Seit Juli 2016 darf ich den Bereich „Internet“ im ZDF-Fernsehrat vertreten. Was liegt da näher, als im Internet mehr oder weniger regelmäßig Neues aus dem Fernsehrat zu berichten? Eine Serie.
Das Netz war voller Hohn: Ausgerechnet „Bild TV“, der neue Sender aus dem Hause Axel Springer, übernahm auf dem Höhepunkt der Wahlnacht immer wieder Bilder der ansonsten von Bild heftig kritisierten öffentlich-rechtlichen Sender ARD und ZDF. Wegen der unterschiedlichen Ergebnisprognosen – ARD mit SPD und CDU/CSU gleich auf, ZDF näher am Endergebnis – war das zeitweilige Nebeneinander von ARD- und ZDF-Hochrechnungen dabei durchaus informativ. Öffentlich-rechtlicher Binnenpluralismus in der Auslage von Bild TV.
Die Übernahme der öffentlich-rechtlichen Signale war offenbar ohne Genehmigung der Öffentlich-Rechtlichen erfolgt. In einer Stellungnahme gegenüber dem NDR-Medienmagazin Zapp rechtfertigte man sich bei Bild wie folgt, ohne auf den Vorwurf einer Urheberrechtsverletzung einzugehen:
Die Bundestagswahl war ein zeithistorischer Moment. Wir haben im Rahmen unserer aktuellen Wahlberichterstattung die stark unterschiedlichen Prognosen mit klarem Quellenhinweis live zitiert und ausgewählte Sequenzen aus der ‚Berliner Runde‘ übernommen und für unsere Zuschauer eingeordnet. Bei diesem Gesprächsformat handelt es sich um ein nachrichtliches Ereignis von überragender Bedeutung, das von ARD und ZDF als gebührenfinanzierter Rundfunk zentral veranstaltet wird, aber auch für Menschen relevant ist, die sich am Wahlabend auf anderem Wege informieren möchten.
In der Tat stellt sich bei öffentlich-rechtlicher Berichterstattung über zeithistorische Ereignisse die Frage, warum diese Bilder nicht ganz allgemein unter freien Lizenzen bereitgestellt werden. Auf diese Weise könnten nämlich nicht nur Bild TV, sondern auch freie Medien, Wissensplattformen wie die Wikipedia oder auch Blogger:innen die Bilder nutzen. Wikimedia Deutschland kritisierte in einer Aussendung deshalb auch, dass „die Nutzung von Bildern der ‚Elefantenrunde‘ nur mit extra angefragter Erlaubnis möglich ist.“
Mit freien Lizenzen neue Zielgruppen erreichen
Freie Lizenzen bieten sich vor allem für solche öffentlich-rechtlichen Eigenproduktionen an, bei denen es üblicherweise keine nachfolgende Verwertungskaskade mehr gibt – also Informationsinhalte, Magazine, Talkshows und dergleichen. Hier verlieren die öffentlich-rechtlichen Sender bei freier Lizenzierung keine Einnahmen aus Zweit- oder Drittverwertung, erreichen aber mehr Menschen mit ihren Inhalten. Das ZDF hat mit der Doku-Reihe Terra X bereits gezeigt, dass sich zum Beispiel via Wikipedia neue Zielgruppen erschließen lassen.
In einem allerersten Schritt könnte das ZDF (und die ARD) zumindest davon absehen, für simple Ergebnisdiagramme die restriktivste aller Creative-Commons-Lizenzen CC BY-NC-ND vorzusehen. Wie bereits nach der Bundestagswahl 2017 kritisiert, ist damit selbst ein bloßes Beschneiden des Bildes – wie ich es mit dem untenstehenden Ausschnitt getan habe – eine Lizenzverletzung.
Was ich damals geschrieben habe, kann ich als 2021 nur noch einmal wiederholen:
Diese Lizenzwahl ist schwer nachzuvollziehen und verhindert beispielsweise auch, dass die Bilder in die Wikipedia beziehungsweise Wikimedia Commons eingestellt werden können. Kein Grund kann jedenfalls die Angst vor Manipulationen sein, denn auch Lizenzen, die eine Bearbeitung zulassen (zum Beispiel CC-BY oder CC-BY-SA), erfordern die Offenlegung von Bearbeitungen – ganz abgesehen davon, dass sachliche Richtigkeit ohnehin kein Gegenstand einer urheberrechtlichen Lizenz sein kann.
Klarerweise können frei lizenzierte Inhalte auch von kommerziellen Anbietern wie Bild TV genutzt werden. Das gilt aber für alle Formen von öffentlich finanzierten Wissensgütern wie zum Beispiel bei Open Data oder Open Science. Wenn die Nutzung nicht nur auf eigenes rechtliches Risiko wie im aktuellen Fall von Bild TV, sondern offiziell via freier Lizenz ermöglicht wird, sind viele neue Nutzungsweisen und -formate zu erwarten. Die öffentlich-rechtlichen Medien wiederum würden auf diese Weise ihren Grundversorgungsauftrag digital erneuern.
Der Urheber der Hochrechnungen ist nicht der öffentlich rechtliche Rundfunkt sondern die entsprechenden Institute die derartige Hochrechnungen im Auftrages öffentlich rechtlichen Rundfunks erstellen.
Damit ist der ARD und das ZDF Lizenznehmer, der die Daten gar nicht Open stellen kann, selbst wenn er wollte.
Der Adressat derartige Forderungen wären somit die im Auftrag gegebenen hinzutuet, da wiederum ist das Problem ob die Aufträge für die Hochrechnungen ein exklusiv Vertrag beinhaltet.
Das Problem ist auch umgekehrt zu sehen, Zeitungen die ebenso exklusive Verträge abschließen für Wahlumfragen, die zum Teil in Konkurrenz mit jenen Instituten stehen die der öffentlich rechtliche Rundfunk in Auftrag geben.
Ebenso sollte dabei bedacht werden, das derartige Hochrechnungen sehr komplex sind, und dementsprechend auch seinen Preis hat, da sollte dann schon auch die Frage erlaubt sein wer soll es zahlen.
So banal die Forderung klingen mag, rechtlich ist eine derartige Forderung höchst problematisch und alles andere als einfach.
Nein, das Ergebnis der Hochrechnung ist überhaupt nicht urheberrechtlich geschützt bzw. schützbar (auch wenn die Erstellung durchaus aufwändig gewesen sein mag). Selbst beim Balkendiagramm ist fraglich, ob hier die für Urheberrechtsschutz notwendige Schöpfungshöhe überschritten ist.
„Klarerweise können frei lizenzierte Inhalte auch von kommerziellen Anbietern wie Bild TV genutzt werden. “
Die Aussage versteh ich nicht. CC BY-NC-ND sagt doch, dass das Werk nicht für kommerzielle Zwecke lizenziert ist. Wie kann es da von einem kommerziellen Fernsehsender verwendet werden?
Das ist oben vielleicht etwas missverständlich: CC BY-NC-ND ist keine freie, Wikipedia-kompatible Lizenz. Solche Inhalte dürfte also Bild nicht verwenden. Bei freien Lizenzen (z.B. CC BY oder CC BY SA) wäre das hingegen möglich.
Ich frage mich, ob dann im Umkehrschluss auch BILD anerkennen würde wenn man deren Bilder wegen zeitgeschichtlicher Relevanz nutzt. Ich denke doch eher nicht!
Denke ich auch nicht. Die BILD ist aber auch nicht öffentlich-rechtlich und beitragsfinanziert. Das ist doch genau der Unterschied.
Wenn man mit „zeitgeschichtlicher Relevanz“ argumentiert sollte das keinen Unterschied machen dürfen ob es jetzt von ARD/ZDF oder von BILD kommt. Ich bin tatsächlich auch der Meinung, dass manche BILD-Titel zeitgeschichtliche Relevanz haben (z.B. das „Wir sind Papst!“).
Allerdings bezweifle ich die Argumentation von BILD, dass gewöhnliche Wahlberichterstattung und Balkendiagramme diese Relevanz haben – da hat man sich einfach bedient um nicht selbst Diagramme bauen zu müssen. Seriösität alá „Quelle: Internet“ etc. eben.
Wie und warum die Öffentlich-Rechtlichen kaum frei nutzbare Inhalte produzieren und sich teilweise schlimmer aufführen als manche privatwirtschaftlichen Unternehmen steht auf einem anderen Blatt. Als „Contentlieferant“ fürs Springer-TV sollten sie dabei aber auch nicht dienen müssen.
Da sehe ich zwei Richtungen:
1. Ja klar, alle von allen.
2. Egal. Die öffentlichen liefern Kulturgut und nicht umwandete Gartenstühle.
Details…
– Quelle, Zeit fett einblenden müssen?
– Wo fängt es an, wo hört es auf? Fussball-WM ist auch Zeitgeschichte, oder nur wenn Greenpeace ein Flugzeug in ein Stadion rammt? Was ist mit Reportagen über die letzten iherer Art usw., das nicht auch?
– Gilt das nur bei komplexen Livegeschichten, oder auch so allgemein immer?
– Vielleicht doch Anforderungen stellen? Vielleicht mit „erstmal ja“, aber danach dann eine unabhängige Schlichtungsstelle, die dann die Nutzung für einen Akteur untersagen kann?
Ich bin absolut für permanente Mediathek ohne Lücken, großzügige Zitatfähigkeit, u.ä., was dann für so einige Sachen andere Lizenzen braucht. Bei Sachen wie Bild-TV stelle ich mir es sinnvoll vor, wenn zumindest Zitatkennzeichnugnszwang herrscht (Quelle, Produktions/Veröffentlichungsdatum, eventuell Vereinfachungen bei Live +- eine Stunde) – das ist vielleicht bereits so ähnlich, ich meine aber durchaus mit unmißverständlicher Extraschrift. Das wünsche ich mir auch für Fotos und Videos aller art in allen Medien, auch ÖR.
Reportagen erfordern das zumindest nicht. Die kann man ohne Nachteil auch später gucken. Bei Liveberichterstattung über Wahl/Katastrophe/Terror wäre das wohl anders.