Landtagswahl BrandenburgSo stärkt oder schwächt man autoritäre Bestrebungen

Die künftige Landesregierung in Brandenburg hat einen offensichtlichen Arbeitsauftrag: Die Demokratie so abhärten, dass sie nicht allzu einfach zum autoritären Gewaltstaat umzubauen ist. In ihren Wahlprogrammen beschreiben die Parteien, was sie an antifaschistischer Arbeit planen. Aber auch, wo sie Kontrollinstrumente ausbauen wollen.

Antifa-Schriftzug mit Herzchen, schwarz-rosa.
Antifaschismus mit Herz: Stromkasten in Brandenburg. – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / serienlicht

Geht es nach der Brandenburger AfD, gibt es im Bundesland künftig mehr Videoüberwachung und Grenzübergänge mit „vollautomatisierter Kennzeichen- und Gesichtserkennung“. Die Grenze dazwischen wird mit einem „umfassenden und modernen Grenzsicherungskonzept“ gesperrt. Wer sie illegal überquert und im Inland erwischt wird, landet bis zur Abschiebung im Knast, das Handy wird nach Kontakten und Bewegungsmustern durchsucht.

Die Polizei hat Präzisionsgewehre und gepanzerte Fahrzeuge. Und 1.500 zusätzliche Beamt*innen. Ordnungsamtsmitarbeiter*innen nehmen ebenfalls polizeiliche Aufgaben wahr. Die Polizei darf auf Verdacht angeblich illegal erworbene Vermögen einziehen und mutmaßliche Gewalttäter leichter in Untersuchungshaft nehmen. Es gibt wesentlich weniger Lockerungen um Strafvollzug.

Dafür gibt es eine Lockerung im Waffenrecht: Privatpersonen dürfen Nachtzieltechnik auf ihre Gewehre schrauben. Für die Jagd auf Waschbären – ebenfalls unautorisierte Einwanderer.

Law and Order gefährdet die Demokratie

Das ist eine Auswahl aus dem Wahlprogramm. Das, was die AfD ganz offen kundtut. In der Partei sind bekanntlich noch weit radikalere Wünsche zu hören. Am Sonntag wird in Brandenburg gewählt. Den letzten Umfragen zufolge könnte die AfD stärkste Kraft werden. Wenn sich eine Regierung ohne sie bildet, ist der offensichtliche Arbeitsauftrag, den autoritären Tendenzen politische, rechtliche und zivilgesellschaftliche Riegel vorzuschieben.

Die CDU scheint das allerdings nicht ganz einzusehen. Sie möchte Überwachungsinstrumente wie Quellen-TKÜ, Online-Durchsuchung, Vorratsdatenspeicherung und Videoüberwachung ausbauen. Außerdem sollen alle Polizist*innen Taser tragen sowie Bodycams, mit denen sie teilweise auch in Wohnräumen filmen dürfen.

„Hürden des Datenschutzes“ werden für Sicherheitsbehörden ausgehebelt, Persönlichkeitsdaten automatisch allen Behörden bereitgestellt und die Befugnisse der Polizei erweitert „um Abschiebungen unangekündigt zu vollziehen“ und Ausreisepflichtige länger in Gewahrsam zu nehmen. Potenzielle Waschbärjäger werden mit beschleunigten Genehmigungsverfahren für Jagdwaffen beschenkt.

Eine starke Zivilgesellschaft bremst autoritäre Kräfte

Die eigene Politik immer weiter nach rechts zu rücken wie es auch die Bundesregierung gerade versucht, hilft nicht gegen die Rechten. Es bereitet ihnen nur weiter den Boden. Eine wehrhafte Demokratie braucht keine autoritären Exzesse und Grundrechtseinschränkungen, sondern zum Beispiel eine starke Zivilgesellschaft.

Die AfD möchte allen antifaschistischen zivilgesellschaftlichen Bestrebungen die Landesmittel entziehen. Jede Finanzierung ist von „strikter politischer Neutralität“ abhängig zu machen. Integrationsprojekte werden einer staatlichen Erfolgsprüfung unterzogen.

Die SPD, die seit der Wiedervereinigung die Landesregierung anführt und in den letzten Umfragen auf dem zweiten Platz liegt, will hingegen den zivilgesellschaftlichen Kräften den Rücken stärken, „die ihren Einsatz für gemeinnützige Belange und ein zukunftsorientiertes Miteinander zunehmend als Beitrag zur Stärkung der Demokratie verstehen“.

Die Partei setzt dabei auf die Koordinierungsstelle Tolerantes Brandenburg, die lokale Akteure bei der Entwicklung von Strategien gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Rassismus unterstützt und deren Vernetzung fördert. Die Koordinierungsstelle existiert seit 25 Jahren und „ist unser Flaggschiff im Kampf für Freiheit, Toleranz und Weltoffenheit.“ Die Förderung von „Projekten der Demokratiestärkung und des Kampfes gegen Rechtsextremismus“ will die SPD verstetigen und ausbauen.

Rechtsextreme Kräfte sind auf dem Vormarsch.

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Ein Demokratiefördergesetz könnte die Zivilgesellschaft schützen

Die Grünen, die letzten Umfragen zufolge ziemlich knapp an der Fünfprozenthürde liegen, wollen das Programm „Tolerantes Brandenburg“ mit mehr Geld ausstatten und so lokale Arbeit gegen Rechtsextremismus finanzieren. Ein Demokratiefördergesetz soll die Zuschüsse dauerhaft absichern.

Die meisten Ideen zum Thema Antifaschismus hat die Linke in ihrem Wahlprogramm. Auch diese Partei muss um den Einzug in den Landtag bangen. Wir berichten dennoch über die antifaschistischen Maßnahmen ihres Programms.

Auch die Linke will das „Tolerante Brandenburg“ ausbauen. Außerdem soll eine Bundesratsinitiative die Gemeinnützigkeit eines Einsatzes für „Antifaschismus, Grund- und Menschenrechte, soziale Gerechtigkeit und Frieden“ juristisch absichern. „Die Beteiligung an der politischen Willensbildung muss unschädlich für den Status der Gemeinnützigkeit sein“, so das Programm.

Gemeinnützigkeit absichern

Das wäre vermutlich ein ganz cleverer Hack für eine starke Zivilgesellschaft. Denn mit dem Entzug der Gemeinnützigkeit könnte aktuell eine ganze Reihe von Demokratieverteidiger*innen massiv in ihrer Arbeit geschwächt werden. Viele Akteur*innen der Zivilgesellschaft leben von Spenden – wie auch netzpolitik.org. Ohne anerkannte Gemeinnützigkeit sind diese Spenden nicht steuerlich absetzbar und so für viele Spender*innen deutlich unattraktiver.

Die Linke will außerdem Studien zu rechter Gewalt in Brandenburg fördern und sich intensiv für die Aufklärung rechter Gewalttaten einsetzen. „Oftmals sind rechte Gewalttaten erst durch antifaschistische Recherchearbeit bekannt geworden. Wir kämpfen dafür, dass dieser wichtige zivilgesellschaftliche Beitrag im Kampf gegen rechtsextreme Strukturen nicht kriminalisiert wird.“

Die Partei hat konkrete Maßnahmen gegen die Diskriminierung bestimmter Gruppen entwickelt. „Sintizze und Sinti sowie Romnja und Roma“ bekämen, wenn es nach der Linken geht, eine*n Beauftragte*n für den Kampf gegen Antiziganismus finanziert, die Selbstverwaltung der Minderheit würde ebenfalls gefördert. Gegen die Diskriminierung von Jüd*innen will die Partei ein Handlungskonzept auflegen, „das auf Aufklärung, Projekte der Zivilgesellschaft und vor allem viele Diskussionen setzt“. Die Fachstelle Antisemitismus würde besser finanziert. Auch Projekte wie „Bildung unterm Regenbogen“ und „Regenbogenfamilien stärken“ würden ausgebaut, CSDs mit 100.000 Euro jährlich gefördert, die Fachstelle für geschlechtliche Vielfalt würde gestärkt.

Ein Antidiskriminierungsgesetz könnte vor gesellschaftlicher Spaltung schützen

Die SPD hat ebenfalls eine ganz gute Idee, mit der sich strukturelle Diskriminierung – Grundlage jedes autoritären Systems – eventuell ein Stück weit abbauen lässt. Sie hat eine Veranstaltungsreihe gegründet, bei der Polizist*innen auf Vertreter*innen gefährdeter Gruppen treffen, „um eine hohe Sensibilität zu erreichen“, so ihr Programm.

Die Linke geht deutlich darüber hinaus: Ein Landesantidiskriminierungsgesetz soll ein Diskriminierungsverbot einführen, inklusive Verbandsklagerecht. „Darüber hinaus muss auch die Verpflichtung der Landesverwaltung zur Förderung einer Kultur der Wertschätzung von Vielfalt verankert werden.“ Die offenen Fragen aus dem NSU-Untersuchungsausschuss will die Partei mit zivilgesellschaftlichen und migrantischen Initiativen aufarbeiten.

Für Lehrkräfte und Schüler*innen soll es flächendeckend Fortbildungen und externe Berater*innen geben zu Demokratiebildung, Umgang mit Hass, Rassismus, Queerfeindlichkeit, Antifeminismus und Gewalt im Netz.

Die Linke will Kinder und Jugendliche bei sie betreffenden Belangen an der Politik beteiligen, beispielsweise im Bereich der Energiewende. „Wenn es um die Zukunft des Landes geht, sollten die, die sie noch vor sich haben, auch mitentscheiden dürfen“, heißt es im Programm. Die Arbeit der Selbstorganisation junger Menschen würde vom Land finanziert.

Die Ausbildung von Demokrat*innen

Die SPD will „Schüler und Eltern bei der Ausübung ihrer Mitwirkungsrechte unterstützen“ und die Demokratiebildung ausbauen. Letzteres ist auch eine Forderung der CDU und der Grünen. Die Grünen wollen außerdem auch die Mitbestimmungsmöglichkeiten junger Menschen erweitern. Bereits in der Kita sollten „Beteiligungsformate wie Kita-Räte, Kinderkonferenzen oder Beschwerdeverfahren verankert werden.“ Bei Gewalttaten oder rechtsextremistischen Vorfällen wollen die Grünen Schulträger*innen und Schulämter zum Handeln verpflichten. „Die Meldung von Vorfällen muss ohne Angst vor schulrechtlichen Konsequenzen möglich sein.“

Auch Erwachsene sollen, so die Mehrzahl der Brandenburger Landesparteien, einen niedrigschwelligeren Zugang zu politischen Entscheidungen erhalten. „Wir werden die Möglichkeit, Bürgerräte zur Entscheidungsfindung zu beauftragen, in der Kommunalverfassung verankern und Hemmnisse bei Bürgerbeteiligungsverfahren verringern“, so das Programm der Linken. Eine Vielzahl von lokalen Beratungsstellen soll demnach bei der Wahrnehmung von Beteiligungsrechten assistieren. Zudem sollen künftig auch Bürgerbegehren zur Aufstellung von Bebauungsplänen möglich sein. Auf Landesebene will die Linke Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheide vereinfachen.

Mehr direkte Demokratie auf kommunaler und Landes-Ebene fordert auch das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), das am Sonntag in Brandenburg durchaus auf 15 Prozent kommen könnte. Trotz seiner linken Abstammungsgeschichte erschöpfen sich dessen Ideen zur demokratischen Teilhabe in Ostdeutschenquote, Bargeldpflicht und Umbau des öffentlich-rechtlichen Rundfunks – und eben der direkten Demokratie. Auch die Grünen erheben zahlreiche Forderungen rund um dieses Thema. Wobei mehr Beteiligung und direktere Demokratie offenbar Schlagworte sind, auf die sich fast alle einigen können, denn ebenfalls die direkte Demokratie ausbauen möchte die AfD.

Antifaschistische Gedenkarbeit

Eine transparent arbeitende, wissenschaftliche Beobachtungsstelle soll, so die Linke, Angriffe auf Menschenrechte dokumentieren und über rechte, autoritäre und demokratiefeindliche Strukturen und Argumentationsmuster informieren. „Um die aktuellen Bestrebungen rechtsextremer Landnahme zu verhindern“, soll es juristische Unterstützung für Kommunen und einen Fonds für prophylaktische Grundstückskäufe geben. Dazu kommt ein ein ziviles Ausstiegsprogramm aus der rechten Szene. „Der Verfassungsschutz, bei dem das Brandenburger Ausstiegsprogramm bisher angesiedelt ist, ist nicht der richtige Ansprechpartner für Ausstiegswillige“, heißt es im Programm. Die CDU hingegen will das Aussteigerprogramm des Verfassungsschutzes sogar noch weiter stärken.

Die Linke will dezentrale Orte, die von den Verbrechen der Nationalsozialisten zeugen, „sichtbarer machen und die Erinnerung an sie wachhalten.“ Projekte, die Jugendliche bei der Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit ihrer Region begleiten, „werden wir aktiv fördern und finanziell unterstützen.“ Auch die wissenschaftliche Aufarbeitung kolonialer Verflechtungen sowie die Provenienzforschung würde die Linke intensivieren.

Die Grünen wollen „unsere antifaschistische Gedenkkultur verteidigen und verstetigen.“ Die politische Bildungsarbeit der Gedenkstätten und Opferverbände soll gestärkt werden. Die Grünen fordern ebenfalls, die Kolonialzeit weiter aufzuarbeiten.

Geht es nach der Linken, soll mehr staatliche Transparenz das Vertrauen in die Demokratie stärken. „Keine Verweigerung von Akteneinsicht“, Schwärzungen nur in Ausnahmefällen. Open Access zu Forschung, Bildung und Kultur. Entwicklung freier Software für staatliche Vorgänge. Ein Transparenzgesetz, „das nicht nur Auskunftsansprüche vorsieht, sondern alle staatlichen Stellen, Behörden und Kommunen verpflichtet, wichtige amtliche Informationen, wie Daten, Gutachten und Verträge, von sich aus zu veröffentlichen.“ Die CDU möchte ebenfalls, dass „Datenbestände öffentlicher Stellen in maschinenlesbaren und offenen Formaten zur freien Weiterverwendung durch externe Dritte verfügbar gemacht werden.“

Den Rechtsstaat absichern

Was auch bei der Einhegung autoritärer Tendenzen hilft, ist eine grundrechtstreue und unabhängige Judikative. Die Grünen wollen dazu die Rechte des demokratisch gewählten Richter*innenwahlausschusses stärken. Außerdem soll das Justizministerium Einzelfallanweisungen an die Staatsanwaltschaft schriftlich begründen. Die Partei will „auswerten, wie lange Verfahren zu Hasskriminalität (…) dauern und wie sie ausgehen.“ Die Zentralstelle zur Bekämpfung von Hasskriminalität bei der Generalstaatsanwaltschaft will sie erweitern und dazu eine*n Opferschutzbeauftragte*n einführen.

Die SPD möchte zur Demokratisierung der Behörden eine Verfassungstreueprüfung einziehen. „Gegenüber Verfassungsfeinden verfolgen wir eine Nulltoleranz-Strategie“, schreibt die SPD. Sie habe das Verfassungsschutzgesetz geändert, um die finanziellen Bewegungen von verfassungsfeindlichen Organisationen und Strukturen besser überwachen zu können. Extremistische Organisationen und Strukturen würden verstärkt beobachtet.

Fan des Verfassungsschutzes ist auch die CDU. „Der Verfassungsschutz ist einer der wichtigsten Bestandteile der wehrhaften Demokratie“, schreibt sie in ihrem Programm. Sie will ihn mit Befugnissen „zur Aufklärung neuer oder zunehmender Phänomenbereiche“ ausstatten. Die AfD will ihn gerne auflösen, die Linke möchte ihn überwinden, das BSW seine Befugnisse begrenzen und die Parlamentarische Kontrollkommission stärken. Die Grünen wollen ebenfalls mehr Kontrolle und dazu wo möglich Transparenz.

Grüne und Linke sprechen sich zudem für ein Verbotsverfahren gegen die AfD aus.

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