Wer beim Online-Videostreaming das Klima schützen möchte, schaut die Lieblingsserie am besten zu Hause auf der Couch im heimischen WLAN. Zu diesem vorläufigen Ergebnis kommt das Forschungsprojekt „Green Cloud-Computing“, an dem das Öko-Institut und das Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration (IZM) im Auftrag des Umweltbundesamt arbeiten. Demnach sind die CO2-Emissionen am geringsten, wenn HD-Videos eines Cloud-Dienstes per Glasfaser-Anschluss gestreamt werden.
Bislang gab es den Wissenschaftler:innen zufolge keine belastbaren Zahlen zur Klimabilanz von Cloud-Diensten, die Videostreaming und Online-Datenspeicherung anbieten. Bisherige Studien kamen zu unterschiedlichen Ergebnissen und beruhten auf Rechenmodellen und Annahmen. Die Studie des Umweltbundesamtes arbeitet mit realen Messdaten. Die Forschenden haben dafür an einem großen Streaming-Rechenzentrum gemessen.
So lasse sich der CO2-Fußabdruck von Videostreaming, Video-Konferenzen und Online-Datenspeicherung realitätsnäher bestimmen, heißt es in der gemeinsamen Pressemitteilung von Bundesumweltministerin Svenja Schulze und dem Umweltbundesamt. Die Wissenschaftler:innen haben dafür die Treibhausgasemissionen pro Stunde Videostreaming in HD-Qualität gemessen und die Emissionen für Rechenzentrum und Datenübertragung zusammengefasst.
Hohe CO2-Emissionen im alten Mobilfunknetz
Sie kamen zu dem Ergebnis, dass die Datenverarbeitung im Rechenzentrum mit 1,5 Gramm CO2 pro Stunde eher gering ist. Wichtiger für die Klimaverträglichkeit ist die Übertragung zu den Nutzer:innen. Wer auf Cloud-Dienste mit Glasfaser-Anschluss zugreift, spart am meisten Kohlenstoffdioxid ein: Die Belastung liegt bei 2 Gramm CO2 pro Stunde HD-Videostreaming. Verbraucher:innen mit Kupferkabel müssen sich 4 Gramm CO2 pro Stunde auf die Bilanz schreiben.
Deutlich höher können die Werte beim Streaming aus dem Mobilfunknetz liegen. Während es bei einer Datenübertragung mit 5G noch 5 Gramm CO2 pro Stunde sind, sind es bei der Übertragung mit 4G schon 13 Gramm. Am klimaschädlichsten ist es, Videos im Mobilfunkstandard 3G zu schauen: Dabei werden 90 Gramm CO2 pro Stunde ausgestoßen.
Entscheidend für die Klimabilanz ist auch die Video-Auflösung. Die Wissenschaftler:innen empfehlen, Videos in HD-Qualität statt Ultra-HD zu streamen, um Daten und damit CO2 einzusparen. Wer eine Stunde Videos in Ultra-HD statt HD am Fernseher schaut, verbraucht 7 Gigabyte statt 700 Megabyte, also zehnmal so viel Datenvolumen. Das treibt die Emissionen in die Höhe. Das Forschungsteam rät Betreiber:innen von Websites, das automatische Abspielen von Videos standardmäßig auszuschalten, um den Datenverbrauch zu reduzieren.
Schulze wirbt für umweltfreundliche Digitalisierung
Aus Sicht von Bundesumweltministerin Schulze ist klimafreundliches Streaming vor dem Hintergrund der Forschungsergebnisse möglich, mit der richtigen Infrastruktur. „Aus Umweltsicht ist es eine gute Idee, mehr öffentliche WLAN Hotspots einzurichten, denn das ist klimafreundlicher als Streaming im Mobilfunknetz“, sagte sie in einer Pressekonferenz am Donnerstag. Auch die Vorteile von Home-Office und Videokonferenzen für das Klima stiegen mit effizienteren Rechenzentren und moderneren Netzen.
„Unsere Forschung zeigt, dass wir verstärkt in den Ausbau der Glasfasernetze investieren sollten“, sagte der Präsident des Umweltbundesamtes Dirk Messner. Künftig würden die Datenmengen durch mehr Videokonferenzen und vernetztes Fahren weiter steigen. Die 5G-Übertragungstechnik bezeichnete er mit Blick auf den Klimaschutz als vielversprechend.
Digitalisierung für Klimaschutz nutzen
Videostreaming könnte demnach insgesamt klimafreundlicher werden, wenn auch die Digitalisierung vorangetrieben wird. Ministerin Schulze will das im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft auf europäischer Ebene erreichen, sagte sie bei der Vorstellung der Studienergebnisse.
Forschende des Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) und der Technischen Universität Berlin kamen indes zu dem Schluss, dass die voranschreitende Digitalisierung nicht automatisch mehr Klimaschutz bedeute. Die steigende Nutzung von digitalen Informations- und Kommunikationstechnologien und das Wirtschaftswachstum der vergangenen Jahre sorgten für einen höheren Energieverbrauch.
Zwar könne durch effizientere Arbeits- und Produktionsprozesse und moderne technische Geräte Energie eingespart werden, sagt der Wirtschaftsforscher Steffen Lange vom IÖW. Das führe jedoch an anderen Stellen zu mehr Nachfrage, also mehr Energieverbrauch, vermutet Johanna Pohl von der TU Berlin. Die Forscher:innen plädieren dafür, „die digitalen Möglichkeiten in den Dienst einer ökologischen Transformation der Ökonomie zu stellen.“ Nur wenn digitale Technologien für wirtschaftlichen Wandel genutzt würden, könnten die Klimaschutzziele eingehalten werden.
Mehr Digitalisierung bedeutet mehr Energieverbrauch. Digitalisierung überall und für alles bedeutet einen großen Mehrbedarf für Energie.
Digitalisierung kann aber auch Energieeinsparung bewirken, wenn sie explizit dafür zum Einsatz kommt. Das Ergebnis wird als Effizienzsteigerung bezeichnet, und bringt einen Kostenvorteil.
Ein Kostenvorteil kann dazu führen, dass eine Methode so stark nachgefragt wird, dass sie nach einiger Zeit zu mehr Energieverbrauch führt, weil einzelne Akteure zwar weniger Energie brauchen, dafür aber mehr Akteure in der Summe mehr als vorher. Bis zu dem Level vor der Innovation bezeichnet man den Anstieg als Rebound-Effekt. Wird der alte Energieverbrauch in der Summe überschritten, führte die Innovation gar zu einem Backfire-Effekt.
Partiell kann Digitalisierung Einspareffekte bewirken, wenn dies auch so angestrebt wird, also in Teilbereichen. Die Einsparung kann aber durch Rebound wieder aufgezehrt werden. (Z.B. LED-Lampen, die jetzt kostengünstig Hochhaus-Fassaden zur Zierde beleuchten)
Der Digitalisierungs-Hype als Ganzes wird jedoch zu einem erhöhten Energieverbrauch führen, d.h. durch Backfire ist der Schuss ins Knie zu erwarten.
Zukunftsversprechen, die auf einem Mehrverbrauch an Energie beruhen, können das globale Problem nicht lösen, selbst wenn dieser CO2-neutral ist. Ohne gravierende Einsparungen im globalen Verbrauch wird es nicht gehen, und mit einer weiter wachsenden Weltbevölkerung schon gar nicht.
Zur den fatalen Folgen des Rebound-Effekts bei Aussenbeleuchtungen ein empfehlenswertes Podcast:
https://pdodswr-a.akamaihd.net/swr/swr2/wissen/sendungen/wissen/swr2-wissen-20200914-lichtverschmutzung-wie-tiere-unter-hellen-naechten-leiden.m.mp3
Hier wird deutlich, dass die Folgen der billigen Verwendung von LEDs im Aussenbereich wiederum einer Steuerung bedarf, die versucht, gravierenden ökologischen Auswirkungen entgegenzuwirken.
Ein Beispiel dafür, dass ein durch Kostenvorteil ausgelöster Rebound-Effekt teure Investitionen auslösen kann, um eingetretenen großen Schaden zu begrenzen.
Naja 3G ist schon auch das Seepferdchen mit den beiden Bleimanschetten an den Beinchen. Batterielaufzeit, Latenz, Datenrate… alles meißt schlechter, sollten Mobilinternetnutzer mit Bewegungsradius erfahren haben.
Protokollinsuffizienz und Fehlerbehebung etc. hauen wohl auch rein, drücken sich letztlich aber wohl auch in Latenz, Datenrate, Stromverbrauch indirekt aus.
Wenn man den Strom zum Betrieb des Netzwerkes voll solar erzeugt, bleibt dann die CO2 Emission bestehen?
Kurzum: Die Studie (genauer gesagt die Pressemittelung) wird iM reihrum zitiert, ist aber nicht zugänglich.
Der Fußabdruck der Herstellung dürfte sich nicht so eklatant unterscheiden, ob 2/3/4/5 G.
Wie relevant das Datenaufkommen außerhalb des Funkturm-Gerät-Radius ist, und in wie fern die konkrete Strecke hier wirklich berücksichtigt wurde, ist mir nicht ganz klar, da ja z.B. SSL Verbindungen über einen Broker des Providers gehalten werden, wenn das Mobilgerät mal länger als das SSL Timeout nicht funkt. Da ist also nicht so klar, welchen Weg der übermäßige Datenverkehr bei 3G eigentlich nimmt. findet „viel“ davon zwischen Broker und Webserver statt, oder ist der Broker „sehr weit weg“, fällt der Verkehr auch stärker ins Gewicht. Ist das Hauptaufkommen Fehlerkorrektur, wird mehr auf die Strecke Gerät-Sendemast entfallen, wobei auch hier z.B. SSL-Verbindungen gehalten werden.
Mit „mir nicht ganz klar“ meine ich, dass ich es nicht weiß, es gibt aber wohl Daten dazu.