Nach SkandalenPornhub wechselt Eigentümer und startet Charme-Offensive

Jahrelang stand Pornhub in der Kritik. Ein neuer Eigentümer soll dem Porno-Imperium jetzt helfen, aus den negativen Schlagzeilen zu kommen. Die Firma heißt „Ethical Capital Partners“, trumpft mit einem diversen Beirat auf – und kommt wie aus dem Nichts.

Screenshots zeigen das Logo von Pornhub und von Ethical Capital Partners. Ein weiterer Screenshot zeigt die führenden Köpfe des neuen Pornhub-Eigentümers.
Die neuen, führenden Köpfe hinter Pornhub – Logo: Pornhub; Screenshots: ethicalcapitalpartners.com; Montage: netzpolitik.org

Steht ein Konzern in der Kritik, gibt es vor allem zwei Strategien: Kopf in den Sand – oder Flucht nach vorn. Pornhub, eine der drei größten Pornoseiten der Welt, setzt inzwischen auf letzteres. Nachdem die alte Chef-Etage schon im vergangenen Sommer ihre Posten geräumt hatte, wechselt Konzern-Mutter Mindgeek jetzt auch den Besitzer.

Zuvor gehörte Mindgeek dem öffentlichkeitsscheuen Investor Bernd Bergmair aus Österreich. Dass Bergmair überhaupt existiert, konnten erst investigative Recherchen von Journalist*innen ans Tageslicht bringen. Verschwiegen waren auch die anderen Mindgeek-Bosse, Feras Antoon und David Tassilo. Sie äußerten sich erst zu den Vorwürfen, als das kanadische Parlament sie zu einer Anhörung vorlud.

Die Geheimniskrämerei war für Pornhub nicht gerade dienlich. Immerhin stand der Konzern international in der Kritik, weil auf der Pornoplattform Aufnahmen sexualisierter Gewalt kursierten, teilweise zeigten sie Minderjährige. Es folgte eine breite Empörungswelle: eine Anti-Pornhub-Petition sammelte mehr als zwei Millionen Unterschriften; Politiker*innen planten strengere Gesetze; Kanzleien feuerten Klagen gegen den Konzern ab – und Zahlungsdienstleiter wie Visa und Mastercard verweigerten Pornhub ihre Dienste.

Seitdem versucht Pornhub, die Krise hinter sich zu lassen, und zwar mit mehr Transparenz. Das zeigt sich auch beim neuen Eigentümer, der die Konzern-Mutter Mindgeek übernommen hat. Die Firma „Ethical Capital Partners“ (ECP) legt auf ihrer Website das sechsköpfige Führungsteam rund um den Vorsitzenden Rocco Meliambro offen. Der Geschäftsmann Meliambro war zuvor im Cannabis-Geschäft tätig.

Geradezu mit dem Holzhammer macht ECP deutlich, dass alles mit rechten Dingen zugehen soll. Das zeigt schon das erste Wort im Namen des Unternehmens: „ethical“. Passend dazu heißt es auf der Über-uns-Seite, bei dem Unternehmen komme Ethik „zuerst“. ECP schreibt, Mindgeek sei weltweit führend in Sachen Sicherheit und Inhaltsmoderation.

Forscher*innen und Bodybuilderin im Beirat

ECP hat sich zudem einen Beirat aus sechs Expert*innen verpasst. Dazu gehört etwa Leah West, die als Assistenzprofessorin an der kanadischen Carleton Universität zu internationalen Beziehungen forscht. Valerie Webber von der kanadischen Dalhousie Universität hat mehrere Paper über Sexarbeit und Sexualität verfasst. Ein weiteres Mitglied ist Kortney Olson, die als Bodybuilderin bekannt ist und sich unter anderem für Empowerment von Mädchen und Frauen einsetzt.

In der Pressemitteilung zur Mindgeek-Übernahme durch ECP sind auch die bisherigen Transparenzberichte von Pornhub verlinkt. Der erste dieser Berichte für das Jahr 2020 war noch wenig aufschlussreich. Es fehlten etwa genaue Zahlen zu nicht-einvernehmlichen Uploads – dabei war genau das der Anlass für die weltweite Kritik. Inzwischen hat Pornhub nachgebessert und schlüsselt das genauer auf.

Demnach hat Pornhub laut aktuellem Bericht im Vorjahr insgesamt 8.730 Videos und 4.591 Fotos gelöscht, weil sie als nicht-einvernehmlich eingestuft wurden. Rund 87 Prozent davon wurden nach Hinweisen von Nutzer*innen gelöscht, rund 13 Prozent hat die Plattform selbst entdeckt. Separate Zahlen gibt es für Aufnahmen, die Minderjährige zeigen: Hier wurden laut Bericht 3.604 Videos und 5.984 Fotos im Laufe des Jahres gelöscht, rund 79 Prozent habe Pornhub selbst entdeckt. Der Konzern legt nun auch offen, wie neue Uploads maschinell und menschlich überprüft werden. Zum Einsatz kommt demnach Erkennungstechnologie von unter anderem Microsoft, Google und Thorn.

Die Botschaft hinter all diesen Bemühungen ist klar: Pornhub will der Saubermann der Porno-Branche sein. Die mächtigen Menschen hinter den Kulissen sind nicht mehr eine Clique aus kamerascheuen Männern, sondern ein diverses Team, das sich offen präsentiert. Dahinter steckt wohl auch eine ausgeklügelte PR-Strategie: Die Bekanntgabe der Mindgeek-Übernahme folgt nur einen Tag nach der Veröffentlichung einer Netflix-Doku über Pornhub.

Umwälzung für die Porno-Branche

Die neue Offenheit unterscheidet Pornhub maßgeblich von seinen zwei mächtigsten Konkurrenten: der weltgrößten Pornoseite XVideos aus Tschechien sowie xHamster aus Zypern. Beide Plattformen setzen vor dem Hintergrund internationaler Kritik auf die Strategie „Kopf in den Sand“. Die Identität der Männer hinter xHamster wurde erst 2021 durch eine Recherche von NDR und SPIEGEL bekannt. Und XVideos-Chef Stéphane Pacaud ist ein Phantom, von ihm gibt es kein bekanntes Bild im Netz.

Die Transparenz-Offensive von Pornhub könnte eine Weichenstellung dafür sein, wie sich Porno-Plattformen künftig selbst regulieren und mit der kritischen Öffentlichkeit umgehen. Pornografie ist eine der prägendsten Unterhaltungsindustrien im Netz, Seiten wie die von Pornhub sind die meistbesuchten der Welt.

Noch lässt sich allerdings schwer beurteilen, was von den Umwälzungen bei Mindgeek Substanz hat und wie viel bloßer Schein ist. Das Unternehmen „Ethical Capital Partners“ kommt praktisch aus dem Nichts. Auch wenn sich ECP auf der eigenen Website für seine „Erfahrung“ lobt, ist die Website brandneu. Die erste Spur der Seite im Internet-Archiv stammt von gestern, dem 16. März 2023. Die Firma selbst ist immerhin seit dem 21. Dezember 2021 in Kanada registriert.

Und die Transparenz hat ihre Grenzen: Zu den Kosten des Mindgeek-Kaufs verrät ECP nichts, wie unter anderem die Nachrichtenagentur Reuters berichtet. Eine entscheidende Frage wird auch sein, inwiefern der divers besetzte Beirat tatsächlich Einfluss auf die Plattform hat.

4 Ergänzungen

    1. Das ist eine berechtigte Frage, eine Antwort findest du in diesem Text: „Die Transparenz-Offensive von Pornhub könnte eine Weichenstellung dafür sein, wie sich Porno-Plattformen künftig selbst regulieren und mit der kritischen Öffentlichkeit umgehen. Pornografie ist eine der prägendsten Unterhaltungsindustrien im Netz, Seiten wie die von Pornhub sind die meistbesuchten der Welt.“

    1. In diesem Artikel geht es mal nicht um NCOSE und Exodus Cry, ich halte es nicht immer für angemessen, diesen Gruppierungen eine Bühne im Zuge der Berichterstattung zu geben. Grundsätzlich berichten wir immer wieder sehr ausführlich über den „war on porn“, ich empfehle dazu unter anderem https://netzpolitik.org/2022/pornhub-vs-instagram-das-steckt-wirklich-hinter-dem-streit-um-die-account-sperre/ und https://netzpolitik.org/2022/kommentar-gebt-den-porn-frei/ und jüngst https://netzpolitik.org/2023/netflix-doku-money-shot-tiefe-einblicke-in-die-skandale-von-pornhub/.

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