WhistleblowerBundesrat blockiert Hinweisgeberschutzgesetz

Das Hinweisgeberschutzgesetz ist im Bundesrat gescheitert. Einigen Ländern gingen die Regelungen zu weit. Nun wird es wohl weitere Monate dauern, bis Deutschland mehr Rechtssicherheit für Whistleblower:innen schafft. (Update)

Trillerpfeife hängt vor einer Tafel
Whistleblower:innen müssen weiter auf rechtlichen Schutz warten. – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / Shotshop

Im Dezember hatte das Hinweisgeberschutzgesetz die letzte Hürde im Bundestag genommen. Es sollte Whistleblower:innen Rechtssicherheit geben, wenn sie Missstände aufdecken wollen. Doch trotz kritisierter Lücken ging das Gesetz offenbar einigen unionsgeführten Ländern im Bundesrat zu weit: Sie blockierten das Gesetz in einer Abstimmung am heutigen Freitag.

So warnte etwa Hessens Justizminister Roman Poseck, dass nicht alle Hinweisgebenden „Gutes im Schilde“ führen würden. Hessen würde sich bei der Abstimmung enthalten. Andere bemängelten, dass das Gesetz über die EU-Vorgaben hinaus gehe. Die Mindeststandards in einer EU-Richtlinie besagen beispielsweise, Hinweisgebende müssten Verstöße gegen EU-Recht abgesichert melden können. In der deutschen Umsetzung war diese Absicherung auch für bestimmte Verstöße gegen deutsche Gesetze geplant. Außerdem waren kurz vor der finalen Abstimmung auch etwa verfassungsfeindliche Äußerungen von Beamt:innen unterhalb der Strafbarkeitsschwelle aufgenommen worden. Ebenso wie eine Pflicht für anonyme Meldewege.

„Ein Armutszeugnis“

Transparency Deutschland kritisierte die Blockade. Gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland sagte Sebastian Oelrich, Co-Leiter der Arbeitsgruppe Hinweisgeberschutz: „Einige Union-geführte Länder haben heute mit fachlich fragwürdigen und zum Teil schlicht unrichtigen Argumenten das Gesetz zum Schutz von Hinweisgebenden blockiert.“ Dass nun weiter große rechtliche Unsicherheit für Hinweisgebende bestehe sei „im internationalen Vergleich ein Armutszeugnis“.

Tatsächlich ist Deutschland bei der Umsetzung der EU-Vorgaben zu spät dran: Eigentlich hätten die Vorgaben der Richtlinie bis Ende 2021 umgesetzt werden müssen, das scheiterte jedoch an Uneinigkeit der damaligen Großen Koalition. Die neue Ampelregierung hat daraufhin einen neuen Anlauf gestartet.

Da es nun zum Konflikt zwischen Bundestag und Bundesrat gekommen ist, könnte das Gesetz in den sogenannten Vermittlungsausschuss gehen, um einen Kompromiss zu finden. Das kann mehrere Monate dauern.

Update, 15:38 Uhr: Till Steffen, Mitglied im Rechtsausschuss für die Grünen, hat angekündigt: „Die Ampel hält an dem Gesetz fest. In der Ampel haben wir besprochen, dass wir den Gesetzentwurf inhaltsgleich in einer nicht zustimmungspflichtigen Form erneut in den Bundestag einbringen werden und zwar so schnell wie möglich. Am Schutz der Hinweisgerberinnen und Hinweisgeber wird es keine Abstriche geben. Die Ablehnung im Bundesrat wird ein Pyrrhussieg für die Union bleiben.“

7 Ergänzungen

  1. Ok, es ist Freitag. Dennoch wäre es informativ gewesen, die Blockierer im Bundesrat zu benennen.

    1. „(…) Kritik an anonymen Hinweisen

      ‚Das Gesetz belastet kleine und mittlere Betriebe übermäßig‘, kritisierte Bayerns Justizminister Georg Eisenrauch (CSU). ‚Gerade in wirtschaftlich angespannten Zeiten sei ‚mehr Augenmaß‘ erforderlich.
      Sein Justizminister-Kollege Roman Poseck (CDU) aus dem schwarz-grün regierten Hessen verweigerte ebenfalls die Zustimmung. Er kritisierte unter anderem, dass auch anonyme Meldungen möglich sind und die Firmen sogar einen anonymen Dialog-Kanal einrichten müssen. ‚Das ist zusätzlicher teurer Aufwand‘. Außerdem gebe es bei anonymen Meldungen auch Missbrauchspotenzial: ‚Nicht jeder Whistleblower führt Gutes im Schilde‘, sagte Poseck im Bundesrat. (…) Doch am Ende verweigerten die von CDU und CSU mitregierten Länder geschlossen die Zustimmung. Deshalb kam das Gesetz zunächst nicht zustande. (…)“ (taz, 10.2.23)

      https://taz.de/Whistleblower-Schutz/!5914995/

  2. Also anonyme Meldewege geht natürlich gar nicht für die Union. Zum einen könnte da ja wer etwas relevantes melden, zum anderen käme der Verräter uU unerkannt davon.

  3. Die Ausreden:
    „Das Gesetz belastet kleine und mittlere Betriebe übermäßig“, kritisierte Bayerns Justizminister Georg Eisenrauch (CSU). „Gerade in wirtschaftlich angespannten Zeiten sei „mehr Augenmaß“ erforderlich.

    Sein Justizminister-Kollege Roman Poseck (CDU) aus dem schwarz-grün regierten Hessen verweigerte ebenfalls die Zustimmung. Er kritisierte unter anderem, dass auch anonyme Meldungen möglich sind und die Firmen sogar einen anonymen Dialog-Kanal einrichten müssen. „Das ist zusätzlicher teurer Aufwand“. Außerdem gebe es bei anonymen Meldungen auch Missbrauchspotenzial: „Nicht jeder Whistleblower führt Gutes im Schilde“, sagte Poseck im Bundesrat.

    Die Blockierer:
    Die von CDU und CSU mitregierten Länder verweigerten geschlossen die Zustimmung.

    Das Work-Around ohne Bundesrat:
    In der Praxis geht es vermutlich nur um einen einzigen Passus, der in ein separates zustimmungspflichtiges Gesetz ausgelagert werden müsste. Darin wird für Landesbeamte, die einen Missstand melden, die Verschwiegenheitspflicht aufgehoben. Alle anderen Regelungen könnte der Bundestag unverändert erneut beschließen und bräuchte dann nicht mehr die Zustimmung des Bundesrates. Warum nicht gleich so?

  4. Hab grad mal eine andere Frage: Bleiben Eure Onlinebeiträge auf Ewig Online oder wäre es besser die Seite zu speichern?

    Lg

    1. Es gibt keine Pläne, die Artikel je zu löschen. Darüber hinaus werden sie auch von Archive.org gespeichert.

  5. „Warum nicht gleich so?“

    Möglichkeit 1: Weil sie nicht gut genug argumentieren und so die falschen Argumente der Blockierer entkräften.

    Möglichkeit 2: Weil sie keine politisch klugen Taktiker sind.

    Möglichkeit 3: Beides

    Dass die CDU/CSU alles blockiert, was mit Freiheit zu tun hat und an ihren Allmachtsphantasien nagt, ist nichts Neues. Dafür ist ihnen jedes (technische) Mittel recht. Dass die Grünen dies nicht erkennen und sich allein schon in den Ländern zum Büttel der „schwarzen Sheriffs“ machen, ist doppelt schlimm. Durch diese Konstellation erschweren die Landesgrünen der eigenen Bundespartei (nicht nur) die Umsetzung des im Artikel beschriebenen Gesetzes.

    Die Krönung aber ist, dass die CDU/CSU-regierten Länder am liebsten jeden Bürger im Voraus beobachten und bestrafen würden, andererseits es bewiesenermaßen nie zulassen, dass Whistleblower die Machenschaften derer aufdecken, die die CDU/CSU durch ihre Politik bedingungslos und lobbyistenorientiert unterstützt. Nicht nur aus Taktlosigkeit, sondern auch genau aus diesem Grund wurde Snowden hier kein Asyl gewährt. Welche Verlogenheit!

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