Ein belarussisches Gericht hat am vergangenen Freitag den russischen Wikipedia-Bearbeiter Mark Bernstein zu drei Jahren Hausarrest verurteilt. Das berichtet die belarussische Nachrichtenseite Mediazona. Er war angeklagt worden, weil er sich an einer gegen die öffentliche Ordnung verstoßenden Gruppe beteiligt haben soll. Das Urteil entsprach der Forderung der Staatsanwaltschaft. Bernstein wurde bis zum Urteil in Haft gehalten und im Gericht freigelassen. Er schrieb auf seinem Facebook-Account: „Ich bin draußen. Körperlich und geistig gesund. Vielen Dank für Ihre Unterstützung.“
Bernstein hatte nach dem Angriff auf die Ukraine am russischsprachigen Wikipedia-Artikel zur Invasion mitgearbeitet. Ein kremlnaher Telegram-Kanal veröffentlichte persönliche Informationen über ihn, unter anderem seinen Wohnort in der belarussischen Hauptstadt Minsk. Eine belarussische Sicherheitsbehörde nahm Bernstein daraufhin am 11. März fest. Schon vor seiner Festnahme zählte Bernstein zu den bekanntesten russischen Wikipedianer*innen. Nach der Zahl seiner Bearbeitungen gehört er zu den Top 50, er hat bei mehr als 200.000 Artikeln mitgearbeitet.
Ein anderes belarussisches Gericht verurteilte laut Bericht von Mediazona bereits am 7. April den Wikipedia-Editor Pavel Pernikov zu zwei Jahren Haft. Er hatte auf Wikipedia Informationen über Menschenrechtsverletzungen der Regierung hinzugefügt, unter anderem über Repressionen gegen unabhängige Medien. Mit seinen Bearbeitungen habe er die Republik Belarus diskreditiert, urteilte das Gericht.
Wikipedia-Administrator*innen hatten im Dezember bereits seinen Account gesperrt, nachdem damit regierungskritische Passagen aus mehreren Artikeln entfernt worden waren. Die Administrator*innen vermuteten, dass Sicherheitskräfte Zugang zu dem Account erlangt hatten. Die belarussische Menschenrechtsorganisation Viasna stuft Pernikov und Bernstein als politische Gefangene ein.
Neues Level an Repression
Die Verurteilungen markieren einen Höhepunkt russischer und belarussischer Repression gegen Wikipedia. Schon vor der Invasion in der Ukraine hatten russische Behörden der Wikimedia Foundation, die Wikipedia betreibt, wiederholt mit Sperren und Geldstrafen gedroht. Sie beanstanden eine ganze Liste an Artikeln zu Themen wie Drogen, Waffen oder Suizid. Inzwischen betrifft die Mehrheit der Artikel auf der Liste die Invasion der Ukraine. Direkte Repressionen gegen Autor*innen hatte es bis Anfang März aber nicht gegeben.
Die Editor*innen der russischen Wikipedia haben inzwischen verschiedene Maßnahmen gegen mögliche Verfolgung getroffen, so werden zum Beispiel die IP-Adressen von nicht angemeldeten Autor*innen nicht mehr veröffentlicht. Eine interne Chatgruppe löscht ihre Nachrichten nach einiger Zeit automatisch.
Die Wikimedia Foundation hat bisher den Löschforderungen Russlands nicht nachgegeben. Momentan wehrt sie sich vor einem russischen Gericht gegen eine Aufforderung, Informationen über die Invasion der Ukraine zu löschen. Die Verbreitung solcher Informationen, auch die Bezeichnung als Invasion oder Krieg, ist in Russland illegal und kann zu bis zu 15 Jahren Haft führen. Außerdem soll Wikimedia fünf Millionen Rubel, rund 88.000 Euro, Strafe zahlen.
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