der Funktion dazu beitrage, durch mehr Daten den Nutzen der Messung zu erhöhen. Bas Schouten, technischer Leiter beim Mozilla Performance Team, begründet die ungefragte Aktivierung der Software damit, dass die Technologie für die Firefox-User zu komplex sei, um eine informierte Einwilligung per Opt-In durchzuführen.

In der Erklärung des Projektes heißt es, dass die Funktion zwar weniger Privatsphäre für die Nutzer:innen bedeute, eine größere Anzahl von Nutzer:innen aber den Datenschutz erhöhe, weil sich Personen in einer größeren Menge verstecken könnten. Außerdem behauptet Mozilla, Werbetreibende würden nur erfahren, was viele Menschen als Gruppe klicken, nicht aber, was eine einzelne Person anklickt. Insgesamt würden die Nutzer:innen aber profitieren, weil weniger Privatsphäre-invasive Werbung möglich sei.

Zusätzliche Angriffsfläche

IT-Blogger Jonah Aragon hält es hingegen grundsätzlich für falsch, dass Browser auf die Werbeindustrie zugeschnitten würden. Er schreibt in einem Blogbeitrag, dass Mozilla mit der Einführung behaupte, dass die Werbeindustrie ein legitimes Interesse hätte, Daten über Nutzungsverhalten zu sammeln.

Privacy Preserving Attribution sei aus seiner Sicht nur eine zusätzliche Angriffsfläche gegen den Schutz der Privatsphäre. Sie habe für die Endnutzer:innen keinerlei Wert, da ihr einziger Zweck darin bestehe, der Werbeindustrie Daten zu liefern. Aragon fordert statt Kompromissen mit Werbetreibenden, dass Mozilla mehr daran arbeiten solle, unerwünschte Datensammlungen aktiv zu verhindern.

Der Blogger kritisiert auch, dass das Argument von Mozilla, dass PPA technisch zu komplex sei, um von den Nutzer:innen verstanden zu werden, nur vorgeschoben sei. Diese seien „durchaus in der Lage, grundlegende Konzepte wie Tracking zu verstehen“, schreibt er. Sie könnten sehr wohl eine informierte Entscheidung darüber treffen, ob sie wollen, dass ihr Browser sie trackt. Der Browser-Anbieter wüsste in Wahrheit genau, dass die Nutzer:innen ein Werbetracking nicht wollten: „Mozilla weigert sich, dies anzuerkennen, weil es in ihrem besten (finanziellen) Interesse liegt, so viele Menschen wie möglich dazu zu bringen, diese Funktion zu nutzen.“

Auch der Blogger Don Marti zweifelt an, dass die PPA einen Mehrwert für die Privatsphäre brächte. Vielmehr sollten sich Browser darauf konzentrieren, dass nicht die Wünsche der Werbebranche bedient würden, sondern die Wünsche der Nutzer:innen.

So entfernst Du die neue Funktion

Screenshot

Im Firefox lässt sich die Funktion unter „Einstellungen“ bei „Datenschutz & Sicherheit“ entfernen, indem man den Haken bei „Websites erlauben, datenschutzfreundliche Werbe-Messungen durchzuführen“ herausnimmt. Auch andere Browser nutzen solche Technologien: Hier steht, wie man in Apples Safari und Googles Chrome die Privatsphäreeinstellungen verbessert.

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

0 Ergänzungen

Wir freuen uns auf Deine Anmerkungen, Fragen, Korrekturen und inhaltlichen Ergänzungen zum Artikel. Bitte keine reinen Meinungsbeiträge! Unsere Regeln zur Veröffentlichung von Ergänzungen findest Du unter netzpolitik.org/kommentare. Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.