Telekom StreamOn: Netzneutralität verletzen zahlt sich aus

Mit ihrem StreamOn-Produkt verletzt die Telekom Deutschland seit langem die Netzneutralität. Stimmt nicht, sagt der Netzbetreiber und wehrt sich rechtlich gegen Verfügungen und Gerichtsurteile. Bislang kommt sie damit durch – und verdient mit ihrem Regelbruch gutes Geld.

Wenn alte Geschäftsmodelle wegfallen, dann suchen sich Netzbetreiber neue. CC-BY-SA 2.0 Thomas Cloer

Gesetze brechen zahlt sich aus – wenn man einen langen Atem und eine gute Rechtsabteilung hat. Seit Jahren verletzt die Telekom Deutschland mit dem Produkt StreamOn ungestraft die Netzneutralität und macht dabei ein gutes Geschäft.

Da nützen auch Gerichtsurteile, Verfügungen oder Proteste nichts: Solange kein rechtskräftiges Urteil vorliegt, reizt die Telekom den rechtlichen Spielraum so weit es geht aus. Verständlich, denn selbst bei einer endgültigen Verurteilung drohen nur zahnlose Bußgelder von wenigen Hunderttausend Euro – eine Lappalie für einen Milliardenkonzern.

Die Telekom macht sich dabei zwei Schlupflöcher zunutze. Zum einen hatte die Bundesregierung in der vergangenen Legislaturperiode darauf verzichtet, spürbare Sanktionen für Netzbetreiber gesetzlich festzuschreiben. Zum anderen ließ sie die größte Lücke in den EU-Regeln zur Netzneutralität offen, die sogenannte Zero-Rating-Angebote möglich macht.

StreamOn untergräbt offenes Internet

Mit StreamOn bietet die Telekom ein solches Zero-Rating-Produkt an, das in manchen Tarifen den Zugriff auf spezielle Partnerdienste vom monatlichen Datenvolumen ausklammert. Auf YouTube lassen sich dann (illegalerweise nur im Inland) sorgenlos Videos streamen, auf dem Konkurrenzportal Vimeo dagegen nicht.

Der Videoanbieter will sich lieber auf seine Kernkompetenz – Videostreaming – konzentrieren, anstatt seine technische Infrastruktur an die Vorgaben einzelner Netzbetreiber anzupassen, schrieb das US-Unternehmen damals an die Bundesnetzagentur. Über solche Mechanismen wird letztlich die Netzneutralität ausgehöhlt, warnen Verbraucherschützer.

„Die Diskussion um die Notwendigkeit der gesetzlichen Sicherung einer echten Netzneutralität führen wir seit vielen Jahren“, ärgert sich der grüne Bundestagsabgeordnete Konstantin von Notz. Seit gefühlten Ewigkeiten fordert er eine gesetzliche Regelung auf nationaler Ebene. Dieser habe sich die Bundesregierung aber stets verweigert und halte lieber „Sonntagsreden zur Netzneutralität“. Dabei nehme sie bewusst in Kauf, „dass eines der grundlegendsten Prinzipien eines freien und offenen Netzes zu Gunsten weniger großer Firmen ausverkauft wird“, sagt von Notz.

Andere Telekomkonzerne kopieren das Modell

Alleine steht die Telekom mit ihrer Praxis beileibe nicht da. Auch der Wettbewerber Vodafone bietet ein ähnlich problematisches Produkt an und musste ebenfalls nachbessern. Einige Vorgaben der Regulierer hat das britische Unternehmen bereits umgesetzt, in einem anderen Fall läuft ein Gerichtsverfahren.

Dieses Vorgehen ist eher die Regel als Ausnahme, wie wir im Sommer nachgezeichnet haben. „Am Ende steht vermutlich eine winzige Strafe einer sehr lukrativen und jahrelangen Rechtsverletzung gegenüber“, sagte damals Thomas Lohninger von der Digital-NGO epicenter.works voraus. „Davon werden andere Telekomkonzerne lernen.”

Daraus ist mittlerweile fast schon ein Running Gag geworden. Nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts Köln im November schrieb die Bundesnetzagentur ausgewählte Medienvertreter an und kündigte ihnen gegenüber an, nun aber wirklich durchgreifen zu wollen.

Der seinerzeit in Aussicht gestellte Stichtag, der 4. Dezember, ist schon lange verstrichen, passiert ist aber immer noch nichts. Nun vertrösten die Regulierer auf Ende März. Hier die vollständige Antwort für leidensfähige Leserinnen und Leser:

Im Anschluss an den Beschluss des VG Köln vom 20.11.2018 hat die Bundesnetzagentur die Telekom Deutschland GmbH aufgefordert, unserer Anordnung vom 15.12.2017 Folge zu leisten. Die Telekom Deutschland GmbH hat dies abgelehnt und Beschwerde zum OVG Münster eingelegt. Aus Rechtsgründen war die zunächst gesetzte Frist anzupassen. Wir erwarten nun die Umsetzung zum 31.3.2019. Während der Rechtshängigkeit der Beschwerde der Telekom hängt eine Fortsetzung des Vollstreckungsverfahren von Maßgaben des OVG Münster ab. Sofern das OVG Münster nicht anders entscheidet, erwartet die Bundesnetzagentur die Umsetzung der Anordnung zum o.g. Termin.

Korrektur, 17. Januar 2019: Im ersten Absatz „macht dabei ein Millionengeschäft“ durch „macht dabei ein gutes Geschäft“ ersetzt.

4 Ergänzungen

  1. Könnte der Autor bitte quatifizieren wieviel Geld tatsächlich bei der Telekom damit verdient wird („und macht dabei ein Millionengeschäft“)?
    Könnte der Autor auch bitte anfügen welches Gesetz denn nun verletzt wird („Gesetze brechen zahlt sich aus“)?

    1. 1.) Halbwegs genaue Zahlen liegen (noch) nicht vor, aber eine grobe Schätzung lässt diesen Schluss zu. Die Recherche läuft, um die Behauptung besser zu untermauern. Auf jeden Fall verkauft die Telekom StreamOn als Erfolg, so schlecht kanns also nicht laufen.

      2.) Unter anderem Art. 3 Abs. 3 und Art. 6a der TSM-Verordnung, aber das weißt du selbst auch. Details gibts hier: https://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_koeln/j2018/1_L_253_18_Beschluss_20181120.html

    2. Ich hab jetzt nochmal in Ruhe darüber nachgedacht und die Stelle überarbeitet. Danke für die Ergänzung.

  2. Hallo,

    wir haben ein kleines mittelständiges Unternehmen in Würzburg und betreiben mehrere Server für unsere Projekte und Geschäftskunden bei unserem Provider Hetzner. Nun beklagen sich einige unserer Geschäftskunden – die zeitgleich auch Kunden der Deutschen Telekom sind – insbesondere in den Abendstunden darüber, dass die Verbindungsqualität zu den Servern bei Hetzner immer mehr nachlässt, so dass ein Arbeiten mitunter kaum mehr möglich sei.

    Laut Hetzner gibt es hier das Problem des Double Paid Traffic (siehe https://wiki.hetzner.de/index.php/Double_Paid_Traffic). In den Abendstunden werden große Contentanbieter (ich tippe mal auf Google/Youtube, Amazon (Prime), eBay, Netflix, Facebook, Spotify, etc.) von der Telekom bevorzugt behandelt/geroutet. Hetzner und somit auch uns wird ein direkter und schneller Weg zum DSL-Kunden von der Telekom verwehrt, die Netzneutralität wird hier in meinen Augen absolut verletzt.

    Wir werden nun gezwungen für einen Extra-Uplink von Hetzner zum Netz der Telekom zu bezahlen, damit unsere Geschäftskunden, die allesamt antiquarische Buchhändler sind und ihre Steuern in Deutschland bezahlen auch in den Abendstunden noch vernünftig arbeiten können. Wir sind erstmal dankbar, dass Hetzner uns das überhaupt anbieten kann und wir unsere Kunden weiterhin befriedigen können. Aber andererseits wird hier mal wieder Politik zu Lasten der Deutschen Wirtschaft gemacht.

    Das Telekom-Netz (und auch jedes Netz der anderen Provider) hat sich erstmal absolut neutral zu verhalten und jedes IP-Paket gleich schnell durchzuleiten. Wenn (US)-Großkonzerne die Netze über Gebühr beanspruchen, gehören diese gerne zur Kasse gebeten um damit den Netzausbau weiter voranzutreiben und Engstellen zu beseitigen. Es kann nicht sein, dass Youtube, Netflix, Amazon schnell laden aber Internetseiten von kleineren Unternehmen langsam werden oder ganz ausfallen.

    Die Kosten für den DTAG-Uplink halten sich pro Server zwar aktuell im Rahmen, aber der Endkunde hat bereits für seinen DSL-Anschluß und freien Zugang zum Internet bezahlt. Ich frage mich echt, wohin das noch führen soll, wenn die Politik dem keinen Riegel vorschiebt. Irgendwann werden es sich kleinere Unternehmen vermutlich gar nicht mehr leisten können, mit ihren Webseiten und Projekten ihre Kunden zu Stoßzeiten zu erreichen.

    Schöne Grüße aus dem ausgebremsten Internet

    PS: Wir sind nicht alleine mit dem Problem: https://telekomhilft.telekom.de/t5/Telefonie-Internet/Internet-abends-extrem-langsam-seit-Monaten/td-p/3804427

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