Künstliche IntelligenzDie schöne neue Welt der virtuellen Influencer

Eine neue Generation von Influencer:innen mischt weltweit die Szene auf. Die Sache ist nur: Es gibt sie nicht wirklich. Sie entstehen am Computer, haben zigtausende Follower und verwischen die Grenze zwischen Fiktion und Wirklichkeit.

Frau auf Schaukel vor Meer.
Bildgeneratoren schaffen exakt die Ästhetik, die echte Influencer mühevoll inszenieren. – Public Domain generiert mit Midjourney / Prompt: „woman on green palm tree at Tulum Beach, instagram style, from back, photorealistic“

Eine schaukelnde Frau, von hinten fotografiert, Palmen, ein Traumstrand, türkisblaues Meer. Das Bild kommt bekannt vor. Doch weder die Frau, noch die Schaukel, noch die Palme, noch den Traumstrand gibt es. Das Foto ist in einem Rechenzentrum entstanden, in weniger als einer Minute generiert, es ist nicht einmal nachbearbeitet – und sieht dennoch verblüffend echt aus.

Mit der sich beständig verbessernden Qualität und immer leichteren Verfügbarkeit von generierten Bildern entsteht ein Phänomen: Influencer:innen, die es gar nicht gibt. Sie haben Profile bei Instagram, Twitter/X und TikTok und Tausende von Followern. Ebenso gibt es auf Twitch und YouTube immer mehr so genannte VTuber, die virtuelle Charaktere für ihre Kanäle nutzen. Während die Werbebranche sich über neue Monetarisierungsmöglichkeiten freut, stellen sich ethische Fragen.

Virtuelle Figuren als Werbeträger, Musiker:innen und Stars sind nicht ganz neu. Im Jahr 1985 schminkte man allerdings einen Schauspieler noch so, dass er wie der Computer-generierte Moderator Max Headroom aussah – weil die Animation technisch noch nicht so weit war. Die 1998 gegründete Band „Gorillaz“ hingegen setzte auf Comicfiguren. Sie hat in den letzten 25 Jahren Millionen Platten verkauft. Doch diese Frühformen virtueller Influencer waren entweder Schauspieler oder händisch und handwerklich am Computer generierte Avatare und klar als solche zu erkennen.

Gorillaz Pressebild
Die Band Gorillaz, einst als Nebenprojekt von Blur gestartet, sind heute erfolgreicher als Blur. - Alle Rechte vorbehalten Warner Music

Heute haben die Markenbotschafter:innen nicht mehr den Look eines „Robert T-Online“, der als pseudofuturistischer Markenbotschafter noch aufwendig vor dem Greenscreen produziert wurde. Sie passen sich perfekt ein in die Ästhetik der Social-Media-Welt, denn die Trainingsdaten der Bildgeneratoren voll von dem, was wir von Instagram kennen. Ein Stil, der uns in seiner Gleichförmigkeit gut vertraut ist.

Nur einen Mausklick entfernt

Heute braucht es nur etwas Kreativität und den richtigen Befehl (Prompt) bei einem Dienst zur Generierung von Fotos. Dazu ein bisschen technisches Know-How, wie man die immer gleiche Influencer:in generiert und vielleicht ein bisschen Photo-Shop für die professionelle Nachbearbeitung. Fertig ist die meist stereotype Schönheit und das perfekte Leben an den magischsten Orten der Welt. Auch wenn das alles gar nicht existiert.

Während 2019 Influencer:innen noch die Schönheit von magischen Orten zur austauschbaren Massenkultur inszenierten, braucht es nun weder den echten Influencer noch einen vermeintlich magischen Ort wie Tulum, der seinen Tourismus auf Instagrammability getrimmt hat. Instagrammability entsteht jetzt im Computer.

Die Banalität des Besonderen

Das Aufkommen von Fakes hatte sich mit immer besseren Filtern und einer Bildbearbeitung, welche die Fotos künstlich aufwertete, schon vor ein paar Jahren angekündigt, als Influencer:innen beispielsweise den Himmel ihrer Fotos mit „Sky Control“ noch aufregender drehten. Doch nun geht es nicht mehr darum in den Himmel ein paar schönere Wolken hereinzufaken, denn der Himmel im Hintergrund kann einfach generiert werden – wie auch die Person, die im Vordergrund steht. Nichts muss mehr echt sein, um echt auszusehen.

Weltweites Phänomen

Das Phänomen der neuen virtuellen Influencer startete in Asien und den USA und hat mittlerweile weltweit Fuß gefasst. Die Werbebranche sieht einen Trend und geht von zweistelligen jährlichen Wachstumsraten des Marktes aus. Nadja Enke, die an der Uni Leipzig zu Influencer:innen forscht, sieht die Bedeutung etwas nüchterner. Das Thema ploppe immer wieder auf und sei auch noch nicht gut erforscht. Dennoch sei klar: „Es ist kein Massenphänomen und wird auch in Zukunft eher komplementär zu den echten Influencern stehen.“ Die Stärke der virtuellen Influencer:innen sei die technische Innovation und das derzeit noch Besondere einer virtuellen Person. „Das Phänomen wird befeuert durch den Trend der Künstlichen Intelligenz, den wir erleben“, sagt Enke weiter.

Eine der virtuellen Influencerinnen ist die indische fiktive Person „Kyra“. Der Account hat mehr als 250.000 Follower auf Instagram seit dem Start im letzten Jahr gesammelt. Er setzt immer wieder Akzente zu realen Ereignissen: Zum Nationalfeiertag zeigt sich die Influencerin mit Nationalfahne, zur Fußballweltmeisterschaft im Trikot von Lionel Messi. Der Account, der von FutrStudios betrieben wird, zeigt, dass mit virtuellen Influencerinnen tatsächlich auch Werbeeinnahmen generiert werden können: Auf Kyras Account findet sich Werbung unter anderem für Rollkoffer, eine Smartwatch und ein Handy.

Als „Erstes Digitales Supermodel“ stellt sich hingegen „Shudu“ vor, deren Instagram-Account generierte Hochglanz-Model-Bilder mit Anmutungen von Grace Jones bringt. Mehr als 240.000 Menschen interessieren sich für die Inhalte, die von der virtuellen Modelagentur „The Diigitals“ erstellt werden. Auf deren Webseite werden dann auch „Shootings“ für bekannte Marken wie BMW gezeigt, sowie eine Reihe anderer weniger bekannter, aber auch männlich-gelesener virtueller Models.

Modefotos
Eine Agentur vermarktet „Shudu“ als erstes digitales Supermodel. - Screenshot: Shudu Instagram

Zu den bekannten virtuellen Influencerinnen gehört auch „imma aus Tokio“. Fast 400.000 Accounts folgen der künstlich-generierten Frau mit der pinken Bob-Frisur auf Instagram. Die Figur macht Werbung für Mode, setzt sich angeblich für den Klimaschutz ein und schreibt, dass sie gerade neue Pflanzen für ihre Wohnung besorgt hätte. Die computergenerierten Bilder sind mit Texten garniert, die so auf jedem normalen Influencer-Account stehen könnten. Es wird bewusst der Anschein eines echten Lebens erweckt.

Frau in Hocke vor Rolladen
In Japan populär: Die virtuelle Influencerin imma. - Screenshot Imma

Bei imma steht klar im Profil, dass es sich um eine virtuelle Figur handelt. Aber die fiktiven Texte und die einzelnen Bilder – unter anderem auch mit echten Personen – verwischen die Grenzen zwischen Realität und Fiktion. Der dpa sagten immas Schöpfer von Aww Inc., dass ja auch echten Influencern oft vorgeworfen werde, ein unechtes Leben im Internet zu inszenieren: „Alles, was wir online und in den Medien sehen, ist eine Erzählung. Und es ist jedermanns eigene Entscheidung, ob er es glaubt oder nicht.“

Vielleicht ist es tatsächlich diese Austauschbarkeit und Künstlichkeit der inszenierten Bilder und der Sprache, welche die Grenze zwischen echten und falschen Influencer:innen verschwimmen lässt. Wenn der Superstar unter den virtuellen Personen, Lil Miquela, mit ihren 2,7 Millionen Followern von ihrer Barcelona-Reise schwärmt, ist das kaum zu unterscheiden von echten Barcelona-Besucher:innen, die das auf Instagram inszenieren.

Die 2016 geschaffene Lil Miquela hat schon für Calvin Klein, Prada und Mini geworben. Die Figur soll laut Schätzungen ein jährliches Werbe-Potential von bis zu zehn Millionen Euro haben.

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Die große Kunst hinter solchen professionell gemachten künstlichen Influencer:innen sind nicht nur aussagekräftige Bilder und Videos, sondern vor allem eine authentisch wirkende Kommunikation. Die Menschen und Unternehmen hinter den fiktiven Personen beherrschen Sprache, Gestus und Kulturtechniken von Instagram und anderen Plattformen perfekt. Denn erst der Anschein eines echten Lebens, echter Haltungen und echter Aktivitäten zu den künstlichen Bildern führt auch wirklich zu einer Glaubwürdigkeit und Rollenbildung, die über eine reine bildhafte Körperlichkeit hinausreicht. Und erst da liegen dann vermutlich auch mögliche größere Werbegewinne oder die Nutzung der falschen Personen als Markenbotschafter:innen.

Dennoch gäbe es große Unterschiede zwischen echten und virtuellen Influencern, sagt Kommunikationswissenschaftlerin Enke. Dieser liege in den sozialen Beziehungen und den Peer-Effekten der echten Personen. „Während die Inhalte der echten Influencer auf authentische Erfahrungen setzen, haben wir es bei den virtuellen eben mit Fiktion zu tun. Es gibt keinen realen Alltag, keine echten Erfahrungen mit Produkten – und das führt zu einer anderen Rezeptionswirkung dieser Influencer bei ihren Zuschauern“, so Enke weiter.

Porno als Markt

Im Gegensatz zu den aufwendig produzierten virtuellen Influencer:innen gibt es noch eine Spielart, die vor allem auf stereotype Körperlichkeit und Erotik setzt, um Aufmerksamkeit zu erzeugen. Das Motto „Viel Haut hilft viel“ gilt in der Instagram-Aufmerksamkeitsökonomie offenbar weiterhin.

Darauf stellen beispielsweise die Macher:innen von „Milla Sofia“ ab. Die Kunstfigur hat zehntausende Follower:innen auf Twitter, Instagram und TikTok, der Account ist deutlich auf stereotype Schönheitsideale und Sexyness getrimmt. Ein weiterer Account aus diesem Genre ist Natalia Novak. Auf Twitter/X retweetet die virtuelle Influencerin ein ganzes Netzwerk weiterer virtueller wie sexualisierter Models.

Geschäftsmodell könnte hier eher der Patreon-Account sein, auf dem „Natalia“ und die anderen Models versprechen, kostenpflichtig die letzten Hüllen fallen zu lassen. Dass Natalia Novak keine echte Person ist, scheint die Kommentatoren auf Twitter nicht zu stören: Sie überschütten das virtuelle Model mit Komplimenten, Anzüglichkeiten und Date-Versuchen, auf die „Natalia“ auch teilweise antwortet. Was die Illusion oder das Spiel perfekt macht.

Screenshot mit Kompliment
Viele Nutzer erkennen nicht, dass es Natalia nicht gibt – oder spielen einfach das Spiel mit. - Screenshot Twitter/X Natalia Novak

Natalia Novak wird von einem Menschen, der sich Pierre nennt, „gemanaged“, wie er seine Tätigkeit in einem Interview mit dem Online-Magazin „Futurism“ nennt. Pierre widerspricht, dass es nur darum gehe, Männer mit seinen Bildern um ihr Geld zu bringen. „Ich denke, dass die Menschen, die so etwas tun, in der Regel einen persönlichen Ausdruck oder einen künstlerischen Wert dahinter haben, weil es eine Menge Investition und Arbeit erfordert“, sagt Pierre gegenüber Futurism. Er verweist auch darauf, dass es Menschen gäbe, die die virtuellen Influencer zum Rollenspiel nutzen würden.

Künstliche Intelligenz und Porn

Auch wenn das klassische Influencermarketing von den virtuellen Personen vielleicht nicht so stark betroffen sein wird, werden wir es in Zukunft mit mehr automatisch generierten Personen im Netz zu tun haben. Auf Seiten wie PornPen fließt ein unendlicher Strom automatisch generierter Erwachsenenbilder. Es zeigt sich, dass der Trend von virtuellen Personen im Bereich von Porno und Erotik stark einschlägt – auch abseits illegaler Deepfakes, bei denen echte Personen ohne Erlaubnis in andere Pornos eingebaut werden.

Derzeit reichen die Einschätzungen über die Zukunft der Netzerotik von „Künstliche Intelligenz ist der Tod des Pornos“ über Sorgen um eine Verdrängung und niedrigere Löhne bis zu hin zur Meinung, dass die Konsument:innen – wie bei den klassischen Influencern – eine echte Person beispielsweise auf OnlyFans sehen und unterstützen wollen.

Neben vollständig virtuellen Personen gibt es auch reale Adult Content Creators, die künstliche Intelligenz und Deepfakes für ihre Arbeit nutzen. Wie zum Beispiel Adriana Chechik, die ihre Karriere nach einer schweren Verletzung mit Hilfe von generierten Bildern fortsetzte.

Ein Treiber des Phänomens der KI-Influencer und der Szene seien tech-orientierte Männer, die „unmöglich schöne Frauen“ basteln, heißt es bei Futurism. Und da bleibt Diversität dann schnell auf der Strecke. Tatsächlich sind unter den photorealistischen Influencer:innen nur wenige männlich gelesene Charaktere, non-binäre oder trans Personen zu finden. Doch es gibt nicht nur Frauen, wie der Account Gorkamale zeigt, der mehr als 35.000 Follower hat.

Mehrere Bilder sich küssender und umarmender Männer.
Auch wenn die weiblich-gelesenen virtuellen Influencerinnen in der Überzahl sind, ist gibt auch Bilder von normschönen Männern. - Screenshot: Gorkamale

Alle hier verlinkten Beispiele machen in ihrer Bio auf unterschiedliche Weise transparent, dass es sich nicht um echte Personen handelt. Es geht in diesen Fällen nicht um Desinformation oder Täuschung. Wie viele nicht gekennzeichnete Accounts virtueller Models und Personen es gibt, lässt sich nicht schwer abschätzen. Mit immer einfacherer Verfügbarkeit der automatischen und maschinenunterstützten Erstellung von Bildern dürfte sich die Anzahl in Zukunft aber stetig erhöhen.

Werbebranche verspricht sich Kontrolle

In der Werbebranche sieht man die virtuellen Influencer als „Mikrotrend“, der „spannend für die Social-Media-Welt“ sei, wie es im Blog des Werbe-Riesen Ströer heißt. In einer Trend-Studie (PDF) beschreibt der Konzern die virtuellen Influencer als Wachstumsmarkt im digitalen Marketing. Dabei seien die Vorteile „kreierter Individuen aus Algorithmen und Pixeln“ klar:

Sie können jederzeit arbeiten, wollen kein Geld für ihre Arbeit (sondern ihre Rechteinhaber:innen) und können virtuell zu geringeren Kosten um die Welt reisen. Niemals würden sie verweigern etwas zu tun, das von ihnen verlangt wird. Sie machen kaum Fehler und haben keine ‚Macken‘, außer sie werden absichtlich designed, schließlich werden sie vollständig programmiert und gesteuert, in dem sie an die Anforderungen von Unternehmen, die mit ihnen zusammenarbeiten möchten, angepasst werden.

Durch die völlige Steuerung und Kontrolle der Inhalte sei das Risiko eines Skandals, beispielsweise in Form eines Shitstorms oder ein unvorhergesehener Verlauf der Kampagne durch äußere Beeinflussung gering, wenn die Sache denn überzeugend und künstlerisch wirkungsvoll inszeniert sei.

Darüber wundert sich die Kommunikationswissenschaftlerin Enke nicht: „Dass die Werbebranche in den virtuellen Influencern eine Chance auf mehr Kontrolle sieht, hängt damit zusammen, dass Unternehmen bei der Influencer-Kommunikation sehr viel Kontrolle abgeben mussten: Die echten Influencer:innen entscheiden häufig autonom, was in ihren Story-Flow und zu ihrer Person passt, da gibt es oftmals nur wenige Vorgaben oder Abnahmeprozesse durch die Werbepartner. Gleichzeitig färbt ein Fehlverhalten von echten Influencer:innen auf die Firmen ab.“

Gesellschaftliche Herausforderungen

Der Trend zum virtuellen Influencer ist nicht nur bei Instagram & Co. zu finden. Auch bei YouTube und Twitch gibt es immer mehr so genannte VTuber, virtuelle YouTuber, die mit nicht ihr echtes Gesicht zur Marke machen, sondern durch einen Avatar sprechen. Dass virtuelle und sehr echt aussehende Instagrammer:innen Komplimente bekommen und nach Dates gefragt werden, ist genauso ein Zeichen für das Verwischen von Illusion und Wirklichkeit wie der Trend, dass sich offenbar immer mehr Menschen in virtuelle Zeichentrick-Charaktere verlieben.

Dazu kommt, dass die immer authentischere und fotorealistische Generierung von Bildern schon heute unsere Bild- und Videorezeption verändert. Die Trennschärfe zwischen Realität und Fiktion wird kleiner. Influencer-Expertin Enke sieht das größte ethische Problem in der Transparenz. Eine Kennzeichnung im Profil eines Accounts würde von den Nutzer:innen innerhalb der Social-Media-Feeds nicht unbedingt wahrgenommen. Es stelle sich die Frage, ob die Zielgruppe überhaupt verstehe, dass sie es mit einer virtuellen Person zu tun habe.

Denn die Phänomene zeigen, dass die Rezipient:innen virtuelle Personen kaum anders behandeln als echte. Eine Generation, die mit Avataren und Computerspielen aufgewachsen ist, hat hier offenbar deutlich weniger Berührungsängste. Zu diesen Phänomenen gäbe es noch kaum Forschung, sagt Enke.

Für die Wissenschaftlerin ist klar: „Letztlich sollte für virtuelle Influencer der gleiche ethische Kodex gelten, wie für echte Influencer auch.“

Dass die virtuellen Influencer jemals die echten ablösen oder eine ernsthafte Konkurrenz werden könnten, glaubt Enke nicht. Dennoch werden wir in Zukunft immer mehr Personen sehen, die es gar nicht gibt. Ob auf dem Porno-Markt, bei Desinformationsversuchen, in der Musik oder eben in der klassischen Werbeindustrie.

Korrekturhinweis:
Wir haben im dritten Absatz korrigiert, dass Max Headroom nicht animiert war, sondern ein geschminkter Schauspieler, der wie eine animierte Figur aussehen sollte.

14 Ergänzungen

  1. > Während die Werbebranche sich über neue Monetarisierungsmöglichkeiten freut, stellen sich ethische Fragen.

    Ethik in der Werbebranche? Gibt es so was (noch)? Oder werden Ethiken in der Branche auch gefakt zur Schau gestellt? Das im Sinn folgte ich dem obigen Link zu https://www.sozphil.uni-leipzig.de/institut-fuer-kommunikations-und-medienwissenschaft/professuren/professur-fuer-strategische-kommunikation/forschungsprojekte/influencerforschung
    und fand dort unter Downloads:
    Ethikkodex Influencer-Kommunikation Ergebnisbericht Management Strategischer-Influencer-Kommunikation
    der Link für den Download: https://bvim.info/ethik/
    DNS: > drill http://www.bvim.info (versucht mit mehreren DNS-Servern)
    ;; ->>HEADER<<- opcode: QUERY, rcode: NXDOMAIN, id: 6876

    Suchmaschine: Bundesverband Influencer Marketing (www.bvim.info) location in Berlin, Germany

    Soso, ein Bundesverband mit Ethik, der aber nicht zu finden ist.

  2. Ich sehe es so: Angesichts der Tatsache, dass Social Media bereits vorher schon vor Künstlichkeit nur so strotzte, sollte man sich nicht wundern, wie leicht sich diese Inhalte mit KI „originalgetreu“ nachbauen lassen.

    Als weiteres Kapitel im Bereich „virtueller“ Stars, lange bevor es VTuber oder gar KI gab, wäre noch Vocaloid zu nennen. Wer es nicht kennt: Das ist eine Software aus Japan, mit der man künstlichen Gesang erzeugen kann, wobei dafür die Stimmen echter Sängerinnen und Sänger aufgenommen und in Datenbanken gesammelt wurden. Auch da stecken hinter der Musik nach wie vor echte Musikerinnen und Musiker, aber sie wird nicht mit ihnen, sondern mit den Vocaloids assoziiert, die in den meisten Fällen auch Avatare im typischen Manga-/Anime-Stil spendiert bekommen haben und von denen Hatsune Miku die mit Abstand bekannteste ist. Deren Popularität geht so weit, dass schon seit über 10 Jahren regelmäßig Konzerte veranstaltet werden, in denen man sie u. a. mittels Hologramm-Projektion vor Live-Publikum auftreten lässt. Und während außerhalb Japans die meisten J-Pop-Idolgruppen kaum bekannt sind (ganz im Gegensatz zu K-Pop), sind viele, die sich im Internet bewegen, zumindest irgendwann schon einmal über Hatsune Miku gestolpert.

    Auch das Problem parasozialer Beziehungen zwischen Kunde und Kunstfigur wird im J-/K-Pop besonders deutlich sichtbar, dort sind diese so fester Bestandteil des Geschäftsmodells (solche Fans kaufen mehr Produkte), dass den Idols häufig vertraglich untersagt ist, z. B. privat eine Beziehung zu führen, um solche „Fans“ nicht vor den Kopf zu stoßen – eine Praxis, die in der Vergangenheit schon mehrfach zu Skandalen geführt hat. Und in dem Punkt muss ich solche Kunstfiguren tatsächlich als positiven Fortschritt wahrnehmen: Für echte Idols hat das immer wieder psychisch und auch körperlich schlimme Folgen; einer Hatsune Miku dagegen kann es egal sein, wie viele Fans sich für ihren „Ehemann“ halten.

    1. Solch ein Phänomen würde es im Westen deutlich schwerer haben. In der asiatischen Kultur, insb. in der japanischen, werden auch leblosen Gegenständen eine Seele zugesprochen. Deshalb ist es für viele nicht „merkwürdig“. Der Westen entdeckt dieses Phänomen erst wirklich und streitet darüber, ob Fiktophilie als Sexualität aufgenommen werden soll.

      In Japan zieht sich das aber wirklich über die gesamte Gesellschaft und zwar soweit das die japanische Umweltbehörde ihre Bürger zu einem klimafreundlicherem Leben motiviert hat indem sie zwei Mangafiguren als Maskottchen eingeführt haben. Im Westen stoß das auf die übliche Twittergemeinschaft auf Widerstand, weil die Charaktere Jung aussahen. Solch ein Phänomen gibt es allerdings auch in Taiwan, welche bspw. eine Fluglinie besitzen die komplett auf Hello Kitty basiert, oder aber China mit ihren Manhuas.

  3. Es braucht schon eine gute Portion Ignoranz, um Werbung als unterhaltsam wahrzunehmen, ohne die Manipulation zu bemerken.

    Das Werbung [als solche wahrgenommen] nicht zu trauen ist, hat sich mittlerweile herumgesprochen. Selbst Gutgläubige/Naive bemerken, wenn sie angeschmiert wurden, allerdings immer zu spät. Deswegen betreibt die Werbebranche viel Aufwand, um die Forschung im Bereich Persuasive Kommunikation für ihre Zwecke zu nutzen.

    Rationalität der Menschen ist für die Werbung fast immer störend, daher soll Emotionalität an deren Stelle gebracht werden. Das Zauberwort in der Werbepsychologie ist Persuasionswissen. Wissen, also wie man seine Werbeopfer durch geschickte Manipulation „rumkriegt“, um es salopp auf den Punkt zu bringen.

    Durch allgegenwärtige Werbung stumpfen Menschen ab, Werbung wird weniger wirksam, und da braucht es eine Erweiterung des Persuasionswissens mittels credibility [Glaubwürdigkeit].

    Wenn z.B. Jugendliche gegenüber den Eltern die Rolläden herunter gelassen haben, weil sie auf der rationalen Ebene nerven, dann werden sie umso empfänglicher für das, was die Peergruppe emotional so bietet, inklusive Effekte wie Gruppenzwang.

    Influencer [generisch] können der Werbebranche also eine spezifische Erweiterung ihres Persuasionswissens bringen: Noch subtilere Persuasion [beschönigend für Manipulation] und noch effektiveres Targeting.

    Dieser Wissenstransfer von Influencern zu gierigen, mächtigen Werbekraken ist fast schon abgeschlossen. Die finanzstarke Branche wird sich zunehmend aus ihrer Abhängigkeit von doch auch unzuverlässigen Influencern mittels Technologie befreien.

    KI-optimiertes Targeting und KI-Influencing freilich werden noch schneller für Überdruss bei den Targets [Menschen] führen und zu Reaktanz führen [Rolladen runter].

  4. „Dennoch werden wir in Zukunft immer mehr Personen sehen, die es gar nicht gibt. Ob auf dem Porno-Markt, bei Desinformationsversuchen, in der Musik oder eben in der klassischen Werbeindustrie.“

    Wir sehen seit langem jede Menge Personen, die es garnicht gibt: im Theater, Literatur, Film, Werbung, Politik, Wirtschaft. Überall wird (auch) dargestellt, spielt jemand eine erdachte Rolle oder ist vollständig erdacht.

    Das ist kulturhistorisch jetzt nicht so neu. Und wer auf Video und Bilder abhebt: die gibt es generell oder in guter Qualität noch nicht so lange, und früher wurde auch gefaked und geglaubt, oder eben auch nicht.

  5. „Künstliche Intelligenz ist der Tod des Pornos“ ist ein ziemlich dämliche Aussage, denn Pornographie ist nicht dadurch definiert, dass reale Personen gezeigt werden. Lange bevor es Photographie gab, gab es schon Pornographie und zwar in Form von gemalten Bildern und auch heute gibt es immer noch pornographische Comics und pornographische Videos aus 3D Render Software gibt es doch auch schon ewig. Das einzige was sich hier ändert, ist dass der Computer jetzt nicht nur das Bild erzeugt, sondern auch über dessen Inhalt entscheidet, während das bisher immer noch ein Mensch mit diversen Mausklicks hat tun müssen. KI ist nicht der Tod des Pornos, KI wird zu mehr Pornographie als jemals zuvor führen, weil sie jetzt schneller, einfacher und billiger produziert werden kann und man dafür nicht mal mehr Menschen finden muss, die da mitmachen.

  6. Das was mit Schminke, Photoshop, künstlichem Licht und Leinwänden schon lange gibt wird jetzt nur einfacher und schont dazu noch die Umwelt :)

  7. Das ganze Internet voller Nachmachaffen ? Ein Zeitlang fand ich die Yourtube Anleitungen noch toll. Es gibt immer noch ein paar gute Macher. Aber nach 5 Minuten Eigenlob, 4 Minuten für den Hauptsponsor kommt das Produktwerbung nach dem Motto: „Da muss ich schwer atmen, dieser Wind war der verdaute Burger von …..“
    Inhalt ist gleich null. Und da ich mir die Namen eh nicht merken kann. Vorgetragen von irgendwem.

    Früher gab es Jean Pütz einmal die Woche, das war aber kaum besser

  8. „Tatsächlich sind unter den photorealistischen Influencer:innen nur wenige männlich gelesene Charaktere, non-binäre oder trans Personen zu finden.“
    Zu deser Aussage hätte ich gerne mal einen Philosophen gehört. Eine fiktionale Figur ist doch zwangsläufig kein Mann oder keine Frau, sondern sieht nur so aus, wie wir glauben dass man so auszusehen hat. Und wie soll eine solche Figur denn Trans sein?

      1. > Da geht es meines Erachtens schon darum, wie die Person von außen gelesen wird.

        Vielleicht auch, ist aber zu einfach für einen komplexeren Zusammenhang. Bei Bildern ist es kaum anders als bei Texten, denn die Interpretationsleistung liegt beim Betrachter. Wie Betrachter interpretieren hängt davon ab, wie sie mental vorstrukturiert sind. Ist es ein Mann? Ist es eine Frau? Darauf sind wir so gut trainiert, dass dies fast immer im Millisekundenbereich reflexartig „richtig“ entschieden wird und keine Leistung ist, die eine Anstrengung erfordert.

        Bei KI-Photorealismus sind folgende Fragen von Interesse:
        a) Was will der KI-Benutzer von der KI dargestellt bekommen?
        b) KI hat von Kultur Null Ahnung und arbeitet mit Wahrscheinlichkeiten, trainiert von humanen bildungsfernen Bilderkennern (Clickworker) unter Bedingungen maximaler Ausbeutung.
        c) welche KI-Vorschläge wählt der KI-Benutzer aus, und warum?

        Die Hinterfragung geschlechtlicher Kategorien hat zu einem heftigen Kulturkampf geführt. Zu welchen veränderten(?) KI-Outputs führt das? Spielt die ideologische Ausrichtung von KI-Betreibern/Programmierern/Besitzer und deren Stakeholder mehr Einfluss auf die modellierte Abbildung dieses Kulturkampfs oder die Selektion(!) von Clickworker, die für KI kategorisieren?

  9. Da es hier um „Influencing“ geht, muss über die Absichten des Influencing nachgedacht werden. Wer macht es, zu welchem Zweck, zu wessen Vorteil? Und was soll der Betrachter („von außen“) lesen?

    Welche subtilen Botschaften sollen im Hirn von Betrachtern ankommen, und bei genügend Wiederholungen Veränderungen im Denken bewirken. KI-Influencing ist ein probates Wirkmittel zur Beeinflussung derer, die sich dem (bereitwillig?) aussetzen.

    Neben dem Einsatz zur Förderung des Konsums lassen sich aber auch andere „Botschaften“ senden, wie Ressourcen-Neid, Identitäts-Zugehörigkeit, Gewalt-Toleranz, Ausgrenzung anderer.

    Zu erwarten ist eine Beschleunigung gesellschaftlicher Veränderungen. In welche Richtung das gehen wird, wird wohl auch davon abhängen, wie viele unterschiedliche KI-Systeme konkurrierend als Wirkmittel ihre Kraft entfalten werden.

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