StreamOn: Verbraucherschützer sehen Netzneutralität verletzt

Statt unbegrenztem Musik- und Videostreaming bringe StreamOn weniger Wahlfreiheit und teure Tarife, kritisieren Verbraucherschützer. Sie fordern gegenüber der Bundesnetzagentur ein Verbot des Zero-Rating Produkts der Deutschen Telekom.

CC-BY-NC-ND 2.0 Matt Thorpe

Verbraucherschützer sehen die geltenden Regeln zur Netzneutralität durch das Deutsche Telekom-Produkt „StreamOn“ verletzt. Es bringe „langfristig erhebliche Nachteile für Verbraucher“, erklärt der Bundesverband der Verbraucherschutzzentralen (vzbv) in einer Stellungnahme (pdf) an die Bundesnetzagentur. Der vzbv fordert darin ein Verbot von StreamOn.

Das jüngst gestartete StreamOn verspricht Deutsche-Telekom-Kunden je nach gebuchtem Paket unbegrenzten Musik- und Videokonsum – ohne Auswirkungen auf ihr Datenvolumen. Freilich gilt das Angebot nur bei teilnehmenden Internetfirmen. Damit handelt es sich bei StreamOn um eine Form von Zero-Rating, die nach Ansicht der Deutschen Telekom mit den neuen Regelungen zur Netzneutralität zu vereinbaren ist. Jeder Anbieter von Inhalten im Internet könne sich zu StreamOn kostenlos anmelden, heißt es. Bisher sind jedoch vor allem große Unternehmen wie Youtube, Amazon-Prime, ZDF und Netflix auf der Liste der teilnehmenden Anbieter zu finden.

Weniger Wahlfreiheit und höhere Preise

Das wird nach Ansicht des vzbv auch so bleiben. Denn für kleinere ausländische und europäische Anbieter von Musik- und Videostreaming seien die „administrativen, finanziellen und sprachlichen Hürden“ zu hoch. Darunter leiden wiederum die Verbraucher, weil sie weniger Wahlfreiheit haben und wenige Anbieter den Markt bestimmen würden, heißt es in einer Pressemitteilung. Ein weiterer Kritikpunkt: StreamOn wirke sich negativ auf künftige Innovationen aus, da die Deutsche Telekom spezifische technische Vorgaben für die Aufnahme in das Angebot festgelegt hat. Dies benachteiligt laut vzbv andere technische Lösungen.

Verbot von StreamOn

StreamOn sei daher eine unzulässige Form von Zero-Rating und verstoße gegen die Regelungen zur Netzneutralität. Folglich sei das Produkt zu verbieten. Damit schließt sich der vzbv der Analyse von netzpolitik.org-Autor Thomas Lohninger weitestgehend an. Mit der Stellungnahme reagiert der Verband auf einen von der Bundesnetzagentur bereits im April eingeleiteten Prüfvorgang. Die Regulierungsbehörde hatte angekündigt, das Angebot „sorgfältig zu prüfen“.

Statt Zero-Rating-Angeboten fordert Florian Glatzner vom vzbv günstige und ausreichende Datenpakete:

Für Verbraucher kann es sich kurzfristig lohnen, wenn die Nutzung von Videos nicht auf ihr Inklusivvolumen angerechnet wird. Dann muss das aber auch für alle Video-Angebote gelten und darf nicht einzelne Anbieter bevorzugen. Grundsätzlich wären Tarife wünschenswert, die von vornherein ein ausreichendes Datenvolumen zu einem angemessenen Preis zur Verfügung stellen.

Dass StreamOn gerade für kleinere Inhalteanbieter viele Fallen bereit hält, die ihnen teuer zu stehen kommen könnten, zeigte jüngst der Fall des Podcasters Timo Hetzel. Er verwarf seinen ursprünglichen Plan an dem Angebot teilzunehmen wieder, da er in den Anforderungen zu viele „unkalkulierbare Risiken“ fand.

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12 Ergänzungen

  1. Liebe Mitmenschen,
    Liebe Netzneutralitäts-Fetischisten,

    die utopische – rein theoretische – Vorstellung man könne JEDEN Datenverkehr in aller Welt gleichbehandelt weiterleiten ist großer Schmarn. Wie es schon in unserem Rechtssystem ist, kommt es auf die differenzierte Betrachtung des Einzelfalls an.

    Die Praxis zeigt: Datenpakete haben einen Header und deren zusammengesetze Gestallt bildet die Information. Mal ist dies eine lahme Webseite, mal eine echtzeitkritische Anwendung wie ein Stream oder VoIP-Telefonat. Nur Hoster wie Amazon, Netflix & Co. investieren in CDNs und weltweite Redundanz in die physische (wirtschaftlich tragfähige) Infrastruktur. Dem kleine popplige Arzt mit seiner alle 2 Jahre aktualisierten Webseite beim Wald und Wiesen Hoster ist das völlig egal.

    Nun kommt die Telekom und geht auf die Content-Provider zu und macht einen Deal: „Ihr gibt uns den Content in unterschiedlichen Codierungen, damit die Netze nicht überlastet werden. – Und ihr bekommt dafür mehr Mobilfunk-Nutzer.“ – Von einer finanziellen Aufwandsentschädigung ist bisher nichts bekannt geworden…

    Der T-Doof-Kunde, wie ich einer bin, hat seit Jahren haufenweise Geld in den Laden und in Festnetz- u. Mobilfunk-Verträge gesteckt: Warum? Weil immer schon der Service und die Infrastuktur allen anderen voraus war. Wo gibt es schon 40 MBit/s Upstream im Festznetz zu humanen Preisen? – Und jetzt kommt die Telekom und SCHENKT einem das Transfervolumen für die fieseste Anwendung im Mobilfunk-Bereich: Audio & Video.

    Ehrlich mal, Kinder: Anstatt über den Fortschritt der Welt rumzujammern, solltet ihr lieber an eure Reseller ohne eigene Infrastruktur einen Brandbrief schicken, wieso die es nicht fertig bringen ein ähnliches Angebot auf die Beine zu stellen. – Ach ja, weil sie euch schon geantwortet haben: „Verehrter Kunde, bei Ihrem Prepaid-Tarif mit der Gratis-SIM und 10€ Umsatzbeteiligung pro Monat, können wir uns kaum den Büro-Kopierer in Polen leisten. Bitte wechseln sie doch, wenn es ihnen nicht passt“. :P

    Leute, Infrastruktur + Betrieb kostet reales Geld (!!!).
    Nur weil ihr von der Geiz ist Geil Werbung großgezogen wurdet, heißt das nicht, dass dies auch so funktioniert. Selbst Open Source Softwareentwickler leben nicht in Zelten unter Brücken mit der Hand im Mund. Irgendwer muss am Ende solche Dienste auch bezahlen. – Ich für meinen Teil bin nun endlich zufrieden:

    45€/mtl. = LTE Max + 7 GB Traffic + 3 MultiSIMs + HotSpot Zeugs + Magenta1 Vorteil (10€ Rabatt + Entertain TV mobile + StreamOn HD + kostenloses Data Comfort S mit 2 GB extra, etc + z. Zt. 2 FamilyCards)

    Ihr seht: Wer blecht, bekommt auch was dafür.

    Cheers

    1. Sie schreiben „Und jetzt kommt die Telekom und SCHENKT einem das Transfervolumen für die fieseste Anwendung im Mobilfunk-Bereich: Audio & Video.“, was eben gerade nicht zutrifft. Denn die Forderung des vzbv „Dann muss das aber auch für alle Video-Angebote gelten und darf nicht einzelne Anbieter bevorzugen.“ ist eben gerade nicht erfüllt. Exakt hier liegt das Problem. Dass die Telekom damit einzelne Nutzer zufriedenstellt, deren bevorzugte Musik-/Video-Anbieter dabei sind, mag durchaus sein. Andere wechseln jetzt bereits von ihrem bisherigen Musik-/Video-Anbieter zu einem Anbieter, der bei StreamOn teilnimmt. Somit sind Anbieter benachteiligt und verlieren Kunden und Nutzer, weil sie aufgrund der obengenannten Hürden nicht bei StreamOn dabei sind.

      1. Und wieso sollten die anderen Anbieter und deren Kunden für ein solches Angebot nicht auch dafür mehr zahlen müssen? – Beziehungsweise die Content-Provider ihren Content entsprechend in geeigneter (/verträglich vereinbarter) Bitrate zur Verfügung stellen?

        Entgegen der These im einen Video-Podcasts hier, sind es eben nicht nur Nullen und Einsen die ohne damit verbundene Kosten weitergeleitet werden. Der Betrieb, die Infrastruktur und ganze Organisation kostet echtes Geld. Auf der einen Seite wird dieser Aspekt im Punkto Werbung/Tacking/kostenlose Webportale hier oft gewürdigt, aber merkwürdigerweise nicht, wenn es um die reale Welt geht.

        Nach dem Motto: Was man nicht anfassen kann, kostet auch nichts. Right?

        1. Alle Anbieter zahlen doch bereits an ihren jeweiligen Zugangsprovider, um überhaupt ihre Inhalte ins Internet zu bekommen. Natürlich kann nicht ein kleiner Inhalteanbieter, z.B. in Mexiko, in Südkorea, in Österreich oder wo auch immer nicht noch zusätzlich überall auf der Welt Vorgaben, Bedingungen und etwaige Gebühren lokaler Telekommunikationsfirmen (wie in diesem Fall die Telekom in D) erfüllen und bezahlen. Das führt zu einer Verarmung des Angebots (somit des erfahrbaren Internets) und einer Monopiliserung zugunsten weniger großer Anbieter, die sich den rechtlichen und finanziellen Aufwand überhaupt leisten können.

          1. Und alle User wiederum bezahlen bereits ihren Zugangsprovider, um eben Zugang zum Internet zu bekommen und nicht nur zu einem Ausschnitt desselben.
            Die Telekommunikationsfirmen jedoch möchten neben der reinen Dienstleisterfunktion, den Zugang bereitzustellen, mit der Türsteherfunktion, entscheiden, wer bzw. was rein darf und was nicht, gerne ein zweites Mal abkassieren.

          2. Wenn dieses Geschäftsmodell durch die Regulierung kommt, können sie evtl. sogar dreimal abkassieren:
            1. für den Internetzugang an sich bei Usern und Anbietern
            2. bei Anbietern für „Premiumrechte“ für deren Inhalte, damit sie z.B. von Datenkontingenten ausgenommen werden
            3. bei den Usern, um ihnen Zugang für „Premiumpakete“ zu geben, wo bestimmte Anbieter bevorzugt sind (s. 2.)
            Dann klingelt die Kasse.

  2. Das nennt sich Privatautonomie und halt nicht Netzkommunismus. :P

    Um mal wieder sachlich zu werden: Meines Wissens bezalen die kooperierenden Content-Anbieter im StreamOn Angebot keinen müden Cent extra an die Telekom. Es geht einzig und allein um ein Whitelisting von bestimmten Formaten und deren Servern. – Sollte das Kind eines Tages doch mal in dem Brunnen fallen, wo ich die Zulässigkeit und Begründetheit der Netzneutralitätskritik durchaus nachvollziehen könnte, dann könnte man ja weiter sehen.

    Noch sehe ich in dem Angebot nicht mehr und nicht weniger als einen Bonus für zahlungskräftige Kunden. Wer dieses „Erste Welt Luxus-Problem“ hat, muss halt sein Geldbeutel locker machen. Niemand zwingt den Nutzer sich auf den einschlägigen A/V-Portalen zu informieren: Man kann ja immer noch auf eigene Kosten deren Content konsumieren und selbst den Betriebsaufwand refinanzieren.

    Grade der LTE Mobilfunkbereich ist Telekom und Vodafone dominiert. Wobei letzter mit unseriösen Angeboten und einer merkwürdigen Beratungspraxis ehr zum Außenseiter wird. Der Rest hat quasi kein eigenes Netz. Tja, so ist das, wenn die Kunden den Wert der Leistung nicht zu schätzen wissen. Dann kommt großes Ungleichheitsgejammer.

    1. Meine Befürchtung ist, dass mit StreamOn bei ausbleibender Regulierung das Kind bereits in den Brunnen fällt und später aus diesem Lockangebot langsam aber sicher ein Geschäftsmodell im Sinne von 3x Abkassieren wie oben skizziert werden könnte.
      Außerdem baut StreamOn, wie im Artikel am Beispiel von Hetzel dargestellt, und von mir oben skizziert bereits jetzt Hürden auf, die es kleinen Anbietern erschweren, bei StreamOn einzusteigen.
      Aber vielleicht hast du ja recht und ich bin nur ein pessimistischer „Netzneutralitäts-Fetischist“ :-)

      1. Oder ich habe Unrecht und alles wird jahr für Jahr schlechter ;oP
        Wir werden abwarten müssen.

        PS: Schöner fände ich es ja, wenn sich mehr Leute gegen die Vorratsdatenspeicherung & Co. mobilisieren liesen. Die Gesellschaftsfrage Freiheit vs. Sicherheit hat weit größeres Potential die Rechtsprechung und unsere allgemeine Freizügigkeit zu gefährden als ein paar poplige Exklusiv-Angebote. – Man stelle sich mal vor, jeder Communitybetreiber müsse künftig für jeden Beitrag der Nutzer mithaften und Bildinhalte alle kontrollieren. Ohh ha, da sehe ich die wahren Gefährdungen für unsere demoratische Grundordnung :o)

          1. Danke für den Hinweis. Hab den Artikel bereits gelesen und kann aber auch irgenwo nachvollziehen, dass die Telekom den Begriff Streaming sehr eng auslegt, um Missbrauch („Hamstern von Content“) verhindern will. So kann die Netzauslastung durchaus kalkuliert und entsprechende Kapazitäten bereitgehalten werden. Downloads selbst können da durchaus den Rahmen sprengen.

            Das macht die Telekom sicher nicht um die Anbieter oder Kunden zu ärgern, sondern ehr um eine gewisse Planung ins Bertriebscontrolling zu bekommen.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.