bitsDas Darknet wird erstmal nicht kriminalisiert

Die Pläne von Bundesrat und Bundesregierung, als Kollateralschäden auch wichtige Anonymisierungsstrukturen zu kriminalisieren, scheinen erstmal auf Eis gelegt. Das zeigt ein von uns veröffentlichter Referentenentwurf zur Strafbarkeit des Betreibens krimineller Handelsplattformen im Internet, der aber weitere Überwachungsmaßnahmen mit sich bringt. Unser Tagesrückblick.

Der bits-Newsletter erscheint auch am Mittwoch.
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Hallo,

wir haben heute den Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz für ein „Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Strafbarkeit des Betreibens krimineller Handelsplattformen im Internet“ veröffentlicht und eingeordnet.

Auch die Debatte ist eine wiederkehrende Sache, wo bisher der Bundesrat und dann das Bundesinnenministerium eigene Gesetzesinitiativen gestartet hatten. Aber das BMJV fühlte sich zuständiger und nun gibt es also den dritten Anlauf. Argumentiert wird die Notwendigkeit des Gesetzes mit Problemen bei der Rechtsdurchsetzung gegen Handelsplattformen im Netz, die hauptsächlich zu kriminellen Zwecken betrieben werden bzw. wo hauptsächlich strafbare Sachen gehandelt werden. Dazu soll ein neuer Straftatbestand §127 im Strafgesetzbuch geschaffen werden.

Die bisherigen Gesetzesinitiativen haben vor allem auf das „Darknet“ geschossen und nahmen als mögliche Kollateralschäden mit, dass auch Infrastrukturen zur anonymen Kommunikation davon betroffen gewesen wären. Es bestand die Gefahr, dass auch Betreiber:innen sogenannter TOR-Exitnodes haftbar gemacht werden könnten, wie sie in Deutschland häufig vom Chaos Computer Club betrieben werden.

Wir nutzen bei netzpolitik.org solche „Darknet“-Infrastrukturen in Form des Tor-Netzwerkes, um unsere Arbeit machen zu können und so wenig Datenspuren bei unseren investigativen Recherchen und beim Kontakt mit Quellen zu hinterlassen wie nur möglich. Viele andere Journalist:innen und Aktivist:innen machen dasselbe. Vor allem dann, wenn sie in repressiven Staaten tätig sind, wo unverschlüsselte Kommunikation direkt ins Gefängnis oder gar in die Folterkammer führen kann.

Verschlüsselte Kommunikation ist essentiell für den Schutz der Pressefreiheit, aber auch für die Informations- und Meinungsfreiheit. Insofern ist es positiv, dass diese möglichen Kollateralschäden zumindest aus diesem Referentenentwurf rausgeflogen sind. Allerdings kennen wir noch nicht die Reaktion des Bundesinnenministeriums und lassen uns mal überraschen, ob das auch so bleibt. Wir bleiben wachsam.

Andre Meister hat den Entwurf und die Einordnung: Justizministerin Lambrecht will illegale Märkte verbieten.

Wer Internet-Plattformen betreibt, auf denen strafbare Produkte gehandelt werden, soll mit fünf Jahren Haft bestraft werden. Das sieht ein Gesetzentwurf des Justizministeriums vor, den wir veröffentlichen. Einen „Darknet“-Paragrafen soll es nicht geben, doch auch dieser Entwurf geht ziemlich weit.

Kurze Pausenmusik:

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Neues auf netzpolitik.org

Alexander Fanta und Leonard Kamps haben sich die EU-Datenstrategie und die zivilgesellschaftliche Kritik daran angeschaut: EU möchte europäische Datenräume schaffen.

Ein neuer Gesetzesvorschlag aus Brüssel soll das Teilen wertvoller Datensätze durch Firmen und Behörden erleichtern. Vage Definitionen im Entwurf und schwache Anonymisierungsvorgaben sorgen allerdings für Bedenken bei Datenschützer:innen.

Was sonst noch passierte:

Die New York Times hat wieder umfassende Einblicke in die Diskussionen bei Facebook bekommen und gibt einen Überblick, wie rund um die US-Wahl mit Desinformation umgegangen wurde. Es ist leider schlimmer als befürchtet, aus kommerziellen Gründen hat man sich eher für freie Fahrt für Desinformation entschieden. Lang, spannend und frustrierend: Facebook Struggles to Balance Civility and Growth.

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In der russischen Duma wird aktuell über ein Gesetz diskutiert, mit dem Plattformen gesperrt werden sollen, die russische Staatsmedien löschen oder benachteiligen. Konkret sind damit Propagandamedien wie RT, Sputnik und Co gemeint, deren Beiträge immer häufiger wegen Desinformation auf Plattformen wie Facebook, Youtube und Co gelöscht oder Fakten-Checks unterzogen werden: Maulkorb für Plattformen.

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In NRW hat man mal wieder rechtsextreme Chatgruppen bei der Polizei gefunden, diesmal gab es Razzien bei einer Gruppe von Polizisten aus Mülheim und Essen, die gemeinsam kegelten: Neue Razzien wegen rechtsextremer Polizei-Chats.

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Ein Sonderermittler hat für die Geheimdienstkontrolleure im Bundestag untersucht, ob in unseren Sicherheitsbehörden „energisch genug“ gegen Rechtsextreme vorgegangen wird. Das Ergebnis nennt der Spiegel „besorgniserregend“, man kann auch sagen, leider wie zu erwarten. Vor allem der Militärische Abschirmdienst (MAD) soll versagen. Das ist angesichts vieler Einzelfälle, verschwundener Waffen und unzähliger gegrölter Naziliedern keine große Überraschung, aber das soll jetzt wieder in einem Bericht festgehalten werden: Militärgeheimdienst versagt im Kampf gegen Rechtsextremisten.

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Einen guten Überblick in die Geschichte und Meme-Kultur des QAnon-Verschwörungsmythos bietet ein langer Blogpost auf Medium: “Qanon” is Propaganda, and we know who’s responsible. Vor allem wegen der vielen visuellen Referenzen ist der Artikel lesenswert.

Video des Tages: Baerbock und Habeck bei Nazis

Die NDR-Dokumentation „Kurs aufs Kanzleramt?“ hat die grüne Doppelspitze Annalena Baerbock und Robert Habeck die vergangenen 18 Monate begleitet. Das gibt etwas Einblick in die grüne Partei und wie die beiden in ihre Rolle gefunden haben.

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Das Funk-Format STRG_F hat der Nazi-Band „Erschießungskommando“ hinterher recherchiert und mit Menschen wie Katharina König-Preuss, Landtagsabgeordnete der LINKEN in Thüringen, gesprochen, die Opfer von Bedrohungen durch die Band und ihre Fans wurden: Nazi-Band „Erschießungskommando“: Wer steckt dahinter?

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Das war es für heute. Viele Grüße und bleibt gesund,
Markus Beckedahl

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