ÜberwachungsexporteNGOs warnen vor faulen Kompromissen

Die EU verhandelt seit Jahren ergebnislos über Beschränkungen für den Verkauf von digitaler Überwachungssoftware an autoritäre Regime. Nun droht ein schwacher Text. NGOs halten dagegen.

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Cyber (Symbolbild) – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Michael Dziedzic

Reporter ohne Grenzen und weitere NGOs haben die EU-Kommission und die 27 EU-Staaten gewarnt, geplante Regeln für den Export von digitaler Überwachungssoftware zu verwässern. „Wir bedauern zutiefst, dass sich einige Mitgliedsstaaten entschieden gegen eine strengere Gesetzgebung aussprechen, die [eigene] Interessen über Werte stellt“, heißt es in einem offenen Brief von fünf Organisationen an den EU-Handelskommissar Phil Hogan.

Europäische Firmen verkaufen digitale Überwachungswerkzeuge an autoritäre Regime auf der ganzen Welt. Dort wird solche Software häufig gegen Oppositionelle, Journalist:innen und Menschenrechtsaktivist:innen eingesetzt.

Die EU arbeitet seit 2016 an einer Reform der Dual-Use-Verordnung, die den Verkauf von militärisch nutzbaren Gütern regelt, um den Export von solchen digitalen Technologien weitgehend einzuschränken. Allerdings stocken die Verhandlungen zwischen der Kommission, dem Parlament und den EU-Staaten wegen des Widerstands einiger Länder, darunter Deutschland.

Kommission macht Kompromisse

Ein zuletzt von Politico geleakter Kompromisstext der Kommission schwächt ihre ursprünglichen Vorschläge deutlich ab. Der Text schränkt die Definition von unzulässigen Exporten ein und verwässert Transparenzpflichten von Herstellern und Mitgliedsstaaten.

„Der aktuelle Kompromissvorschlag ist ein enttäuschender Rückschritt gegenüber dem fortschrittlichen Entwurf, mit dem die Kommission in die Verhandlungen gegangen ist“, beklagt Christian Mihr von Reporter ohne Grenzen Deutschland.

„Wird er verabschiedet, könnten Unternehmen aus der EU auch künftig Regime beliefern, die digitale Überwachungstechnologie missbrauchen, um Journalistinnen, Journalisten und andere kritische Stimmen zu verfolgen.“

Den offenen Brief mitunterzeichnet haben neben Reporter ohne Grenzen auch namhafte NGOs wie Amnesty International, Access Now, Committee to Protect Journalists und Human Rights Watch sowie Brot für die Welt.

Auf eine öffentliche Anfrage von netzpolitik.org wiegelte die EU-Kommission ab. „Es ist noch zu früh, um das Ergebnis dieser laufenden Diskussionen vorwegzunehmen“, sagte Kommissionssprecher Daniel Rosario. Sie bestreitet aber nicht, abgeschwächte Vorschläge vorgelegt zu haben.

Ab 1. Juli übernimmt Deutschland für ein halbes Jahr die rotierende EU-Ratspräsidentschaft. In dieser Zeit leiten deutsche Vertreter:innen die Verhandlungen und können auf eine starke Exportkontrolle auch für digitale Überwachungsmittel drängen.

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