Die Verlegerverleger: Google, Apple und Facebook wollen die Paywall kapern

Große Digitalkonzerne wollen die zentrale Schnittstelle zu bezahltem Journalismus im Netz werden. Beim Journalismusfestival in Perugia buhlen sie um die Gunst der Branche. Noch zieren sich die Verlage etwas, doch Gegenstrategien haben sie kaum. Kommt bald ein globales „Netflix für News“?

Aufgereihte Straßenzeitungsverkaufscontainer in unterschiedlichen Farben.
Apple, Facebook und Google machen Verlagen ein Angebot: Auf ihrer Infrastruktur sollen Nachrichten endlich online profitabel werden. Aber zu welchem Preis? – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Karin Bar

Olivia Ma zeigt Kinderfotos von sich. Auf einem der Bilder sitzt die kleine Olivia bei ihrem Papa auf dem Schoss. Vor ihnen steht ein Tisch mit Schreibmaschine. Ihr Vater war Journalist bei der „Washington Post“, ein richtiger Reporter. Wie er wolle sie sich für die Medien und ihre Zukunft einsetzen, sagt Frau Ma. Sie ist Direktorin des Google News Lab, einem Teil der globalen Google News Initiative.

300 Millionen US-Dollar hat Google zur Förderung des Journalismus in der Welt versprochen. Viele Millionen aus der Google News Initiative (GNI) flossen bereits nach Europa, vor allem an große Medienverlage. Auch Facebook verspricht inzwischen 300 Millionen US-Dollar für Medien. Doch warum fördern private Unternehmen überhaupt ein öffentliches Anliegen?

Mit Google, Facebook und Apple haben gleich drei große Tech-Konzerne handfeste geschäftliche Interessen in der Medienbranche. Während Google und Facebook das Geschäft mit Online-Werbung dominieren, in dem einst die Verlage ihre Zukunft sahen, krempelte Apple mit iPod, iTunes und Apple Music die Musikindustrie um. Nun wollen die globalen Konzerne der maroden Nachrichtenbranche auf die Beine helfen. Ihr Angebot: Auf ihrer Infrastruktur sollen Nachrichten endlich online profitabel werden. Sie wollen die Verleger der Verlage werden.

Olivia Ma in Perugia
Olivia Ma in Perugia - Alle Rechte vorbehalten Diego Figone/IJF

Mehr als Scheckbuchdiplomatie

Olivia Ma klickt das Bild mit ihrem Vater weg. Sie steht im prächtigen, mittelalterlichen Stadtsaal der italienischen Stadt Perugia vor Dutzenden Journalisten und Medienforschern. Jedes Jahr findet hier das Internationale Journalismusfestival statt, einer der größten Medienkongresse Europas. Finanziert wird das Festival von Google und Facebook, schon seit einigen Jahren. Dabei wird sichtbar, warum die Internetkonzerne die Branche so umschmeicheln.

Längst geht es nicht nur um Beziehungspflege zu einer einflussreichen Branche, um Scheckbuchdiplomatie im großen Stil. Immer mehr geht es darum, wer den Markt der Online-Nachrichten-Abos erobert. Denn während die gedruckten Auflagen zurückgehen und die digitalen Werbeeinnahmen stagnieren, haben Presseverlage es verschlafen, funktionierende digitale Vertriebskanäle aufzubauen.

Bis heute gibt es keine branchenumspannende Abo- und Bezahlmöglichkeiten. Stattdessen herrscht digitale Fragmentierung: Wer viele Artikel bezahlen möchte, muss Dutzende Accounts haben oder viel Geld für Komplettabos bezahlen – nutzerzentriert geht anders. Die Tech-Giganten schicken sich an, das jetzt zu ändern.

Der sentimentale Teil von Olivia Mas Präsentation ist schnell zu Ende. Sie kommt zum Geschäftlichen: „Subscribe with Google“ steht in großen Lettern auf der nächsten Folie. Vor einem Jahr startete Google seinen Abo-Shop. Mit „Subscribe with Google“ kann jeder Nutzer die Angebote von Zeitungen und Magazinen über sein Google-Konto kaufen. Der digitale Mischkonzern integriert seinen Abo-Shop nun in seine News-Suche und verspricht Verlagen Hilfe dabei, Nutzer zum Zahlen zu überreden.

Abonnieren mit Google oder Flatrate mit Apple?

Auch Facebook-Chef Mark Zuckerberg kündigte ein eigenes Angebot für Qualitätsnachrichten an – ausgerechnet am 1. April, ausgerechnet in einem Gespräch mit Springer-Chef Mathias Döpfner. Nach dem weitgehend gescheiterten Versuch, Verlage zur Veröffentlichung ihrer Artikel direkt auf der Plattform zu bewegen, will Facebook nun auf anderem Weg zum Vermittler werden. Details sind allerdings noch nicht bekannt.

Die Konturen der Angebote von Apple und Google sind deutlich klarer. Sie unterscheiden sich in der Beinfreiheit, die sie Verlagen bieten – und im Preis.

Apple News+ will ein „Netflix für Nachrichten“ bieten, bei dem die Inhalte über Apples News-App angeboten und dort konsumiert werden. Seit Ende März ist das Angebot in Kanada und den USA verfügbar. Von der 10-Dollar-Flatrate pro Nutzer behält Apple laut Bericht eines teilnehmenden Mediums einen 50-prozentigen Anteil. Der Rest geht an die Verlage, die dafür ihre Produkte in das Ökosystem des iPhone-Herstellers geben. Das sorgt bei US-Verlagen für Unbehagen, ein Branchen-Insider berichtet zudem von technischen Problemen.

Googles Vorgehen ist subtiler. Der Datenkonzern bietet eine Bezahlfunktion und bewirbt die bezahlten Inhalte in seiner News-Suche. Im Gegensatz zu Apple hat Google also vorerst keinen eigenen Ausspielkanal für Bezahlinhalte und kein Flatrate-Angebot, sondern Medien müssen einzeln abonniert werden. Der Konzern verlangt nach eigenen Angaben fünf Prozent vom Umsatz bei Abos über die Website des Mediums, 15 Prozent bei Abos über die App. „Googles Anteil deckt wirklich nur unsere eigenen Kosten ab“, beteuert Olivia Ma in Perugia.

Während Apple auf dem Journalismusfestival keinerlei Präsenz zeigt, hat Facebook in Perugia eine Nachricht zu verkünden, die Verlagsmanager aufhorchen lässt: Über Facebook abgeschlossene Abonnements sollen die Verlage keine Gebühr kosten, erklärt Jesper Doub, bis vor kurzem Geschäftsführer von Spiegel Online und heute Direktor für Nachrichtenpartnerschaften bei Facebook. Eine Kampfansage an die Konkurrenz, die deutlich macht: Der Wettlauf um die globale Vorherrschaft auf dem Abo-Markt hat begonnen. Für die Konzerne wird es dem kleinen Einmaleins der Plattformökonomie zufolge jetzt darum gehen, möglichst schnell den größten Marktanteil zu erhalten und die Konkurrenz zu verdrängen – the winner takes it all und kann dann später die Bedingungen diktieren.

Partner mit Machtgefälle

Google hat einen entscheidenden Vorteil: Der Datenkonzern hat die besseren Beziehungen zu Verlagen, die zugleich seine Klienten und Konkurrenten sind. Seit 2015 finanziert Google journalistische Innovationsprojekte mit Millionenbeträgen und bietet den Verlagen nützliche Dienste – von Google Analytics bis zum AMP-Standard, der schnelleres Laden von Inhalten ermöglicht. Der Konzern hat die großen Presseverlage dadurch zu Partnern erzogen.

Der Einstieg von Google, Apple und Facebook ins Abo-Geschäft wird das Machtgefälle zwischen Digitalkonzernen und Nachrichtenmedien ohne Frage verstärken. Auf dem Branchentreffen in Perugia geht es seit Langem auch um die Finanzierung von Journalismus. Im Fokus stehen dabei aber die kleinen Fortschritte neuer Mitgliedschafts- oder Abomodelle. Die ungleiche Beziehung zwischen Tech-Giganten und Medienhäusern ist auf dem Festival, wie bei ähnlichen Branchentreffen, nur ein Randthema. Dass Google und Facebook die gesamte Veranstaltung sponsern, wird als Teil des Spiels akzeptiert.

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2 Ergänzungen

  1. Betrachtet man die Einkommen freiberuflicher Journalisten einerseits und die Abopreise andererseits , dann stellt sich die Frage, ob sich Plattformen aufbauen ließen, die Journalisten und Leser direkt verbinden, und die Verleger außen vor lassen – Fairtrade für News, mit besseren Konditionen für die Wertschaffenden und die Leser.

  2. Die Verleger haben derzeit ein vergleichbares Problem wie seinerzeit die Musikbranche und z.T. derzeit noch die Filmbranche. Zunächst würde ich versuchen das alte Verfahren mit Verlagen weiter zu betreiben, allerdings mit Änderung(en).
    Verlage werden u.a. benötigt um diverse Kosten vor zu finanzieren die sich erst später monitär auszahlen.
    Möglicherweise könnte man nachstehenden Gedanken einmal testen. Ich stelle mir eine URL vor, unter der die diversen Verlage Meldungen veröffentlichen. Die Klicks auf die einzelnen Artikel werden registriert und fliessen als Teil der ABO-Gebühren an den jeweiligen Verlag.
    Die einzelnen Themen der Berichterstattung wechseln monatlich von Verlag zu Verlag.

    Es ist immer interessant Meldungen aus verschiedenen Quellen zu lesen. Ich habe den Eindruck, die meisten Verlage nutzen die gleiche Quelle und der Text wird einfach kopiert. Die meisten Zeitungen/Informationsquellen in der BRD befinden sich im Eigentum einer geringen Anzahl von Familien/Gruppen und alle verfolgen offensichtlich nicht unbedingt die faire Information des Lesers.
    Abhilfe schafft hier nur die Quellen ausserhalb von Deutschland zu befragen um möglicherweise ein differenzierteres Bild von dem Ereignis zu bekommen. Das allerdings funktioniert nur, wenn das Ereignis von überregionaler Bedeutung ist. Wir hätten aber dadurch den Vorteil, dass wichtige anstehende Entscheidungen oder wichtige Meldungen für den Leser wesentlich transparenter werden würden.
    Für nicht fremdsprachlich begabte Mitbürger könnte man die Texte der ausländischen Presse übersetzen. Das Gesamtvorgehen im Abo zu vernünftigen Kosten.
    Ich lese sehr gerne Zeitung(en) und stosse immer wieder auf Artikel die eine monitäre Freischaltung erfordern. Der gleiche Artikel ist bei der nächsten Quelle mit Glück kostenfrei.
    Es geht um den Artikel und um die Qualität des Artikels und den muss man bezahlen. Ob in einer gekauften Zeitung oder elektronisch. In jeder Zeitung ein ABO zu kaufen, das werden die Leser wohl nicht akzeptieren.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.