Wer Menschen erreichen möchte, die sich für eine Partei oder ein bestimmtes politisches Thema interessieren, kann das mit Anzeigen auf Facebook relativ einfach tun. Der Plattformkonzern nutzt seine umfangreiche Datensammlung über Milliarden Menschen, um Werbetreibenden die Zielgruppen zu servieren, die sie suchen. Es ist zwar durchaus umstritten, wie treffsicher das Targeting ist, doch Politiker:innen, Parteien und Ministerien nutzen es im großen Stil. Auch in Deutschland.
Dabei ist politisches Targeting bei Facebook in vielen Fällen illegal, sagt Datenschutzaktivist Max Schrems von der Nichtregierungsorganisation None of Your Business (noyb). Gemeinsam mit Entertainer Jan Böhmermann sucht er jetzt nach Menschen, die zielgerichtete Werbeanzeigen deutscher Parteien zu Gesicht bekommen haben und helfen wollen, die Verantwortlichen zu verklagen. Das erklärte Schrems am Freitag in einem Online-Spezial des ZDF Magazin Royale.
In der Regel illegal
Die Aktion setzt die Arbeit des ZDF-Magazins am Thema der politischen Facebook-Werbung fort. Im September hatten Böhmermann und sein Team unter anderem gezeigt, dass sich zwei Ministerien im Bundestagswahlkampf und darüber hinaus gezielt mit Werbung an die Fans der Partei richteten, zu denen ihre Minister:innen gehören. Mehrere Verfassungsrechtler:innen äußerten schwerwiegende Bedenken.
Sowohl das Bundesarbeitsministerium von Hubertus Heil (SPD) als auch das Haus der heutigen Bundesfamilienministerin und damaligen rheinland-pfälzischen Klimaministerin Anne Spiegel (Grüne) räumten schwere Fehler ein und trennten sich von den zuständigen Werbeagenturen. Außerdem offenbarte die Recherche, dass Facebooks Archiv mit politischen Anzeigen unvollständig ist und dass die FDP in ihrer Wahlwerbung zum Thema Klimaschutz sehr unterschiedliche Signale setzte, je nach vermuteter Affinität der Zielgruppe.
Max Schrems und None of Your Business argumentieren nun, dass viele politische Anzeigen auf Facebook und Instagram auch unabhängig von ihren Folgen illegal sind. Denn Informationen über die politische Meinung unterliegen nach der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) genau wie solche über ethnische Herkunft, weltanschauliche Überzeugungen oder sexuelle Orientierung einem besonderen Schutz. Artikel 9 der Verordnung verbietet die Verarbeitung sensibler Datenkategorien, sofern man sich nicht auf eine Ausnahme berufen kann.
In der Praxis käme hierfür nur eine ausdrückliche Einwilligung der Betroffenen in Frage, so Schrems. Diese könnten aber weder Facebook noch die Parteien vorweisen.
Wer hat diese Anzeigen gesehen?
Dass sich das politische Targeting in Sozialen Netzwerken rechtlich mindestens in einer Grauzone abspielt, weiß die Politik schon lange, allerdings fehlt bislang der Wille, daran grundsätzlich etwas zu ändern. Schrems und noyb wollen das nun mit Musterverfahren ändern, doch dafür braucht es konkret betroffene Menschen und ihre Daten.
Gemeinsam mit Jan Böhmermann ruft Max Schrems deshalb die Personen zur Unterstützung auf, die schon im Sommer die Recherche des ZDF-Magazins möglich gemacht hatten. Grundlage waren die Informationen von tausenden Zuschauer:innen, die mit der Browser-Erweiterung WhoTargetsMe Daten für das Projekt sammelten.
Genau an die richtet sich der jetzige Aufruf, denn damit noyb in den Daten nach illegaler Wahlwerbung suchen kann, müssen die Nutzer:innen eine Datenspende an die Nichtregierungsorganisation tätigen. Wie das funktioniert erklärt noyb auf einer eigenen Website. Auf Betroffene kommen demzufolge keine Kosten zu, die NGO will die Finanzierung ebenso wie die Arbeit am Prozess übernehmen.
Generalabrechnung mit Facebook
Journalist:innen und Forscher:innen hatten in den vergangenen Jahren immer wieder gezeigt, wie sich Facebooks Targeting-Werkzeuge für verbotene Diskriminierung nutzen lassen, etwa indem Schwarze US-Amerikaner:innen von Werbung für Immobilien ausgeschlossen wurden.
Nach etlichen Jahren der Kritik hatte Facebook kürzlich angekündigt, das Targeting mit sensiblen Datenkategorien 2022 einstellen zu wollen. Auch Menschen, die sich laut Facebook für Themen wie HIV oder Homosexualität interessieren, sollen dann nicht mehr direkt als Zielgruppe ausgewählt werden können. Um eine Klage zu verhindern, dürfte das allerdings zu spät sein.
Vorausgesetzt, es melden sich genug Menschen. Von den ursprünglich etwa 17.000 Personen, die das Browser-Plugin von WhoTargetsMe installiert hatten, sei dieses aktuell nur noch bei 4.000 Menschen aktiv. Wer zu dieser kleinen Gruppe gehört, solle sich deshalb unbedingt melden, so Schrems.
Der Aufruf zur Datenspende hat es dennoch nicht in die Hauptsendung des ZDF Magazin Royale geschafft, die sich am Freitag einer Generalabrechnung mit dem Facebook-Konzern widmete. Stattdessen findet sie sich in einem ergänzenden Online-Special. In diesem bekommt Schrems immerhin fast 20 Minuten Zeit, um den Plan von noyb zu erklären. Das Video hat in den ersten vier Tagen bei Youtube mehr als 300.000 Aufrufe erhalten. Die Chancen stehen also nicht schlecht, dass sich tatsächlich Proband:innen für die Klage finden.
Teil des Online-Specials ist auch ein Gespräch von Böhmermann mit Whistleblowerin Frances Haugen, die mit ihren Veröffentlichungen den jüngsten Sturm der Kritik am Facebook-Konzern ausgelöst hatte. Sie konnte unter anderem zeigen, dass das Unternehmen um die schädliche Auswirkung seiner Produkte weiß, etwa von Instagram auf die Psyche junger Frauen oder von Facebook und WhatsApp auf ethnische Konflikte wie jene in Myanmar oder Äthiopien.
„und dass die FDP in ihrer Wahlwerbung zum Thema Klimaschutz sehr unterschiedliche Signale setzte, je nach vermuteter Affinität der Zielgruppe.“
Was bitte ist daran verwerflich? So hat Werbung, ja Kommunikation allgemein schon immer funktioniert. Ihr tut hier so, als sei das irgendwie etwas Schmutziges.
Das ZDF Magazin schreibt dazu:
Ich finde, dass das eine spannende Erkenntnis ist. Deshalb habe ich es erwähnt. Wo du hier bei mir die Wertung siehst oder warum das irrelevant sein soll, müsstest du bitte nochmal erklären.
Und ich finde, dass alle Kommunikation von Parteien für die Wahl in einen durchsuchbaren Opendatawald reingehören. Dann kann das (fast) automatisch geprüft werden.
Ansonsten ist das witzlos… intransparente Handlungen, intransparente Werbung… weder kann eine Entscheidung getroffen werden, noch kann man sich wirklich noch über etwas Unterhalten.
Im Grunde die perfekte Vereinzelung, mit etwas Extrapolation. Deswegen ist die Alieninvasionbehörde seit mehr als 9 Jahren schon ziemlich spitz.
Recht so!
Will man des Werbequatsches Herr werden, gibt es zwei Möglichkeiten:
1. Komplett verbieten.
2. Selbst machen (Vertrauenswürdige Organisation kontrolliert alles nicht nur irgendwie, sondern hällt es in der Hand).
Gerade bei Dingen der Kategorie „sollte zurecht kein Vertrauen genießen“, fällt 2. für den Staat eigentlich weg, bliebe höchstens eine Non-Profit Geschichte (Beweis durch Widerspruch).
Denn was kommt jetzt mit den tausenden Schiebdatenhaltungsfirmen: es wir für jedes Tag, positiv wie negativ, eine Firma geben, die nur das Datum speichert. Und – Oh Wunder! – die Daten für getrackte Nutzer sind fast identisch mit denen von nicht getrackten Nutzern, denn was steht dann dort z.B. für die Firma mit „ist 12 Jahre Alt“:
– Hermmann S aus K / reg ID xyz: Nein
– Friedbert S aus K: Minderjährig, darf nicht getrackt werden.
Suche eine KI, die da einen Unterschied findet :).
dort es geht zwar nicht um Facebook, aber um Trackingfirmen und vorallem mit Google, dass mind. genauso schlimm wie Facebook ist.