DatenrechercheZwei von drei Termin-Anfragen bei Berliner Bürgerämtern scheitern

Einen Termin bei den Berliner Bürgerämtern zu erhaschen, kostet Zeit und Nerven. Unsere Datenrecherche zeigt das Ausmaß des Termin-Mangels – und zu welchen Tageszeiten es die meisten Termine gibt.

Illustration im Bauhaus-Stil. Sachbearbeiterin am Schreibtisch.
– CC0 DALL-E-3 (office worker in public administration 90ies, bauhaus style, reduced minimalist geometric shape); Bearbeitung: netzpolitik.org

Früher oder später müssen wir alle mal zum Bürgeramt – sei es nach einem Umzug, wenn der Personalausweis abläuft, oder weil das Kleinkind noch nicht biometrisch erfasst ist. Anwohner:innen müssen oft eine Menge Geduld mitbringen, um dafür an einen Termin zu kommen. So berichteten es auf unsere Anfrage hin auch zahlreiche Berliner:innen.

Das haben wir zum Anlass genommen, die Terminsuche bei den Berliner Ämtern genauer zu untersuchen. Wir haben einen kleinen Bot geschrieben, der bei der Website anfragt, wann die nächsten Termine frei sind. Wenn ein Termin angeboten wird, klickt der Bot sich durch die nächsten Schritte, hoffentlich bevor jemand anderes den Termin wegschnappen kann. Natürlich bucht der Bot nichts und gibt reservierte Termine sofort wieder frei.

Um die Server nicht zu sehr zu strapazieren, führt der Bot diese Suche alle fünf Minuten durch. Menschliche Nutzer:innen müssen hingegen zwischen ihren Suchläufen eine Minute warten. Dieser Bot hat zwei Wochen lang, zwischen dem 9. und 24. September 2023, nach Terminen gesucht. In der ersten Woche für die Anmeldung einer Wohnung, dann für die Beantragung eines neuen Personalausweises. Die Ergebnisse beider Durchläufe waren sich so ähnlich, dass wir sie im Folgenden zusammen auswerten.

Die Beantragung von Personalausweisen und Pässen sowie die Anmeldung einer Wohnung sind besonders zeitkritische Behördengänge. Dafür stellen die Berliner Bürgerämter zusätzliche Termine bereit. Diese ‚Vorzugstermine‘ stellen in unserer Recherche über 60 Prozent der insgesamt angebotenen Termine dar, weshalb die Suche nach einem Termin für andere Leistungen noch einmal deutlich zeitaufwändiger sein dürfte. Doch trotz dieses Zusatzaufgebotes zeichnet sich ein recht klares Bild davon ab, wie mühselig die Suche nach einem Behördentermin für Berliner:innen ist.

In zwei Stunden oder lieber in zwei Monaten?

Unser Bot hat insgesamt bei etwa jedem dritten Versuch einen Termin gefunden. Das heißt, bei zwei von drei Versuchen kam nichts raus: Nutzer:innen würden in dem Fall angezeigt bekommen, dass schlicht kein Termin verfügbar ist. Die Erfolgsquote hat sich allerdings gegenüber einem ähnlichen Experiment aus dem Jahr 2021 mehr als verdoppelt. Leider liegt die Mehrheit der vorgeschlagenen Termine zu denkbar ungünstigen Zeiten.

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Wenn Nutzer:innen einen der begehrten freien Termine finden, müssen sie entweder sehr spontan sein oder viel Geduld haben. Etwa ein Viertel der Termine liegt noch am selben Tag, nicht selten nur zwei Stunden nach dem Zeitpunkt der Suche. Da wir unsere Suche nicht nach Bezirken eingeschränkt haben, bedeutet das, dass diese Termine auch am anderen Ende der Stadt liegen können. Dann wären sie für manche wohl nur schwer wahrnehmbar.

Gut die Hälfte der Termine wiederum liegt zwischen zwei Wochen und zwei Monaten in der Zukunft. Die Daten legen nahe, dass Termine frühestens zwei Monate im Voraus freigeschaltet werden. Somit liegt nur weniger als ein Viertel der gefundenen Termine innerhalb der nächsten zwei Wochen.

Große Unterschiede zwischen den Bezirken

Die angebotenen Termine sind darüber hinaus sehr ungleichmäßig auf die Berliner Bezirke verteilt. In einigen Bezirken werden im Verhältnis zur Einwohnerzahl deutlich weniger Termine angeboten. Wer dort wohnt, muss häufiger lange Anfahrtszeiten in Kauf nehmen.

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Pankow stellte in unserer Analyse das Schlusslicht dar, mit nur 363 angeboteten Terminen auf mehr als 400.000 Einwohner:innen. Sehr gering war die Termindichte auch in Spandau, Reinickendorf und Treptow-Köpenick. Die Bürgerämter in Tempelhof-Schöneberg waren dagegen Spitzenreiter und haben während unserer Recherche im Vergleich zu Pankow knapp zehn Mal so viele Termine pro Einwohner:in in ihrem Bezirk bereitgestellt. Hier waren es 2.833 Termine auf etwa 355.000 dort lebende Menschen.

Der Senat versucht gegenzusteuern

Der Berliner Senat hat angekündigt, diesem Ungleichgewicht entgegenzuwirken. In Spandau und Marzahn-Hellersdorf sind neue Bürgerämter geplant, die voraussichtlich im nächsten Jahr öffnen sollen. Ein neuer Standort in Pankow, sowie eine Ausweitung der Kapazitäten in Treptow-Köpenick sind ebenfalls in Planung, werden aber nicht vor 2025 bereitstehen. Damit sollen die Kapazitäten in einigen der am schlechtesten versorgten Bezirke ausgeweitet werden.

Der Senat hat außerdem 100 neue Stellen bewilligt, mit denen diese neuen Bürgerämter besetzt werden sollen. Jedoch leiden die Berliner Behörden ohnehin schon seit einiger Zeit an Personalmangel. Aktuell sind bereits einige Dutzend Stellen vakant (Paywall), welche laut Staatssekretärin Martina Klement voraussichtlich nicht mehr in diesem Jahr besetzt werden können. So bleibt offen, ob das Personal für die neuen Bürgerämter rechtzeitig da sein wird, um die Situation zu entspannen.

Digitale Angebote sollen die Bürgerämter entlasten

Der Berliner Senat versucht außerdem, den Bedarf an Vor-Ort-Terminen zu reduzieren, indem einige Dienstleistungen digital angeboten werden. Den Anfang macht hierbei die Meldebescheinigung, die seit kurzem online beantragt werden kann.

Im November sollen außerdem Tests für die elektronische Wohnsitzanmeldung in Berlin anlaufen. Der Dienst wird laut einem Sprecher der Senatskanzlei im ersten Quartal des kommenden Jahres anlaufen. Jedoch werde dieser Dienst ausschließlich für Single-Haushalte angeboten.

Bürger:innen müssen außerdem für beide Dienste ihre Identität per Ausweis-eID nachweisen. Die Funktion des elektronischen Personalausweises hat sich jedoch nach wie vor kaum durchgesetzt. Laut einer Untersuchung der Initiative D21 aus diesem Jahr haben lediglich 14 Prozent der Befragten schon einmal die Online-Funktion ihres Ausweises verwendet.

14-Tage-Ziel außer Reichweite

Bereits die vorherige Berliner Landesregierung ist an dem Vorhaben gescheitert, Termine für alle innerhalb von 14 Tagen anzubieten. Die schwarz-rote Koalition hat sich dieses Ziel erneut gesetzt. Laut einem Sprecher des Senats werden aktuell rund 61 Prozent der etwa 2,4 Millionen Termine bereitgestellt, die dazu jährlich nötig wären. Das sind immerhin rund 50 Prozent mehr Termine als noch im Vorjahr.

25 Berliner*innen berichten, wie sie Termine beim Bürgeramt ergattern

Das 14-Tage Ziel ist darüber hinaus recht vage formuliert. So erfasst der Senat nach eigenen Angaben nicht, wie häufig die Nutzer:innen die Terminsuche im Service-Portal aktualisieren müssen, bis sie einen baldigen Termin vorgeschlagen bekommen. Unser Bot konnte beispielsweise bei etwa jedem zwölften Versuch einen Termin in den nächsten zwei Wochen abgreifen – für einen Menschen würde das im Mittel eine knappe Viertelstunde Klickarbeit bedeuten.

Außerdem ist das Ziel nicht auf Bürgerämter in der Nähe beschränkt, sondern gilt für die Suche in ganz Berlin. Laut einem Sprecher der Senatskanzlei habe die regelmäßige Kundenbefragung in den Bürgerämtern „bisher hinsichtlich der Wegezeiten keine Kritik der Bürgerinnen und Bürger ergeben“. Uns gegenüber haben sich jedoch mehrere Leser:innen über dieses Problem beschwert.

Einen Termin bei den Berliner Bürgerämtern zu bekommen, bleibt für viele weiterhin zeitaufwändig und frustrierend. Jedoch hat sich die Situation im Vergleich zu den letzten Jahren merklich entspannt und der Senat nimmt sich des Problems an. An den Systemen für die Terminbuchung wird außerdem fortlaufend gearbeitet. Erfreulicherweise werden immer mehr Komponenten davon Open Source.

Wie ihr mit ein paar Kniffen möglichst frustfrei an einen Termin kommt, erklären wir in unserem Service-Artikel. Die Ergebnisse unseres Bots und die Methodik hinter unserer Recherche findet ihr außerdem auf GitHub.

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3 Ergänzungen

  1. Bei den neu geschaffenen erwähnten digitalen Behördenleistungen, braucht es dafür nur den ePerso oder wurde ein Zwangsumweg über eine anzulegende BundID gewählt?

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