Medienmäzen GoogleNews Showcase ist Googles strategische Meisterleistung

Mit einem Milliarden-Dollar-Angebot perfektioniert Google seine Teile-und-herrsche-Strategie gegenüber den Medien. Die Verlage können das Angebot kaum ablehnen und doch schwächen sie damit den Stand ihrer Branche im medienpolitischen Poker mit dem Datenkonzern.

Strategie und Spiel
– Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Felix Mittermeier

Das spannendste an Konferenzen ist bekanntermaßen nicht das, was auf den Bühnen besprochen wird, sondern das, was danach an den Kaffeetischen passiert. Die Pausengespräche bei den Münchner Medientagen müssen dieses Mal aber leider entfallen. Wegen der Corona-Pandemie findet einer der wichtigsten Kongresse der Medienbranche diese Woche online statt.

Dort hätte es ein Thema gegeben, das den Konferenztratsch sicher dominiert hätte. Am Montag präsentierte Google bei den Medientagen eine Neuheit, die die Branche seit Wochen in Aufregung versetzt: News Showcase.

Das Produkt ist auf den ersten Blick ein neuer Ausspielkanal für redaktionelle Inhalte in Googles News-Apps. Aber es ist auch sehr viel mehr. Eine Milliarde Dollar will Google in den nächsten drei Jahren im Rahmen eines exklusiven Lizenz-Deals an Partnermedien auf der ganzen Welt auszahlen. Die Medien dürfen die Darstellung ihrer Inhalte im News Showcase selbst gestalten und kuratieren. Deutschland gehört mit 20 teilnehmenden Medien neben Brasilien zu den ersten Märkten, wo das Produkt gelauncht wurde.

Fragt man Google, wer von diesem Deal profitieren wird, lautet die Antwort: alle. „Wir wollen mit dem Produkt nicht nur Journalismus nachhaltig unterstützen, sondern auch redaktionell kuratierte Inhalte auf Google-Plattformen hervorheben und Nutzer:innen den Mehrwert digitaler Abonnements näherbringen.“ Das erklären die Manager:innen bei der Produktpräsentation auf den Medientagen.

Man muss diese hehren Absichten gar nicht in Abrede stellen, um festzustellen: der größte Profiteur dürfte am Ende wieder mal Google selbst sein.

Das ewige Leistungsschutzrecht

Vom eigentlichen Grund für das Milliarden-Angebot sprechen die Google-Vertreter:innen nämlich selten. Es ist der seit bald einem Jahrzehnt andauernde medienpolitische Streit mit einer Branche, die ihr Geld früher mit gedruckten Zeitungen verdient hat und im Digitalzeitalter immer noch nach einem stabilen Geschäftsmodell sucht.

Während die Medien ihr Heil lange Zeit in kostenlosen Inhalten, großer Reichweite und Online-Werbung sahen, ist inzwischen allen klar, dass diese Rechnung nicht aufgeht. Die Duopolisten Google und Facebook lassen anderen Playern auf dem Werbemarkt schlicht nicht genug Platz. Die Verlage fordern deshalb eine Art Gewinnbeteiligung von dem Werberiesen. Wenn eine Suchmaschine kurze Auszüge von journalistischen Inhalten anzeigt, sollen Lizenzgebühren fällig werden.

Dieses Leistungsschutzrecht ist eine Erfindung des Axel-Springer-Verlages und wird dank der Urheberrechtsrichtlinie ab 2021 in jedem EU-Land eingeführt werden. Google lehnt das strikt ab – mit einem guten Argument: Die Suchmaschine will die Medien nicht dafür bezahlen, dass sie Besucher:innenströme auf ihre Websites leitet.

Um das Leistungsschutzrecht abzuwehren, hat der Konzern unterschiedliche Dinge versucht. Immer wieder drohte er mit dem Ende von Google News und machte damit in Spanien sogar ernst. Zugleich umgarnte er die Medien im Rahmen seiner Digital News Initiative mit Millionengeschenken.

Eine strategische Meisterleistung

In diesem Streit um das Leistungsschutzrecht ist News Showcase eine echte strategische Meisterleitung. Statt einer branchenweit einheitlichen Lösung mit verbindlichen Konditionen zahlt Google nun Geld an ausgewählte Partnermedien und spaltet damit die Front der Verlage.

Eine Milliarde über drei Jahre, für Google sind das Peanuts. Für einzelne Medien aber könnte das Branchenkreisen zufolge mehr als eine Millionen Euro pro Jahr bedeuten. Umgerechnet in Stellen sind das mehr als ein Dutzend neuer Redakteur:innen. Es ist ein Angebot, das die Verlage nur schwer ablehnen können.

Im Gegenzug erhält Google mit News Showcase ein neues exklusives Produkt, das ihm im Wettkampf mit Apple und Facebook um die Plattformisierung des Nachrichtengeschäfts einen Vorsprung verschafft. Seit längerem ringen die Größen des Silicon Valley hier um die Vorherrschaft – bislang ohne klaren Sieger.

Die Verlage freuen sich, dass ihre Marken in News Showcase präsent sind und sie die redaktionelle Hoheit behalten. Aus dem kleinen Einmaleins des Plattformkapitalismus wissen wir allerdings, dass die Plattform am Ende immer gewinnt. Google wird durch Designentscheidungen nicht nur Einfluss drauf haben, welche Nachrichten die Nutzer:innen wie konsumieren, sondern auch die Daten über das Leseverhalten erhalten und auf dieser Basis Werbung verkaufen.

Der neue Nachrichtenkanal im eigenen Ökosystem zahlt direkt auf Googles originäres Geschäftsmodell ein: die Vermarktung der Aufmerksamkeit seiner Nutzer:innen an Werbekunden.

Teile und herrsche

Medienberichten zufolge erhält Google im Rahmen des Deals auch das Recht, Artikel exklusiv hinter der Paywall hervorzuholen. Damit trifft der Konzern künftig also explizit redaktionelle Entscheidungen. Die ohnehin schon schwammige Grenze zwischen Plattform- und Medienunternehmen – mit News Showcase verflüssigt sie sich weiter.

Der Schritt fügt sich nahtlos ein in Googles jahrelange Anstrengungen, die Verlage zu umwerben und auf diesem Weg Regulierung zu verhindern: All die Sponsorings für Branchen-Events, all die von Google bezahlten Fellowships aufstrebender Berufsanfänger:innen bei renommierten Medien, alle die kostenlosen Trainings für Journalist:innen und natürlich die mehr als 200 Millionen Euro, die Google Verlagen in Europa seit 2013 für Innovationsprojekte geschenkt hat.

Wir haben dieses komplexe Beziehungsgeflecht zwischen Google und den Medien in unserer gerade erschienen Studie „Medienmäzen Google“ monatelang untersucht und können zeigen, dass die News Initiative eine Reaktion auf den zunehmenden medienpolitischen Druck der Verlage war. News Showcase ist die Perfektion des Prinzips „Teile und herrsche“, das Google hier erprobt hat.

Wer nicht mitmacht, hat ein Problem

Aber warum machen Branchengrößen wie der Spiegel, die FAZ oder Zeit Online da mit? Man darf ja nicht vergessen, dass Google weiterhin nicht nur Konkurrent der Verlage auf dem Werbemarkt ist, sondern auch Gegenstand diverser staatlicher Untersuchungen, gerichtlicher Verfahren und journalistischer Recherchen. Von Datenschutzverstößen bis zum Missbrauch von Marktmacht.

Mal abgesehen davon, dass sich die Branche in einer andauernden Krisenerzählung befindet und sich über jede Einnahmemöglichkeit freut: Die Verlage sehen den direkten Draht zum Plattformriesen als strategischen Vorteil, auch das zeigt unsere Studie zur News Initiative. Endlich können die Medienmanager:innen mitbestimmen, wie ihre Inhalte bei Google präsentiert werden und werden von technischen Änderungen nicht mehr überrumpelt.

Für die teilnehmenden Verlage dürfte das Kalkül kurzfristig zwar aufgehen, mittelfristig wird das für die Branche aber ein Problem. Wer nicht mitmacht, erleidet schließlich einen herben Wettbewerbsnachteil. Ihm gehen nicht nur die Lizenz-Einnahmen, sondern auch die Besucher:innenströme aus dem neuen Ausspiel-Kanal verloren.

Rückschlag im Lizenz-Poker mit Google

Eine Partnerschaft auf Augenhöhe sieht zudem anders aus. Als Teil der Vertragsbedingungen diktiert Google etwa, dass die Beteiligten gegenüber der Öffentlichkeit keine Transparenz über die Details des Deals herstellen dürfen. Die Zusammenarbeit soll monatlich aufkündbar sein, sodass eine langfristige Planung mit den Einnahmen unmöglich ist und Journalist:innen sich noch stärker unter Druck fühlen dürften, den Datenkonzern nicht zu verärgern.

Vor allem aber behält Google sich laut Medienberichten vor, die Partnerschaft einseitig zu beenden, sollten die Verlage an juristischen Verfahren oder Beschwerden gegen Google partizipieren. Einem Bericht der Welt zufolge schließt Google vertraglich sogar explizit aus, dass die Partnermedien Forderungen nach dem Leistungsschutzrecht stellen.

News Showcase schwächt somit die bislang gemeinsame Position der Verlage im Lizenz-Poker mit Google. Man kann ja vom Leistungsschutzrecht halten, was man möchte. Wir bei netzpolitik.org haben es oft kritisiert, weil die Verlinkung zu Inhalten eines der Kernelemente des Netzes ist und dieses durch die neue Zahlungspflicht auf Links eingeschränkt zu werden droht.

Die deutschen Medien aber haben bisher fast geschlossen hinter dem Konzept gestanden. Kurz vor der europaweiten Gültigkeit ist es Google jetzt gelungen, diese Front zu durchbrechen. Wir dürfen sehr gespannt sein, ob sich die Medien, die an News Showcase teilnehmen, weiterhin so vehement für das Leistungsschutzrecht einsetzen wie vorher. Und natürlich, ob sie sich an Klagen gegen ihren Plattformpartner beteiligen, sollte Google sich dem Lizenzzwang verweigern.

9 Ergänzungen

  1. Niemand braucht im 21sten Jahrhundert Verlage, diese Branche ist eine Nische und muss sich ihr Geschaeftsmodell, und damit ihre Daseinsberechtigung jenseits von Lobbyismus, erstmal neu erarbeiten.

    Man braucht Journalismus, Redaktionen, Infrastruktur. Aber man braucht keine Verlage wie zZt etabliert. Man koennte durchaus sagen, dass die etablierten Verlage der Medienentwicklung ebenso im Weg stehen wie die etablierte Autoindustrie der Verkehrswende: es geht um die eigene Macht und Profit, bei Bedarf natuerlich auch gegen die gesellschaftlichen Interessen.

  2. Wie sieht es mit den Auswirkungen auf die Suchmaschine aus? Sind diese neuerdings eingebetteten Medien dann im Vorteil?

  3. „„Wir wollen mit dem Produkt nicht nur Journalismus nachhaltig unterstützen, sondern auch redaktionell kuratierte Inhalte auf Google-Plattformen hervorheben und Nutzer:innen den Mehrwert digitaler Abonnements näherbringen.“ Das erklären die Manager:innen bei der Produktpräsentation auf den Medientagen.“

    Der klassische Journalismus diente bisher als „Gatekeeper“. Er prägte unsere Sicht auf die Welt. Diese Gatekeeper-Funktion ist mit der Nutzung des Internets von breiten Bevölkerungskreisen weitgehend entfallen. Eine freundlichere Beschreibung als Gatekeeper ist, wenn man es Kuratierung nennt. Das ändert jedoch nichts an der machtvollen Funktion, das Weltbild einer großen Anzahl von Menschen zu prägen, insbesondere wenn Medien-Reichweite global ist.

    Gatekeeping oder Kuratierung in der Hand eines globalen eigennützigen Monopolisten ist real gewordene Dystopie. Medienhäuser, die sich von Google füttern lassen, werden diese Hand wohl kaum beißen wollen, sind es doch dieselben, die schon bei der Angst, Werbekunden mit kritischer Berichterstattung vergrätzen zu können, die Hosen stets gestrichen voll hatten.

    Was darf man erwarten, wenn Berichterstattung über Googles Verstöße gegen Wettbewerbsrecht publiziert werden müssen? Eine wohl kuratierte Präsentation der Ereignisse?

    1. Also den Zuhältern könnte man das schlecht vorwerfen, das wäre ja eher eine übergeordnete strategische oder regulatorische Frage…

      Oder hat die Politik die Zuhälterrolle inne, oder beide? Ich bin da im moment nicht ganz sicher…

    2. Die ebenso eigennützigen Verlage als gatekeeper waren und sind kein Stück besser, eher im Gegenteil.

      Hier wird immer Google als Teufel an die Wand gemalt, um die etablierten Belzebuben zu verstecken und zu beschützen.

      Wenn ich jemanden vertrauen muss, dann jedenfalls eher Google als den Verlagen.

  4. Verstehe ich das so richtig das Google-Nutzer damit einen Single SignOn haben mit dem sie nicht nur google-dienste nutzen sondern auch hinter eine evt. paywall von nachrichten-inhalten (egal ob von Google oder den „Zwangspartnern“) kommen – und alle nicht Google-Nutzer nur das zu sehen bekommen was die Suchmaschine zeigen will – oder beliebt hervor zu zerren?

    Ich traue Google schon seit einer ganzen Weile nicht mehr und das alte Motto „don’t be Evil“ scheint jetzt eher ein „Be Evil – it’s Good“ zu sein. Aber kann es denn Rechtens sein wenn ein Konzern einem Verlag einseitig vertraglich vorschreibt Rechtlich nicht gegen dessen; mindestens fragwürdigen; Geschäftspraktiken gegen an zu gehen?

    Da Geld nun mal die Welt regiert muß man annehmen das viele Motten zum Licht fliegen – um darin um zu kommen. Damit ist klar das Verlage keinen Willen zur Selbsterhaltung haben – wenn es um Geld geht.

    Wer bezahlt dann die Journalisten u.s.w. wenn alles nur noch „google“ ist – in einer Nahen Zukunft in der Verlage und Redaktionen ausgestorben sind? Einem von Google bezahlten Journalisten würde ich pers. nicht mal die Uhrzeit abnehmen. Die Dienste dieses Kraken blockiere ich sowieso bereits!

    1. Darüber bin ich auch gestolpert. Vermutlich sollte das „Einmaleins“ heißen. Die andere Form findet man eher im Englischen.

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