Going DarkEU-Staaten wollen Zugriff auf verschlüsselte Daten und mehr Überwachung

Die meisten Mitgliedstaaten der EU begrüßen die Forderungen einer Expertengruppe nach mehr Überwachung. Das Gremium war im Vorfeld als parteiisch und einseitig besetzt kritisiert worden. Dennoch gibt es kaum Widerspruch gegen die Empfehlungen des Gremiums, wie ein geheimes Protokoll zeigt, das wir veröffentlichen.

Zahlenschloss und SIM-Karten auf einer Tastatur.
Verschlüsselung ist heutzutage oft standardmäßig aktiviert. (Symbolbild) – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Towfiqu barbhuiya

Die kürzlich bekannt gewordenen Empfehlungen einer Expert:innengruppe zum Thema Going Dark wurden auch im Ständigen Ausschusses für die operative Zusammenarbeit im Bereich der Inneren Sicherheit (COSI) erörtert. Dabei sprachen sich am 29. Mai mehrere EU-Mitgliedsstaaten für einen Zugriff auf verschlüsselte Daten und Kommunikation sowie eine europaweite Vorratsdatenspeicherung aus. Wir veröffentlichen das geheime Protokoll der Sitzung im Volltext.

Die von Sicherheitsbehörden dominierte Going-Dark-Expertengruppe („High-Level Group on access to data for effective law enforcement“) hatte Ende Mai dieses Jahres in 42 Empfehlungen unter anderem Hintertüren zu verschlüsselten Daten und viele weitere Überwachungsmöglichkeiten gefordert. Wir hatten das eingestufte Dokument (PDF) in der letzten Woche im Volltext veröffentlicht, auch aus einer Informationsfreiheitsanfrage sind Forderungen der Expertengruppe ableitbar.

Thema der Gruppe war der Umgang von Ermittlungsbehörden mit Verschlüsselung. Die Behörden fürchten ein Szenario, in dem Kommunikation in großen Teilen verschlüsselt stattfindet und sie deswegen nicht mehr ermitteln könnten. Polizeien und Geheimdienste nennen dieses Phänomen „Going Dark“. Studien bezweifeln allerdings die negativen Auswirkungen, unter anderem weil den Sicherheitsbehörden durch digitale Technologien eine Fülle von Daten zur Verfügung stehen, die sie früher nicht hatten.

Viel Unterstützung für mehr Überwachung

Laut des Protokolls, welches die deutsche Ständige Vertretung in Brüssel angefertigt hat, haben EU-Mitgliedsstaaten schon einen konkreten Fahrplan zur Umsetzung der Empfehlungen gefordert. Aus dem Dokument geht auch hervor, dass die Empfehlungen von verschiedenen Stellen der Europäischen Union für gut befunden werden. So hat der CATS-Ausschuss, der die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen koordiniert, die Empfehlungen des Gremiums unterstützt und auch die EU-Kommission „begrüßte“ die Ergebnisse, sie hätten „viel Potential“, heißt es weiter.

Dringenden Handlungsbedarf in Sachen Verschlüsselung und Vorratsdatenspeicherung sehen gleich eine ganze Reihe von Ländern, unter ihnen Estland, Tschechien, Spanien, Schweden, Finnland, Italien, Niederlande und Irland. Ungarn nannte den Zugang zu Daten ein „Schlüsselelement für wirksame Strafverfolgung“ und befand das Ergebnis der Expertengruppe für „beeindruckend und zukunftsweisend“. Die Polizeibehörde Europol unterstrich laut Protokoll die Gefahr des Missbrauchs von Ende-zu-Ende-Verschlüsselung durch Kriminelle, dem schloss sich auch Griechenland an.

Nur Luxemburg warnt vor Schwächung der Verschlüsselung

Einzig Luxemburg sprach sich gegen eine Schwächung von Verschlüsselung aus. Deutschland hingegen begrüßte zwar nicht die Schwächung der Verschlüsselung, sprach sich aber für eine verbesserte Zusammenarbeit mit Industrie und Normierungsstellen aus. Letztere hatte die Expertengruppe als wichtig bezeichnet, weil man hier technische Standards setzen könne, die den Ermittlungsbehörden die Arbeit erleichtern könnten.

Deutschland unterstrich zudem, dass im Rahmen der nationalen Umsetzung des „European Electronic Communication Codes“ (EECC) „zweifelsfrei und ausnahmslos eine Verpflichtung von Over-the-top-Services (OTTs) [..] als interpersonale Kommunikationsdienste“ vorgesehen werden müsse. Damit sollen Messengern wie WhatsApp & Co Mitwirkungspflichten bei der Überwachung auferlegt werden. Deutschland sprach sich in diesem Zusammenhang dafür aus, dass „insbesondere die großen Marktteilnehmer aufgefordert werden, die für Datenausleitungen an Strafverfolgungsbehörden implementierten Standards auch anzuwenden.“

„Das richtige Narrativ setzen“

Gleichzeitig schien den Mitglieder des Ausschusses klar zu sein, dass angesichts der zahlreichen neuen Überwachungsbefugnisse und Grundrechtseingriffe aus dem Expertenkatalog politischer Gegenwind und damit schwierige Kommunikation auf die EU-Staaten zukommt. So sagte der Ausschuss-Vorsitzende laut Protokoll, dass es wichtig sei, „das richtige Narrativ zu setzen“ und Schweden riet mit Unterstützung mehrerer Länder „zu einer Kommunikationsstrategie, die unterstreiche, dass man mit den Empfehlungen Grundrechte schützen wolle“.

Wir dürfen gespannt sein, wie eine solche Kommunikationsstrategie angesichts der Pläne für jede Menge zusätzlicher Überwachung und Hintertüren in verschlüsselte Kommunikation aussehen wird.

Einseitiges Gremium

Seit vergangenem Jahr hatte die Gruppe hochrangiger Expert:innen getagt, um dem sogenannten „Going-Dark“-Problem zu begegnen. Bei der von der EU eingerichteten „High-Level Group“ fiel von Beginn an eine Schieflage auf: Besetzt ist das Gremium in erster Linie mit Vertreter*innen von Sicherheitsbehörden, es repräsentiert entsprechend deren Sicht auf das Thema.

Diese Schieflage hatten Datenschützer:innen kritisiert, sie wurden daraufhin in den Prozess eingebunden, allerdings erst spät und nur inoffiziell. Auf die Empfehlungen des Gremiums haben sie offenbar kaum Einfluss gehabt. Der scheidende EU-Piraten-Abgeordnete Patrick Breyer nannte die Empfehlungen des Gremiums die „geheime Wunschliste der EU-Regierungen“ und warnte davor, dass diese Vorschläge nach der Europawahl umgesetzt würden. Die Zustimmung im COSI-Auschuss zeigt, dass Breyers Befürchtungen durchaus Berechtigung haben.

 


Hier das Dokument in Volltext


Geheimhaltungsgrad: VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH

Von: Ständige Vertretung EU Brüssel

An: DKOR_E11, DKOR_Leitung

CC: DKOR_BMI_EXT, DKOR_BMJ_EXT, DKOR_BMWK_EXT, DKOR_BMF_EXT, DKOR_EUROBMWK_EXT

Betreff: Sitzung des Ständigen Ausschusses für die operative Zusammenarbeit im Bereich der Inneren Sicherheit (COSI) am 29.5.24 – Gemeinsame Sitzung COSI/CLASI Senior Officials am 30.5.24 CM 2730/24 Zur Unterrichtung

Bezug: Pol350.80/8

Zweck: Zur Unterrichtung

Verf.:

Geschäftszeichen:

Zusatzinformationen: AA: EU KOR BMI: St E, LStabE, E2, AL ÖS, UAL ÖS I, UAL ÖS II, UAL’n CI, ÖS I 4, ÖS II 1, ÖS II 2, CI 6 BMJ: UAL DC, DC 1, DC 2 BKAmt: 132, 133, 511

Anlagen: 1. DKOR_COSI_COSI CLASI_Im Einzelnen


I. Zusammenfassung und Wertung

Der Schwerpunkt der COSI-Sitzung am 29.5. war die Diskussion zu TOP 3 – Empfehlungen High Level Group „Zugang zu Daten“, um die Befassung des JI-Rates am 13./14. Juni 2024 vorzubereiten. Als Prioritäten wurden herbei von vielen der wortnehmenden MS der Zugriff auf verschlüsselte Daten sowie eine EU-weite Regelung zur Vorratsdatenspeicherung genannt. Fragen des Trainings, der Standardisierung und der Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft wurden als Bereiche identifiziert, für die zeitnahe Maßnahmen gestartet werden könnten bzw. für die es schon Lösungsansätze gebe. Ein fester Fahrplan, möglichst mit Zeitrahmen und Aussagen zur Finanzierung, erschien den meisten MS als notwendig. Als mögliches Koordinierungs- und Monitoringgremium wurde überwiegend der COSI genannt. Vors. kündigte an, auf Basis der heutigen Anmerkungen ein strategisches Diskussionspapier für den JI-Rat am 13./14. Juni vorzubereiten (mittlerweile veröffentlicht).

Bei der ersten Senior Officials Sitzung COSI/CLASI am 30.5. wurde der Willen nach einer stärkeren Zusammenarbeit insbesondere zur Bekämpfung des Drogenschmuggels bekräftigt. Die gemeinsamen Arbeitsmethoden und damit die Festlegung weitere Treffen wurden gebilligt. Alle Delegationen plädierten für eine Verstärkung des Informationsaustauschs sowie eine stärkere operative Zusammenarbeit. Dies solle auch durch die Synchronisierung von EMPACT und SOCTA mit den entsprechenden CLASI Instrumenten erreicht werden. Mehrfach wurde die Notwendigkeit angesprochen, präventive Maßnahmen aufzulegen, um z.B. die Rekrutierung von Jugendlichen durch kriminelle Gruppen zu bekämpfen. Zudem solle der Grundsatz „follow the money“ stärker beachtet werden.

06.06.2024

II. Im Einzelnen

  1. Anlage

gez.
06.06.2024

ANHANG

Registratur
.BRUE *ZREG 

II. Im Einzelnen

1. Adoption of the agenda

Die Tagesordnung wurde mit einem von SWE unter AOB angemeldeten Informationspunkt angenommen.

2. Information from the Presidency

Vors. informierte über den Stand verschiedener Rechtssetzungsakte. Die LEWP werde am 3. Juni über u.a. über einen modifizierten Vorschlag für eine Änderung der Europol-VO i.S. Schleuserkriminalität verhandeln. Auch zur CSA-VO liefen weiterhin intensive Verhandlungen in der LEWP. Hier habe Vors. einen neuen Ansatz gewählt und u.a. zahlreiche weitere Safeguards in den Vorschlag aufgenommen. In der RAG Unternehmensrecht wolle man beim Vorschlag zu grenzüberschreitend tätigen Vereinigungen ebenfalls Fortschritte erzielen. Vors. bitte hier insbesondere um Koordinierung auf nationaler Ebene, um Fragen der Sicherheit angemessen in die Verhandlungen einzubringen. Die nächste Sitzung der RAG sei am 20.6. geplant.

Vors. informierte zudem über das Treffen EU-Interpol am 6. Juni. U.a. werde man über sichere Kanäle für den Informationsaustausch, die EU/CLASI Zusammenarbeit und die Umsetzung der Roadmap zur Bekämpfung des Drogenhandels sprechen. Beim hochrangigen EU/USA Treffen werde es u.a. um Bekämpfung OK und Drogenkriminalität, um e-evidence, ausländische Beeinflussung von Wahlen, legale Migration und Visa Waiver gehen. Die Vorbereitung erfolge in den relevanten Arbeitsgruppen.

Für den JI-Rat plane Vors. folgende für den COSI relevante Punkte:

  • Fortschrittsbericht über die Umsetzung des Drogenaktionsplans
  • Verabschiedung der RSF zu besonders gefährlichen kriminellen Netzen incl. Video zu EMPACT Erfolgen
  • Meinungsaustausch der Minister*innen zum Thema „lawful access to data for law enforcement“
  • Sachstand CSA-VO
  • Auswirkungen der RUS Aggression gegen die UKR auf die innere Sicherheit
  • TE-Bekämpfung
  • Krisenreaktionsbereitschaft (Mittagessen)

2. Recommendations from the High-Level Group on access to data for effective law enforcement (Dok. 9984/24)

Vors. führte kurz in das Thema ein und wies darauf hin, dass die Empfehlungen der Expertengruppe bei der letzten Sitzung des CATS Unterstützung erfahren hätten. Strafverfolgungsbehörden müssten alle technologischen Möglichkeiten nutzen können, ansonsten werde deren Arbeit und damit der Schutz der Rechtsstaatlichkeit über kurz oder lang praktisch unmöglich gemacht. Die 42 Empfehlungen der Experten seien in die Blöcke Kapazitätsaufbau, Zusammenarbeit mit der Industrie und Rechtssetzung unterteilt und hätten das Ziel, politische Maßnahmen anzustoßen. Eine formelle Annahme sei nicht vorgesehen. HUN werde die Arbeiten fortführen und die KOM einen Abschlussbericht mit Fahrplan herausgeben. Die dahingehende Diskussion im JI-Rat sei auf eine Stunde angesetzt und Vors. hoffe auf politische Leitlinien als Ergebnis.

KOM begrüßte die Ergebnisse der HLG. Es habe viele konstruktive Gespräche mit den verschiedenen Interessenträgern gegeben. Auch die Unterstützung durch den CATS sei sehr erfreulich. Die Empfehlungen gingen jedoch in Teilen mit erheblichen Anforderungen einher. Zu einigen gäbe es auch schon Initiativen und Abkommen. Auch Trainingsmaßnahmen und die Europol Plattform zu Entschlüsselung seien schon vorhanden. Trotzdem hätten die Empfehlungen viel Potential, sie seien für die KOM nicht bindend, würden in die Meinungsbildung der KOM einfließen.

DEU begrüßte insbesondere die Empfehlungen zum Kapazitätsaufbau sowie zur Zusammenarbeit mit der Industrie und Normungsstellen. Wir votierten zudem dafür, dass die verbleibenden oder neu entstehenden Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Zugang zu Daten kontinuierlich und in koordinierter Weise weiter bewertet würden.

FRA machte deutlich, dass sich die Empfehlungen nur auf kommerzielle Werkzeuge beziehen dürften und nicht auf speziell zur Wahrung der nationalen Sicherheit entwickelten Instrumente. Daher sei auch eine gründliche Subsidiaritätsprüfung beim möglichen Rechtsakten unerlässlich. Diese Rechtsakten sollen dann aber auch in den JI-Gremien diskutiert werden und nicht „irgendwo sonst“. Für die Diskussion im JI-Rat müsse zunächst ein strategisches Papier der KOM vorgelegt werden.

SWE brachte die Hoffnung auf eine starke Unterstützung durch die Minister*innen zum Ausdruck. Man müsse dringend „gleiche Wettbewerbsbedingungen“ mit den Kriminellen erreichen. Derzeit werde einem das Leben selbst bei akuten Bedrohungslagen durch die restriktive Auslegung des EuGH schwer gemacht. ESP ergänzte, dass oft nicht die Regeln für den Zugriff auf Daten das Problem seien, sondern dass keine Daten gespeichert seien, auf die man zugreifen könne.

HUN nannte den Zugang zu Daten ein Schlüsselelement für wirksame Strafverfolgung. Das Ergebnis der HLG sei beeindruckend und zukunftsweisend. HUN werde daher die Arbeiten in enger und transparenter Zusammenarbeit mit der KOM fortführen.

Die durch drei Frage des Vors. geleitete Diskussion führte zu folgenden Ergebnissen:

Frage 1: What are the most pressing issues identified by the HLG that should be subject to particular political attention at the exchange of views by the JHA Council on 13 and 14 June 2024?

Dringender Handlungsbedarf wurde überwiegend hinsichtlich des Themas Verschlüsselung sowie der Vorratsdatenspeicherung gesehen (explizit EST, CZE, ESP, SWE, FIN, ITA, NLD, AUT, BGR, PRT, HRV, SVN, ROU, LVA, IRL). CTC unterstützte diese Auffassung und belegte die Notwendigkeit mit einem Praxisbeispiel. CZE unterstrich, dass man nicht länger in einem Graubereich arbeiten dürfe.

Europol unterstrich die Gefahr des Missbrauchs von end-to-end Verschlüsselung durch Kriminelle (ähnlich GRC). Der Zugang zu solchen Daten sei deutlich erschwert. Amtshilfeersuchen würden regelmäßig dadurch unterlaufen, dass nur geringe Mengen von Daten gespeichert würden.

FRA (mit Hinweis auf die Notwendigkeit eines Impact Assessments, ebenso SVK) und LTU sahen zumindest die Notwendigkeit eines festen EU-Rechtsrahmens für den Zugriff auf Daten.

LUX sprach sich gegen eine Schwächung von Verschlüsselung aus.

Mehrfach wurde betont, dass man bei einer möglichen rechtlichen Regelung zur Vorratsdatenspeicherung die aktuelle EuGH Rechtsprechung berücksichtigen, sorgfältig und mit Augenmaß agieren müsse (LVA, SVN, BGR, SWE, POL, FRA, EST). Eine Ausgewogenheit zwischen den Interessen der Strafverfolgung und dem Datenschutz sei jedoch ebenso notwendig (PRT, ESP; EST).

SWE und HRV unterstrichen, dass eine EU-weite Mindeststandards nicht dazu führen dürften, funktionierende nationale Regeln abzuschwächen.

DEU unterstrich die Notwendigkeit der Umsetzungen des „European Electronic Communication Codes“ (EECC) in nationales Recht in den EU-Mitgliedstaaten. Diese müsse zweifelsfrei und ausnahmslos eine Verpflichtung von sog. Over-the-top-Services (OTTs), wie Google, Microsoft, Apple, Meta etc. als interpersonale Kommunikationsdienste vorsehen (auch CTC). Es gelte damit einen möglichen Rückschritt zu vermeiden. Zudem sollten insbesondere die großen Marktteilnehmer aufgefordert werden, die für Datenausleitungen an Strafverfolgungsbehörden implementierten Standards auch anzuwenden.

ROU sah dringenden Handlungsbedarf beim gemeinsamen Einkauf von Software Produkten (ähnlich FRA) und einer besseren Finanzierung der Sicherheitsforschung (letzteres auch CZE).

PRT sah es als wichtig an, das Problem der Übertragung von großen Datenmengen anzugehen und sichere Übertragungswege einzurichten (letzteres auch POL).

AUT sprach auch die Notwendigkeit einheitlicher technischer Standards für Endgeräte an. Ggf. könne man die Empfehlungen nicht nur priorisieren, sondern auch in rechtliche und technische Lösungsansätze aufteilen.

Frage 2: Do you see recommendations identified by the HLG (“low-hanging fruits”) that should be followed up or initiated immediately?

Einige MS (CZE, GRC, SVN, ROU, LVA, FRA, POL, FIN), sahen die Möglichkeit, Aus- und Fortbildung zeitnah anzugehen. CEPOL erklärte hierzu, dass Fortbildung wichtig sei, bei politischen Debatten und insbesondere auch bei Finanzierungsfragen oft übersehen werde.

Neben Fortbildung wurde Standardisierung und Zusammenarbeit mit der Industrie mehrmals als „low hanging fruits“ genannt (FRA, ESP, IRL).

Für DEU erschien Empfehlung Nr. 15 als relativ zügig weiter verfolgbar, da in der Anwendung befindliche „Lawful Interception“ (LI)-Standards von ETSI bzw. von 3GPP auf ihre Implementierung durch OTTs warteten (auch FIN). Auch die Empfehlung Nr. 20, Standardisierungsinstrumente konsequenter und vor allem gemeinschaftlicher zu bearbeiten, u.a. um EU-Mitgliedstaaten, die über nicht ausreichende Ressourcen verfügen, zu unterstützen, könne in bereits bestehenden Aktivitäten problemlos aufgehen.

Frage 3: Do you have guidance for the further work on access to data for effective law enforcement with regard to the operationalisation and the implementation of the recommendations identified by the HLG?

Neben DEU sprachen sich auch SWE, GRC, FRA, ESP, SWE, NLD, AUT, BGR, PRT, SVN, SVK, LVA, IRL sowie der CTC für einen klaren Fahrplan für die Umsetzung aus. DEU plädierte zudem dafür, dass KOM ein Monitoringinstrument vorlege, damit die regelmäßige und fortgesetzte Nachverfolgung der Schlussfolgerungen auf Expertenebene gewährleistet werden könne.

CZE, FRA, ESP, NLD, PRT, LUX und LVA nannten COSI, teilweise auch CATS als richtiges Koordinierungsgremium für die weiteren Arbeiten. NLD sah die rechtlichen Fragen bei den RAGen COPEN und LEWP.

Den Ausführungen von SWE zu einer Kommunikationsstrategie, die unterstreiche, dass man mit den Empfehlungen Grundrechte schützen wolle, schlossen sich AUT, IRL, LTU sowie der CTC an.

POL plädierte für einen stetigen Dialog zwischen Polizei/Justiz und anderen Interessenträgern wie z.B. Datenschützern (ähnlich DNK).

PRT sprach sich für ebenso wie BGR; HRV, ESP, ROU und SVK für eine zeitnahe Kartierung bzw. Bestandserhebung von bestehenden Regeln und Instrumenten bzw. digitalen Diensten und deren Speicherung von Daten für kommerzielle Zwecke aus.

Nach Auffassung von FRA, POL, ESP, PRT und IRL sollten Finanzierungsfragen zeitnah geklärt werden.

DNK mahnte zur Vorsicht hinsichtlich der Empfehlungen zu Sanktionen gegenüber nichtkooperativen Unternehmen. FRA sah hierzu die Notwendigkeit von Abkommen mit Drittstaaten. FRA machte zudem Vorbehalte geltend gegen die Empfehlungen zum Abfangen von Daten im Transit, da diese nicht in das nationale Recht passten.

CTC sah es als wichtig an, die stärkere Nutzung der Agenturen anzusprechen. Gerade der Innovation Hub sei eine wichtige Stelle. „Going dark“ zeige sich oft bei TE-Fällen, da die Strafverfolgungsbehörden oft nur kurzfristig handeln könnten und die TelekomUnternehmen nur wenig Daten zur Verfügung stellten.

Europol teilte mit, dass man bei einigen der Empfehlungen bereits jetzt helfen könne und verwies u.a. auf die Arbeit des Cybercrime-Zentrums und die Entschlüsselungsplattform. Auch könne man überlegen, das SIRIUS-Projekt anzupassen und zu erweitern. Allerdings müsste immer auch das Europol Mandat und die zur Verfügung stehenden Ressourcen beachtet werden.

FRA (Grundrechteagentur) sah die Notwendigkeit, den Strafverfolgungsbehörden die notwendigen Instrumente zur Verfügung zu stellen. Allerdings müsse immer die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben. Es wäre gut zu erheben, welche Ermittlungen tatsächlich aufgrund mangelnden Zugriffes auf Daten behindert worden seien. Nur so könne das allgemeine Interesse deutlich gemacht werden. Wichtig sei auch, die derzeitige Rechtslage und einschlägige Urteile zu analysieren. FRA werde sich gerne weiter in die Arbeiten der HLG einbringen.

Eurojust kündigte einen Bericht über die Rechtslandschaft der Vorratsdatenspeicherung in der EU an. Vorratsdatenspeicherung sei nicht nur bei den Polizeibehörden ein vordringliches Thema, sondern auch bei Staatsanwält*innen.

CEPOL sagt Unterstützung bei allen Fragen des Kapazitätsaufbaus zu. Man biete bereits jetzt relevante Kurse an und arbeite an einer Zertifizierung. Zudem könnten Ressourcen für peerto-peer Maßnahmen sowie analytische Prozesse zur Bewertung von Ausbildungsmaßnahmen und -bedarfen zur Verfügung gestellt werden.

Vors. schlussfolgerte, dass COSI die Arbeiten der HLG begrüße. Für die weitere Diskussion im JI-Rat habe man die Bereiche Vorratsdatenspeicherung und Verschlüsselung als Priorität identifiziert. Vors. werde hierzu ein strategische Diskussionspapier vorlegen. In den Empfehlungen fände sich einiges, das zügig umgesetzt werden könne und keine neuen rechtlichen Grundlagen benötige. Wichtig sei es, das richtige Narrativ zu setzen. Nächste Schritte wie z.B. der Bericht der KOM und ein konkreter Fahrplan seien ja bereits vorgesehen. Nach der Ratstagung werde es Schlussfolgerungen des Vors. geben.

4. Tackling drug trafficking and organised crime – Draft Council Conclusions on mapping the most threatening criminal networks (Dok. 9985/24)

Die Ratsschlussfolgerungen wurden vom COSI gebilligt und werden an den JI-Rat zur Verabschiedung weitergeleitet.

KOM zeigte sich erfreut und unterstrich die operative Bedeutung des Berichts. Zudem sei es wichtig, dass die Rolle von EMPACT hervorgehoben werde. Wichtig sei auch der Aufruf zum Rückgriff auf bestehende Instrumente. In diesem Zusammenhang wies KOM auf die kürzlich
erzielte Einigung zu Einziehung und Sicherstellung hin. Die MS hätten zwar eine Umsetzungsfrist von 30 Monaten, es bestünde aber keine Notwendigkeit, diese auch tatsächlich auszureizen.

5. Counterterrorism and violent extremism

5.1 Presentation by the new EU Counter-Terrorism Coordinator (CTC)

CTC stellte kurz seinen Arbeitsansatz und seine Prioritäten vor. Man müsse sich klar darüber sein, dass die meisten Sicherheitsbedrohungen für die EU von außen kämen oder durch äußere Ereignisse verstärkt würden. Die TE-Bedrohung sei weiterhin hoch, sei allerdings in jüngerer Vergangenheit durch andere politische Ereignisse in der öffentlichen Wahrnehmung etwas nach hinten gerückt. TE versuche Schwachstellen zu nutzen. Dem könne man nur die die Aktivierung aller Akteure und durch einen umfassenden Ansatz begegnen. Prävention und Resilienz seien notwendig. Der Dialog auch mit komplizierten Drittländern sei wichtig und müsse pragmatisch gehandhabt werden. CTC wolle mit den MS eng zusammenarbeiten. COSI sei hierbei ein zentraler Partner und Leitliniengeber. Gerne sei CTC bereit, mit den Hauptstädten direkte Kontakte zu etablieren. Seine Prioritäten lägen im Bereich des Internets und relevanter neuer Rechtsvorschriften. Man müsse den Internetunternehmen klar machen, dass sie nicht nur Einnahmen generieren dürften, sondern auch Verantwortung für die Sicherheit ihrer Nutzer übernehmen müssten. Weitere Priorität sei der unter TOP 3 diskutierte Zugang zu Kommunikationsdaten und damit ein wirksameres Vorgehen gegen TE. Der Sicherheitsdialog mit UKR werde mit einem Schwerpunkt auf den illegalen Waffenhandel fortgeführt. CTC wolle auch weiter die externe Dimension betrachten. Diplomatische Bemühungen seien manchmal notwendig, um Beweismittel gegen ausländische Kämpfer zu bekommen. Abschließen unterstützte CTC auch noch die Einrichtung des IPCR betreffend ausländische Einflussnahme.

COSI nahm die Ausführungen zur Kenntnis.

5.2 EU threat assessment in the field of counterterrorism: recommendations (Dok9987/24)

Der Bericht wurde vom COSI gebilligt.

5.3 Shared understanding of when a person should be regarded as a potential terrorist or violent extremist threat (Gefährder) (Dok. 9988/24)

Vors. wies darauf hin, dass das Dokument keine rechtsverbindlichen Kriterien enthalte. Sie sollten vielmehr den Informationsaustausch fördern und in die Datenbanken und Informationssysteme übernommen werden.

DEU dankte ausdrücklich dafür, dass der (unter DEU Vors. angestoßene) Prozess nun erfolgreich abgeschlossen werden konnte.

Das Dokument wurde vom COSI gebilligt.

6. Closing the gap in the intelligence picture on the criminal and terrorist use of firearms and their trafficking into and across the EU (Dok. 9986/24)

Vors. erläuterte, dass es sich bei dem vorgelegten Dok. um ein Follow-up zum informellen COSI handele. Man habe erkannt, dass es Informationslücken bei Verbrechen mit nicht registrierten Waffen gäbe und eine integrierte Datenbank notwendig sei. Im April habe es ein Treffen der Focal Points gegeben. Hierbei habe man Mindestanforderungen für Datensätze erarbeitet, die in die nationalen Datenbanken übernommen werden sollten. Vors. unterstütze ausdrücklich die Schaffung eines zentralen Registers, wie von der KOM vorgesehen.

KOM zeigte sich erfreut über die bisherige gute Zusammenarbeit mit den MS. Man habe sich auf den im Bezugsdokument aufgeführten Fahrplan geeinigt. KOM unterstütze das Vorhaben eines gemeinsamen Registers beim Europol Schusswaffen Hub. Die im April durchgeführte Bestandsaufnahme bzgl. Focal Points sei positiv zu bewerten; man habe hierzu ein Scoreboard erstellt. Erste Schritte zum Aufbau einer Sachverständigengruppe, welche die Umsetzung des Aktionsplans Handel mit Schusswaffen überwachen solle, seien eingeleitet. Zudem sei ein Bericht zu Vorfällen mit Schusswaffen in Arbeit.

ESP berichtete von einer steigenden Bedrohung durch die Nutzung von Schusswaffen durch kriminelle Gruppen.

SWE schloss sich den Ausführungen an und rief dazu auf, die Arbeiten zügig voranzutreiben. Die Einrichtung eines Focal Point sei in SWE ein wichtiger Schritt gewesen.

Vors. sah die Focal Points ebenfalls als wichtigen Faktor und sagte zu, den COSI auf dem Laufenden zu halten.

7. Digital Files (Dok. 9990/24)

Vors. verwies auf das Bezugsdokument. Es sei wichtig, dass bei allen digitalen Dossiers auch immer die Interessen der Sicherheitsbehörden eingebracht würden. Zudem solle im Zusammenhang mit solchen Regelungen auch immer die permanente Botschaft an EP und Bevölkerung vermittelt werden, dass die Berücksichtigung von Sicherheitsinteressen auch dem Schutz der Grundrechte diene.

KOM wies im Zusammenhang mit dem KI-Akt darauf hin, dass der Sicherheitsbereich sich auch weiterhin an der Diskussion beteiligen solle, dass man nach Annahme des BasisRechtsaktes nun beginne, an Durchführungsrechtsakten, Leitlinien und Standards zu arbeiten.

  1. Items concluded by the COSI Support Group (Dok. 9991/24)

Das Bezugsdokument wurde vom COSI zur Kenntnis genommen.

9. Presentation of the work programme of the incoming Hungarian Presidency

Der künftige Vors. informierte über zunächst über die Themen der am 4./5. Juli in Budapest geplanten informellen Sitzung des COSI:

  • Zukunft der Inneren Sicherheit der EU – Defizite und Erwartungen – Diskussion zur Vorbereitung des informellen JI-Rates unter HUN Vors.,
  • Auswirkungen der RUS Aggression gegen die UKR auf die innere Sicherheit der EU – unter Teilnahme der Agenturen, des CTC und des EAD,
  • Kampf gegen Umweltkriminalität – auf Basis der kürzlich angenommen Richtlinie und im Hinblick auf für die Strafverfolgungsbehörden relevante Aspekte.
  • Sicherheitsherausforderungen und europäische Polizeikooperation bei Sportgroßereignissen

Die formellen Sitzungen des COSI sind für den 18. September und 27. November mit folgenden Themen vorgesehen:

  • Kampf gegen Schleuserkriminalität,
  • Roadmap Drogenschmuggel,
  • Zukunft der Aus- und Fortbildung von Polizeiangehörigen,
  • Follow-up HLG Empfehlungen,
  • Kampf gegen Terrorismus,
  • Innovation Hub,
  • EMPACT Evaluierung,
  • Bekämpfung des Kulturgüterschmuggels.

10. AOB

SWE wies auf das zirkulierte non-paper „The New SecEUrity Package“ hin. Man habe versucht, die eigenen Prioritäten für die innere Sicherheit zu formulieren. Bei digitalen Dossiers brauche es neue Arbeitmethoden – quasi einen „whole-of-government approach“.
Es müsse klar sein, welche Auswirkungen diese Dossiers auf die Sicherheitsbehörden hätten.
Weitere Schwerpunkte seien die Devise „follow-the-money“ sowie das Follow-up zu den Empfehlungen der HLG. Und schließlich plädiere SWE für eine operationelle Unterstützung der Agenturen, ohne deren Ressourcen zu überlasten. MS müssten sich auch überlegen, mal „etwas an die Agenturen zurück zu geben“.  Wichtig sei insgesamt, dass man seine Überlegungen zur inneren Sicherheit klar ggü. der neuen KOM kommuniziere.

Gemeinsame Sitzung Senior Officials COSI/CLASI

Eingangs der Sitzung betonten sowohl der BEL Vors. als auch der CLASI Vors. (ECU) die gemeinsamen Bedrohungen und Herausforderungen und damit auch die gemeinsamen Interessen bei der Verbrechensbekämpfung. CLASI Vors. unterstrich die Notwendigkeit eines offenen uns konsensualen Vorgehens bei der Zusammenarbeit mit der EU. Vors. CLASI schlug zudem die Einrichtung eines technischen Sekretariats in ECU vor, um die Zusammenarbeit u.a. zwischen Europol und Ameripol zu koordinieren. CLASI kenne die Problematik der Übermittlung sensibler Daten, wolle aber einen dauerhaften Informationsfluss sicherstellen.

Hierzu werde man eine Roadmap mit unterschiedlichen Aktionen ausarbeiten. Man wolle die Systeme für die Identifizierung und Überwachung von Geldwäsche konsolidieren und Menschenhandel stärker bekämpfen. Für ECU sei zudem wichtig, die Anwerbung von Minderjährigen durch kriminelle Gruppen zu bekämpfen. Es dürfe nicht sein, dass Kinder und Jugendliche sich OK als Vorbild nähmen bzw. sich mit diesen Gruppen identifizierten.

11.  The fight against organised drug trafficking (Dok. 9992)

KOM erläuterte ihren Fahrplan zur Bekämpfung des Drogenschmuggels. Man habe eine Paradigmenwechsel vorgenommen und konzentriere sich stärker auf die Zerschlagung krimineller Gruppen. Daher sei es wichtig, den operationellen und strategischen Austausch zu stärken sowie die Zusammenarbeit zu intensivieren. Derzeit würde über Abkommen zum Austausch personenbezogener Daten mit einigen der lateinamerikanischen Staaten (LAC) verhandelt. Man brauche aber auch nachrichtendienstliche Informationen. Die Sicherheit von logistischen Drehkreuzen sei wichtig für das wirtschaftliche Wohlbefinden eines Landes. Infiltration durch kriminelle Gruppen laufe dem zuwider. Die kürzlich ins Leben gerufene Hafenallianz bringe daher alle Interessenträger an einen Tisch. Das Mandat der neuen Drogenagentur, welche am 3. Juli in Lissabon eingeweiht werde, ermögliche die Bewertung von Bedrohungslagen und die Zusammenarbeit mit internationalen Partnern. Wichtig sei sein gesamtgesellschaftlicher Ansatz, insbesondere auch bei Präventionsmaßnahmen und der Verhinderung der Rekrutierung von Jugendlichen durch kriminelle Gruppen. Der EU-Fahrplan sehe auch vor, mit nicht-kooperativen Drittstaaten/safe havens, nach Möglichkeiten der Zusammenarbeit zu suchen. Ziel sei ebenso, die LAC stärker in EMPACT einzubinden und SOCTA mit dem LAC Pendant IDEAL zu synchronisieren. KOM sei sich sicher, dass man konkrete Ergebnisse erreichen könne.

Anschließend stellte der BEL NEC EMPACT vor. Zudem präsentieren Driver der OAP Drogen und Synthetische Drogen Struktur und Prioritäten ihrer OAP und gaben Praxisbeispiele. Es gebe hierbei bereits eine Einbindung der LAC in einigen der Aktionen. Auch beim ISFfinanzierten Projekt White Snow habe es eine enge Zusammenarbeit gegeben.

CLASI Vors. nannte die Sitzung einen historischen Moment und Meilenstein in der Zusammenarbeit. CLASI wolle die Sicherheitspolitik für LAC sicherstellen. Neben dem Drogenhandel müsse man sich auch mit Menschenhandel, Schleuserkriminalität,

Waffenschmuggel, Umweltkriminalität einschließlich Schmuggel von teilhalogenierten Kohlenwasserstoffen (HFKW), sexueller Ausbeutung von Kindern/Jugendlichen und vermissten Personen befassen. Auch Terrorismus sei ein wichtiges Thema, da es in der Bevölkerung Panik auslöse und die Grundfesten der Demokratie untergrabe.
Cyberkriminalität und Finanzkriminalität müssten als Querschnittsthemen beachtet werden.

Das geplante CLASI Sekretariat sei ebenso wie Aktionspläne wichtig zur Zielerreichung. Der CLASI Policy Cycle orientiere sich an EMPACT, habe aber weniger Prioritäten. Man tausche sich bereits jetzt zu den Prioritäten mit Europol aus. Hinsichtlich der Problematik der vermissen Personen gäbe es eine verstärkte regionale Zusammenarbeit. Die „latin american coalition agains OC“ habe spezielle Ziele wie z.B. die Kartierung krimineller Netzwerke. Man sei sich zudem mit der EU einig, dass man die Resilienz der Häfen und Logistikzentren stärken müsse. Zudem müsse man Geldflüsse besser identifizieren, um die kriminelle Wirtschaft zu erkennen und zu unterbinden. Last but not least habe man angefangen, sogenannte Bürgerzentren für Leben und Frieden einzurichten, um auch auf sozialer Ebene gegen Kriminalität vorzugehen.

HRV unterstützte die strategische und operative Partnerschaft und sah die Notwendigkeit einer längerfristigen und weitergehenden Finanzierung auch für Untersuchungseinheiten in Drittstaaten. Zudem schlage HRV vor, ein Büro der EU in den LAC einzurichten. Das Netz der Europol VB solle verstärkt werden. Zur Bekämpfung des Drogenhandels sollten spezielle operative Teams (auch FRA, PRT) in entsprechenden Bekämpfungszentren in den LAC eingerichtet werden. Dies sei aber eher längerfristig zu sehne. Kurzfristig könne man LAC bei der Teilnahme an EMPACT unterstützen (ähnlich NLD, ESP).

KOL sah Handelsbeschränkungen der EU als eine der begünstigenden Faktoren für den Drogenanbau. Legale Alternativen („more cacao, less coca“) seien für die Bauern nicht attraktiv, wenn ihnen der europäische Markt nicht offenstehe. KOL habe gute Erfahrung mit Präventionsmaßnahmen gemacht. Das Drogenproblem sei nicht nur eine Sicherheitsfrage, es gehe auch darum, die sozialen Rechte der anfälligsten Bevölkerungsteile zu stärken (ähnlich BRA). KOL sei auch an einer engeren Zusammenarbeit im Bereich Geldwäsche interessiert.

AUT sprach die Zusammenarbeit mit BRA in der OTF Balkankartell an (auch GRC). Abkommen für den Austausch personenbezogener Daten seien wichtig (auch SVN, FRA, PRT). Darüber hinaus müssten Auslieferungsabkommen abgeschlossen werden. Allerdings sei die Vielzahl der Initiativen verwirrend. Schon aus Gründen des Ressourceneinsatzes müsste hier eine Bündelung erfolgen. Sprachbarrieren seien allerdings auch problematisch, ggf. gäbe es hier eine Rolle für CEPOL.  Die Roadmap werde von AUT ausdrücklich unterstützt. Es müsse auch möglich sein, Daten außerhalb von Rechtshilfeersuchen auszutauschen.

SVN sprach sich für regelmäßige operative Treffen (auch GRC, CRI, ARG), gemeinsame Trainings und Austausch von bewährten Praktiken aus.
GRC sah die Notwendigkeit eines ganzheitlichen Ansatzes. Zudem sei die Einbindung in EMPACT ein guter Schritt. Nun brauche es auch noch eine Plattform für Rechtshilfe.
CRI erklärte Bereitschaft zur Beteiligung an EMPACT und zur weiteren Zusammenarbeit. CRI habe bereits viel investiert, u.a. in die Beschaffung von Containerscannern und die oft unterschätzte soziale Prävention. Als Logistik-Hub sei man für die kriminellen Netzwerke von Bedeutung.

DEU unterlegte die Notwendigkeit des Austausches bei der Bekämpfung der Drogenkriminalität mit den aktuellen Zahlen der Drogentoten in DEU. Hier habe man ein Allzeithoch erreicht. DEU habe drei wichtige Punkte für die Zusammenarbeit identifiziert. Wichtig seien interdisziplinäre Partnerschaften wie die Hafenallianz (auch FRA, PRT, ESP, LTU mit dem Wunsch der Teilnahme, ITA, CYP). Der Informationsaustausch mit LAC müsse gestärkt werden. Und letztlich brauche man auch schnell abrufbare Gelder der KOM für operative Maßnahmen. El Pacto sei ein gutes Programm, reiche aber bei weitem nicht aus.

FRA plädierte für eine intensivere Zusammenarbeit und eine Ausweitung auf die Karibikstaaten. Die Unterstützung der Ausgangshäfen sei wichtig, um Daten über verdächtige Schiffe zu erhalten. KOM arbeite derzeit an einem Bericht über den Hafen Guayaquil. Die EU müsse Gelder für Containerscanner zur Verfügung stellen. Finanzermittlungen seien wichtig, hier müsste ggf. eine rechtliche Angleichung erfolgen. Es ginge auch darum, die europäischen Gebiete in der Karibik zu schützen.

PRT sah die Notwendigkeit eines Informationsaustausches in Echtzeit. Durch die Synchronisierung der EU und LAC Instrumente könne man einen 360 Grad Überblick erhalten (ähnlich ESP). ITA ergänzte diese Ausführung mit dem Vorschlag für gemeinsame Workshops und Trainings.

BRA bezeichnete die Drogenbekämpfung angesichts der eigenen geografischen Lage als große Herausforderung. Derzeit arbeite die Bundespolizei an einem Projekt zur Grenzsicherung. Man brauche strukturelle Unterstützung auch bei notwendigen Investitionen. Erschreckend sei auch die hohe Gewaltbereitschaft krimineller Gruppen (auch NLD) NLD unterstrich, dass auch die Prävention vor Drogenkonsum wichtig sei (auch ESP, LTU). Zudem dürfe man nicht nur den strafrechtlichen Ansatz verfolge, sondern auch wirtschaftliche und soziale Sicherheit gewährleisten.

ESP brachte die Hoffnung zum Ausdruck, dass AMERIPOL konkretisiert und nutzbar gemacht werde. Grundsätzlich müssten alle Instrumente der Zusammenarbeit genutzt werden. Wichtig sei auch der Grundsatz „follow the money“.

DOM informierte darüber, als Transitland unter dem Drogenschmuggel zu leiden, aber auch unter Ausbeutung von Jugendlichen, Menschenhandel, Waffenschmuggel und illegalem Kulturgüterhandel.  Leider gehe in LAC alles sehr langsam. Hier sähe DOM gerne mehr Impulse, da die Kriminalität ja auch keine Protokolle oder Verfahren kenne. Mehr Flexibilität sei wünschenswert und die spezifischen Besonderheiten der Länder müssten berücksichtig werden.

CYP plädierte für Kontaktstellen zwischen großen und kleineren Häfen sowie für eine Überwachung der Logistikketten.

ARG sah eine Verbindung zwischen OK und Terrorismus, insbesondere auch im Bereich der Finanzierung. Dies müsse stärker beleuchtet werden, da hierdurch die Gesellschaft destabilisiert werden könne. ARG sah die Notwendigkeit einer amerikanischen Hafeninitiative. Leider seien Kontrollstellen sehr schlecht ausgestattet und es käme zur Unterwanderung durch die OK. Entsprechendes Investment müsse Priorität sein.

BEL Vors. dankte für den fruchtbaren Meinungsaustausch. Es gäbe eine eindeutige Bereitschaft zusammenzuarbeiten. Auch die Angleichung der Politikzyklen sei zielführend.
Man könne sich zu diesem Thema auch eine zusätzliche Konferenz vorstellen. Eine stärkere Einbindung der LAC in EMPACT werde durchgängig begrüßt. Da Informationsaustausch essentiell sei, müssten die Abkommen mit Europol sowie die Zusammenarbeit zwischen Europol und Ameripol vorangetrieben werden. Es sei klar geworden, dass auch soziale Aspekte adressiert werden müssten. Gemeinsames Vertrauen und Verständnis könne durch gemeinsame Ausbildungsmaßnahmen z.B. durch CEPOL gefördert werden. Und schlussendlich brauche es auch eine ausreichende Finanzierung für konkrete operative Maßnahmen.

12. Criminal networks (Dok. 9993/24)

CLASI Vors. ergänzte die bereits unter TOP 11 gemachten Ausführungen mit dem Aufruf zum Ansatz „follow the money“ (auch GTM, SWE) und dass die strafrechtliche Verfolgung ungeachtet der Gerichtsbarkeit grenzüberschreitend möglich sein müsse. Wegen der Globalisierung des Verbrechens habe man auch mit Interpol Abkommen geschlossen.

ECU ergänzte, dass die Polizei oft nicht auf kriminelle Gruppen angemessen reagieren könne. Kriminelle Gruppen würden in allen Feldern agieren, mit den Gewinne zu erzielen seien, u.a. illegaler Rohstoffabbau und Entführung. Die Zahl der gewalttätigen Todesfälle sei deutlich gestiegen. Zudem sei festzustellen, dass die OK auch aus Gefängnissen operiere bzw. die Gefängnisse komplett in der Hand habe. Es gäbe Dekrete, diese müssten aber auch umgesetzt werden. Wenn man OK als Terrorismus einstufe, könne man auch militärisch gegen die Gruppen vorgehen. Bei der Bekämpfung des Drogenhandels tue ECU viel, brauche aber zudem die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft.

PER sah sich als Ausgangspunkt von OK aufgrund des eigenen Koka-Anbaus. Dieses werde in 23 Zielländer direkt exportiert. Wichtigste Zielhäfen seien Antwerpen und Hamburg. Daher sei ein gemeinsames Vorgehen essentiell. PER rege deswegen auch ein Präventionstreffen der wichtigsten Anbauländer an. Man dürfe sich nicht nur auf den Vertrieb beschränken, auch die Produktion müsse bekämpft werden.

GTM sah national ein Hauptproblem bei Entführungen und Erpressungen durch kriminelle Netzwerke. Zudem gäbe es viel Gewalt und insgesamt eine hohe Verbrechensrate. In den letzten vier Monaten habe GTM deutlich mehr Drogen als in den Vorjahren beschlagnahmt. GTM sei generell für eine operative Zusammenarbeit und den Informationsaustausch offen, u.a. auch zu Cyberkriminalität und Waffenschmuggel.

PRY präsentierte eine konkrete Operation (operation DAKOVO) gegen Waffenschmuggel und erklärte Bereitschaft, sich in EMPACT einzubringen.
Europol ging kurz auf den kürzlich veröffentlichen Bericht zu den „most threatening criminal networks“ und die dortigen Feststellungen im Bezug auf LAC ein. Eine Synchronisierung von SOCTA und EMPACT mit den entsprechenden CLASI Instrumenten sei ein Schritt in die richtige Richtung. Es wäre auch wichtig, dass Ameripol wirklich operativ werde.

CRI plädiert dafür, nicht nur „in Sicherstellungsmengen“ zu denken, sondern in das Humankapital der Länder zu investieren und bei den Menschen anzusetzen. Zudem müsse man bei künftigen Strategien berücksichtigen, dass synthetische Drogen zunehmend an Bedeutung gewännen und dadurch neue Drogenrouten entstünden.

NLD sah die Notwendigkeit einer Zusammenarbeit mit den JI-Agenturen (auch ITA) aber auch der Prävention in Gefängnissen. NLD baue derzeit eine „detention intelligence unit“ auf und könne sich hierüber gerne auch mit CLASI austauschen.

DOM erinnerte daran, dass man zwar kein Produktionsland sei, aber von kriminellen Netzwerken als Knotenpunkt nach USA und Europa genutzt werde. Wichtig sei, die Kapazitäten in den LAC zu stärken. Zudem müsse man an der Nachfragereduktion für Drogen arbeiten.
Vors. schlussfolgerte, dass es Verbindungen krimineller Organisationen in der EU und den LAC gäbe. Hierbei seien auch Verbindungen zum Terrorismus festgestellt worden. Zu
Letzterem werde demnächst von Europol ein Bericht vorgelegt. Es gäbe also zahlreiche Herausforderungen, die eine ganzheitlichen Ansatz erforderten. Wichtig seien auch gemeinsame Anstrengungen beim Kapazitätsaufbau.

13. Working procedures for cooperation between the EU and the Latin American Committee on Internal Security (CLASI) (Dok. 9992/24)

Die Arbeitsmethoden wurden in einer in der Sitzung vorgelegten REV Version gebilligt.

14. AOB

Entfallen.

15. Mittagessen der HoD

CLASI Vors. schlug eine Ausweitung der Hafenallianz auf Flughäfen und andere Logistikstrukturen vor und forderte eine Intensivierung der Maßnahmen des Zolls.

ARG votierte für einen Fokus auf operative Zusammenarbeit (“more measures than more meetings”).

ESP nannte illegalen Waffenhandel und Cybercrime als Kooperationsfelder für COSI/CLASI.

CHL (nächstes CLASI-Vorsitzland) bezeichnete sich als Transitland für Drogen.

POL kündigte an, als Rats-Vorsitz in 2025 das COSI/CLASI-Minstertreffen ausrichten zu wollen.

POR betonte den “follow the money”-Ansatz, man müsse gemeinsam Wirtschaftskriminalität, Geldwäsche, Korruption (auch in staatl. Einrichtungen) stärker in Blick nehmen.

ECU berichtete von deutlichem Rückgang der Kriminalität in seinem Land.

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27 Ergänzungen

  1. Gibt es ueberhaupt noch Hoffnung fuer die EU, wenn fast im Wochentakt neue Massenueberwachungsprogramme vorgestellt werden?

    Eine juristische Frage, die ich mir als Laie schon laenger stelle: Steht EU Recht ueber dem deutschen Grundgesetz? Wenn auch ueber Jahre ausgehuellt, haben wir mit Art. 10 das Fernmeldegeheimnis. Sollte damit nicht jede anlasslose Ueberwachung gekippt werden koennen?

    1. (2) Beschränkungen dürfen nur auf Grund eines Gesetzes angeordnet werden.

      Es geht weiterhin nicht um anlasslose Überwachung, sondern um die Möglichkeit Verschlüsselung in dem Fall zu umgehen. Was entweder bedeutet es gibt kein echtes ende-zu-ende ODER es gibt Zugriff auf die Schlüssel.

  2. Sehen wir den Tatsachen ins Auge: Jetzt, wo die Piraten aus dem EU-Parlament raus sind, wird die Chatkontrolle kommen, ehe das Jahr rum ist. Die einen Länder fordern sie mit Client-Side-Scanning, die anderen ohne, und der „Kompromiss“ ist dann mit Client-Side-Scanning und Verbot freier und Open-Source-Alternativen.

    Dass die Datenflut unbeherrschbar werden könnte, ist egal. Man sammelt einfach alles und pickt sich dann die Datensätze derjenigen raus, die einem dumm gekommen sind, um sie mit dem (von der „KI“) Gefundenen zu ruinieren. während es auf dem Papier aufgrund der zahlreichen Falschmeldungen immer mehr „unaufgeklärte Straftaten“ gibt, womit man dann noch weniger Grundrechte, noch mehr Totalitarismus begründen kann. Auf nichts anderes wird es hinauslaufen. Und selbst, wenn die Gerichte die Sache doch nochmal zurückpfeifen sollten, bis dahin sind genug Daten gesammelt, mit denen man schon eine ganze Ecke anstellen und deren Verbleib man genauso zuverlässig kontrollieren kann wie den polizeilicher Waffen- und Munitionsbestände.

    Europa 2024: Die Faschisten einschließlich der AfD sind auf dem Vormarsch, und die Sicherheitsbehörden fordern, dass die selbsternannten „Konservativen“ ihr in guter alter Tradition schon mal die Werkzeuge bereitlegen. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Ganz oben auf der politischen Agenda stehen Grenzen dichtmachen – notfalls mit tödlichem Ausgang für Flüchtlinge – und Totalüberwachung der Bevölkerung. Wir haben das 34. Jahr der Deutschen Einheit, und die erfolgreichsten Exportprodukte der f-ing DDR sind Mauer und Stasi. „Es war ja nicht *alles* schlecht.“

    Wenn Letztere gewusst hätte, dass man nur „Kindesmissbrauch“ sagen muss, damit die Leute der eigenen Totalüberwachung zustimmen und von sich aus jeden Kritiker denunzieren… Da sieht man mal, was für lausige Amateure das doch waren!

    1. Die Piraten sind (fast) raus. Ja das Stimmt. Aber dafür wird jemand sehr bekanntes und einflussreiches mit der Partei „Die Partei“ ins Europaparlament ziehen, die auch im Mainstream sehr populär und präsent ist und auch gleich angedeutet hat, in welche Richtung ihr Schwerpunkt gehen wird:

      „Werden den Überwachungsfaschismus beenden“
      Sibylle Berg für „Die Partei“ ins Europaparlament gewählt

      https://www.t-online.de/unterhaltung/stars/id_100424176/sibylle-berg-fuer-die-partei-ins-europaparlament-gewaehlt.html

  3. > Die Polizeibehörde Europol unterstrich laut Protokoll die Gefahr des Missbrauchs von Ende-zu-Ende-Verschlüsselung durch Kriminelle, dem schloss sich auch Griechenland an.

    Aha. Wollten die sich nicht schon von der CSAM erkennung ausnehmen? Fast so als wüsste man wie große Löcher man da in Systeme bohrt.

    > Amtshilfeersuchen würden regelmäßig dadurch unterlaufen, dass nur geringe Mengen von Daten gespeichert würden.

    Genau, lieber alles mitloggen, man weiß ja nie für was man die Daten mal brauchen könnte. Datenschutz darf kein Töterschutz sein!

    Kompromissvorschlag zur Güte: Vorratsdatenspeicherung und Verschlüsselungsverbot für Politiker, wer wann mit wem redet wird veröffentlicht, Schön Transparent.

  4. Auf einer Lawine aus Schädeln aufschwimmend ins Tal nach - idk, Valhalla oder so. Hauptsache oben. sagt:

    Best bet: irgendwer rechnet aus Versehen aus, wie man es machen muss, und es wird öffentlich. Vielleicht so ein Maskenmann mit Zugriff auf Supercomputer, oder eine Super-KI. Ob das Zeitfenster für Zivilisation so günstig ist? Irgendwer müsste die Ergebnisse und Details dann nämlich noch umsetzen, z.B. China, oder es bewahren und allmählich zum Interaktionsstandard machen, was auch viele kleinere Staaten versuchen könnten.

    Festhalten an Entropie und Verfall scheinen gesetzt, Sollbruchstellen werden weiter aufgedehnt, Schutz gibt’s auf dem Boden des Marianengrabens. Nur wovor? Es gibt einen ganz ganz engen Ausweg, wenn volles Derisking passiert, also von ungefähr allem inklusive Resourcen und Gütern aus den USA. Doch wenn es immer knapper und immer ernster wird, kann Zukunft überhaupt gedacht werden? Wer kann es jetzt? Etwa jene marodierenden und hazardierenden Big-Tech-Teenies, die Bücher „über [das Ende der] Privatsphäre“ schreiben, uns erklären, was Demokratie ist, und immer öfter wissen, was für uns gut ist?

    Ja klar, nur noch um diese eine stürmische Ecke herum, dann machen wir… was war’s noch gleich? Sozialismus? Demokratie? Irgendwas mit Partizipation? Ein bischen Lockerer? Weiter?

    1. „Best bet: irgendwer rechnet aus Versehen aus, wie man es machen muss“
      Scherz am Rande: Hiermit ist natürlich Zivilisation gemeint, also die Vermeidung der Lawine. Ein Lösungsansatz, der auch strammen Technokraten einleuchten könnte.

  5. Demokratisch gesehen: Großalarm!

    Deutschlands Volksparteien als Erfolgsmodell – d.h. man macht, was auf dem Menu steht, und erzählt den Leuten dann eine lustige Geschichte dazu. Klappt mal was nicht, muss man es den Menschen nur besser erklären!

    Made in Germany ist mal wieder in!

  6. „das richtige Narrativ zu setzen“.
    Anders ausgedrückt: Wieder irgendwelche Lügen auftischen, um dem Volk allen Ernstes versuchen, weiszumachen, sie hätten gute Absichten.
    Die selben bzw ähnlichen Lügen wie bei VDS, Gesichtserkennung und Chatkontrolle.

    Alleine, wenn man das hier schon liest: „zu einer Kommunikationsstrategie, die unterstreiche, dass man mit den Empfehlungen Grundrechte schützen wolle“
    Man will also Grundrechte „schützen“, indem man den Leuten alle Sicherheit und Grundrechte wegnimmt… ah ja…

    Aber seltsam und erschreckend, dass es da direkt beim ersten Anlauf schon quasi nur Zustimmung gibt.
    Passt irgendwie so gar nicht, wenn man bedenkt, wie lange sich die Verhandlungen zur Chatkontrolle schon hinziehen.

    Ebenso auffällig ist der immer weiter steigenden Extremitätsgrad dieser Überwachungsfreaks.
    Erst die VDS.
    Dann die Chatkontrolle, wo -außer Standorterfassung quasi die komplette VDS drin ist.
    Jetzt das hier, wo die komplette VDS, die Chatkontrolle und noch viel mehr.

    Auch die Going dark-Initiative ändert nichts daran, dass man, wenn man wirklich Informationen verbergen will, das auch schaffen wird.
    Es wird komplizierter und zeitaufwändiger. Unmöglich wird es nicht.

    Was diese „Entschlüsselungsplattform“ von Europol angeht – die gibt es wohl schon länger
    siehe
    https://www.psw-group.de/blog/bundesregierung-erklaert-entschluesselungsplattform-von-europol/7654

  7. Man muss sich hier einige Tatsachen vor Augen halten: Das sind extremste Forderungen die eine anlasslose Totalüberwachung der gesamten EU zur Folge hätten und das kein Gericht, das halbwegs sich an Menschenrechten, Rechtsstaatlichkeit oder Demokratie orientiert, erlauben würde. Dann muss man auch den Kontext der Maßnahmen berücksichtigen innerhalb jener diese Forderungen geschaffen wurden und der wird konstruiert von Strafverfolgungsbehörden, Polizeien, Geheimdiensten usw. Grundsätzlich wollen die immer und alles bis ins Letzte Detail überwachen und grenzenlos auf alles jederzeit Zugriff haben. Wenn irgendwelche Gremien oder Innenminister das gut finden, bedeutet das erst mal nichts. Das ist grundsätzlich immer in der Art zu erwarten. Man muss sich die Entwicklung jetzt erst mal sehr genau ansehen. Feststeht jedoch, dass diese Forderungen niemals so kommen können und es erheblichen Wiederstand aus jeder Richtung dagegen geben wird. Und damit rechnen die auch schon felsenfest!

  8. Ich finde es ja schade das allein im Header schon der unsinnige Kampfbegriff der Überwachungsfaschisten reproduziert wird. Wäre es nicht besser, anstatt solche unsäglichen Kampfbegriffen (Going Dark) Raum zu geben, lieber eine Einordnung als Schlagwort zu etablieren. So was wie „peeping toms“ oder so?

  9. Verkehrte Welt: Der Staat agiert gegen die eigenen Bürger. Man könnte fast von Totalitarismus sprechen. Die vielbeschworene Demokratie jedenfalls sähe anders aus.

    1. „Der Staat agiert gegen die eigenen Bürger.“

      Das tut der Staat für einen gewissen Teil seiner Bürger immer, das ist im Rahmen gesellschaftlicher Interessenabwägungen ganz normal.

      In unserem Staat entscheidet sich eine Mehrheit der Wähler konsequent dafür, die grosse Mehrheit, also idR sich selber, im Interesse einer kleinen Minderheit so behandeln zu lassen. Tja.

      1. „Das tut der Staat für einen gewissen Teil seiner Bürger immer, das ist im Rahmen gesellschaftlicher Interessenabwägungen ganz normal.“
        Aber dabei müsste der schwarze Peter aus Balancegründen im Kreis gehen, ohne dass Entropie das Ruder übernimmt. Was wir sehen, ist aber etwas anderes, nämlich eine systematische Machtverschiebung und Aushöhlung aller Grundsätze.

          1. „Entropie ist nicht das, was Sie glauben, auch wenn es für ahnungslose eindrucksvoll klingen mag…“

            Bitte erklären, sonst gerne in den Müll. Wir vergleichen Entropie unter dem Aspekt a) Atombombe einsetzen b) Häuslebauen. Ich denke, Sie hatten hier etwas anderes im Sinn, was aber das vorherige Post offenbar nicht tangiert.

  10. Die Forderungen offenbaren den ebenso unerschütterlichen wie dümmlichen Glauben, die Technik (vulgo der berühmte gedrückte Knopf) werde alle Probleme beseitigen, die nur gesellschaftlich gelöst werden können.
    Aber das hat noch nie funktioniert. Ich habe an anderer Stelle schon mehrfach geschrieben und wiederhole es notwendigerweise auch hier, dass selbst ein Verschlüsselungsverbot auf Providerebene eine individuelle und intelligente Verschlüsselung, die sich zwei oder auch mehr Personen/Parteien/Institutionen etc. ausdenken, nicht verhindern kann. Im Gegenteil: Dies liesse eine Menge neuer und von aussen kaum kontrollierbarer Kryptocodes entstehen, erst recht bei denen, derer man durch Anwendung eines oben beschriebenen, „zentralen“ Verschlüsselungsverbotes habhaft zu werden glaubt.

    Ganz abgesehen davon müssten dann sowohl Frau Merkel, Frau von der Leyen, Ylva Johansson, diverse Rechtsradikale in Polizeikreisen, korrupte Beamte, Angestellte oder ähnliche Spezialisten damit rechnen, dass künftig aufgedeckt wird, was aus ihrer Sicht bekanntlich im Verborgenen bleiben soll.
    Das ist mehr als wünschenswert, zeigt aber die Unlogik, Doppelmoral und Unverfrorenheit, mit der die derzeitige und nun leider weiterhin amtierende Politikerkaste agiert.

    1. Abgesehen vom unkontrollierbaren Fallout bzgl. Business, Freelance, wer wann was verschlüsselt darf, wer mit dem Ausland verschlüsselt reden darf, was welcher ausländische Dienst oder welche Kriminellen dank solcher Vorhaben dann sicherlich massenweise abgegriffen kriegen, und dann auch noch gesetzgeberische Nachahmer, usw. usf. „Europa“ will mitmischen auf Feldern, wo Player eher als geostrategische Entitäten existieren, denn als Teilnehmer eines überwachten Marktes, und wir wollen ein Häppchen verfaulten Käses haben, um irgendwie dabei zu sein. Dafür stampfen wir Privatsphäre ein. Toller Plan, jetzt sind wir „wie die anderen“, bis auf Erfolg, Fähigkeiten, Marktanteile, usw. usf.

      Kommt vielleicht noch Endpunktregistrierung mit privatem Schlüssel, Verkehrsumleitung und MITM als Standard? Vielleicht noch den Kreis zu MAO vollends schließen, indem kleine und mittlere Angelegenheiten möglichst auf größere Plattformen gezwungen werden?

      Gesellschaftlich würde schon mit den offenliegenden Ansätzen alsbald alles als kompromittiert gelten: lesen, schreiben, reiben… Ist mit einer liberalen Demokratie in keiner Weise vereinbar, vor allem bei gegebener Inkompetenz so ziemlich aller beteiligter Staaten und deren Behörden, auf allerlei Ebenen, was Digitalisierung betrifft. Jedoch auch wegen insuffizienter Checks and Balances, Verfasstheiten, etc. p.p.

      1. Hier steckt etwas bei dem Pfeffer!
        Die geforderten Fähigkeiten bzw. resultierenden Maßnahmen sind qualitativ derart entrückt, dass es auch qualitativ signifikanter Argumente bedarf, um jene begründen zu können.

        „Sonst können wir ja gar nicht mehr“ sieht zwar vordergründig wie ein qualitatives Argument aus, aber es ist und bleibt wohl vorerst fachlich widerlegt. Es ist effektiv ein quantitatives Argument, innerhalb von Größenordnungen. Oder eine extern angetriebene Kampagne zur digitalen Enthauptung Europas, das könnte auch zutreffen.

  11. Wer verschlüsselt kommunizieren will, wird dies immer tun können. Vertrauliche Inhalte kann man auch selbst und zusätzlich verschlüsseln. Auch für Computer Laien einfach zu handhaben sind Programme zur Datenkomprimierung, welche auch eine Verschlüsselungsfunktion anbieten ( 7-zip.org ). Idealerweise nutzt man zum Ver- und Entschlüsseln Hardware ohne Internetzugang und überträgt mittels Datenträger die verschlüsselten Inhalte auf ein Gerät mit Internetzugang und umgekehrt.
    Früher hat man sich selbst mit öffentlichen und privaten Schlüsseln auseinandergesetzt, wenn man vertraulich mit fremden Menschen kommunizieren wollte.
    Falls private Verschlüsselung irgendwann verboten wird, wird man sich mit Steganografie vertraut machen müssen.

    1. Klar kann irgendwer irgendwas tun. Vor allem die zwölf Nerds, und alle mit Resourcen, also auch Kriminelle. Aber die Menge der Bürger ist ja im Visir, und bei Privatsphäre sieht man schon, wie die geostrategische Lobby hier Punkt über Punkt einfährt, bis zum Ethikrat. Das bleibt zu befürchten, ist auch bei vielen Teenagern so, und wird es in der Masse besser? Hier ist nicht Logik Trumpf, sondern… naja, wenn es nur mit Revolution ginge, wäre es wohl Revolution. Sowas vielleicht?

  12. Das Vorhaben ist äußert gefährlich und wird überhaupt nichts bringen. Wie war das damals mit Seehofer, der bei Einbruchsdiebstahl die Funkzellenabfrage erlaubt hat?
    Was soll das nützen? Einbrecher oder andere Kriminelle hat es immer schon gegeben. Und wenn nun alles überwacht und einsehbar wird, dann werden die wirklich Schwerkriminellen eben alles wieder von Angesicht zu Angesicht austüfteln. So wie es vor dem Netz- oder Handyzeitalter auch der Fall war.
    Dafür geht durch Totalüberwachung unsere Gesellschaft kaputt – und als Folge davon wird es in bestimmten Bereichen sogar mehr Kriminalität geben, da bin ich ziemlich sicher.

    Fazit: Ein Schuß in den Ofen!

  13. Ach so, noch einer zum Lachen:
    1. Das Gesetz vom Analogen soll im Digitalen Gelten!
    2. Ich schreibe einen Brief (digital)…

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