Migrationskontrolle mit dem HandyKanada führt wie USA Biometrie-App für Asylsuchende ein

In Nordamerika nutzen Behörden Gesichtserkennung und GPS-Daten von Mobiltelefonen Asylsuchender, um deren Untertauchen zu erschweren. Für die USA ist ein Antrag an der mexikanischen Grenze mittlerweile nur noch per App möglich.

Person hält Handy mit geöffneter CBP One App in der Hand
In den USA müssen Asylsuchende inzwischen schon beim Antrag Gesichtsbilder und Geodaten über eine App an die Behörden schicken. – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / Imagn Images

Die für die Grenzüberwachung und -kontrolle zuständige kanadische Grenzschutzbehörde (CBSA) hat eine App zur Migrationskontrolle eingeführt. Gerichtet ist sie an Personen, die sich regelmäßig bei Behörden melden müssen, etwa weil sie nach einem abgelehnten Asylantrag abgeschoben werden sollen. Die App mit dem Namen „ReportIn“ soll eine Alternative zur Haft oder Fußfessel darstellen und es Betroffenen ermöglichen, ihrer Meldepflicht nachzukommen, ohne persönlich bei der CBSA erscheinen zu müssen. Die Migrant:innen müssen sich dazu regelmäßig über die App und mit einem Selfie mit der Behörde verbinden. Die Nutzung soll freiwillig sein.

Wer das Verfahren nutzen will, muss in einem CBSA-Büro vorstellig werden und wird vor der Registrierung über den Umgang mit persönlichen Daten belehrt. Die App verwendet Gesichtserkennungstechnologie und GPS-Daten des Mobiltelefons, um die Identität und den Aufenthaltsort der Nutzer:innen zu bestätigen. Laut der Behörde werden diese Informationen aber nicht ständig, sondern nur bei einer von den Betroffenen zu veranlassenden Meldung übermittelt. Wie oft diese erfolgen muss, hängt vom Einzelfall ab.

Normalisierung biometrischer Überwachung

Die App wurde über vier Jahre entwickelt und soll 3,8 Millionen kanadische Dollar gekostet haben. Ihre biometrische Treffergenauigkeit wird mit 99,9 Prozent angegeben. Die Tests sollen mit mehreren „demografischen Gruppen“ erfolgt sein. Ein Bewegungsprofil könne trotz GPS-Tracking nicht erstellt werden, sagte eine Sprecherin zur Zeitung „Toronto Star“. „ReportIn“ treffe auch keine automatisierten Entscheidungen.

Nach Angaben der CBSA stehen in aufenthaltsrechtlichen Verfahren rund 13.000 Personen unter aktiver Beobachtung und könnten demnach „ReportIn“ nutzen. Seit der Einführung am 13. November sollen sich aber nur wenige Dutzend Personen angemeldet haben. Bislang wurden über 270 Grenzbeamt*innen für die Nutzung geschult.

Gegenüber „Toronto Star“ äußert die auf Datenschutz spezialisierte Professorin Kristen Thomasen von der Universität Windsor Kritik an der angeblichen Freiwilligkeit der App: „Die Alternative ist Haft oder ein sehr nerviges Meldesystem.“ Thomasen warnt zudem vor einer weiteren Normalisierung biometrischer Überwachung durch die Regierung.

800.000 Migrant*innen mit US-App überwacht

Die in Kanada erst jetzt eingeführte Technologie wird in den USA seit 2018 von der Einwanderungs- und Zollbehörde (ICE) als Teil des Programms „Alternativen zur Inhaftierung“ genutzt. Ausreisepflichtige, die als geringes Risiko für die öffentliche Sicherheit eingestuft werden, können dazu die App „SmartLINK“ auf ihrem Telefon installieren. Sie verwendet ebenfalls GPS-Daten sowie Gesichtserkennungstechnologie, um den Aufenthaltsort zu dokumentieren. Laut ICE wurden bislang rund 800.000 Migrant:innen derart überwacht.

Die Nutzung von „SmartLINK“ gilt mit umgerechneten Entwicklungskosten von 4 US-Dollar pro Tag und Person als kostengünstige Alternative zur Inhaftierung, die rund 150 Dollar pro Person kosten soll – allerdings dauert die Überwachung häufig länger als die Inhaftierung.

Ergänzend zu „SmartLINK“ zwingt die US-Zoll- und Grenzschutzbehörde (CBP) alle Asylsuchenden an der mexikanischen Grenze zur Installation einer „CBP One App“. Nur darüber ist es möglich, einen Antrag zu stellen. Täglich werden über die App rund 1.500 Termine an einem US-Grenzübergang vergeben, davon zwei Drittel zufällig und ein Drittel für die am längsten wartenden Nutzer:innen.

Asylanträge nur noch mit „CBP One App“

Für die Registrierung müssen Betroffene persönliche Daten eingeben, darunter auch Fotos aller Familienmitglieder. Dazu verwendet auch die „CBP One App“ Gesichtserkennung und Geodaten. Diese werden über die Funkzelle ermittelt, in die sich die Telefone eingebucht haben. Die Nutzung der App soll ausschließlich im Norden Mexikos möglich sein, um zu verhindern, dass Termine bereits zu Beginn einer Reise nach Nordamerika beantragt werden. Durch VPN-Tunnel lässt sich das System aber austricksen.

Menschenrechtsorganisationen kritisieren, dass die obligatorische „CBP One App“ für jene Antragssteller:innen ein Hindernis ist, die weder Smartphone noch Internetzugang haben. Der Registrierungsprozess für die Asyl-App bricht bei schlechter Verbindung häufig ab. Wenn nicht alle Mitglieder korrekt über „CBP One App“ registriert sind, werden Familien mitunter getrennt. Diese technischen Schwierigkeiten können zu Frustration und Verzweiflung bei Migranten:innen führen. Amnesty International empfiehlt deshalb, dass „CBP One“ nur eine von mehreren Möglichkeiten sein darf, Asyl zu beantragen. Auch müssten die täglichen Terminkapazitäten erhöht werden.

1 Ergänzungen

  1. Der unbeirrte Glaube an die Unbegrenztheit der Ressourcen zeichnet die Progressiven aus.

    Die Neoliberalen und Rechten haben die Erzählung des privilegierten Zugriffs auf begrenzte Ressourcen durch Stärke, man trifft sich im Faschismus.

    Die Progressiven haben keine positive Alternativerzählung.

    Unpopular opinion: Es gibt keinen breiten Rechtsruck, es gibt eine Linksaufgabe.

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