Digitale-Versorgung-GesetzIndustrie freut sich über Gesundheitsdaten, Datenschützer sind besorgt

Der Bundestag beschloss das Digitale-Versorgung-Gesetz mit den Stimmen von SPD und CDU/CSU. DatenschützerInnen und Gesundheitsverbände sehen allerdings weiterhin große Mängel.

Die Medizin auf dem Weg in eine digitale Zukunft – ohne Widerspruchsmöglichkeiten? – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Luis Melendez

Der Bundestag hat gestern das Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) verabschiedet. Die Reaktionen der Politik verlaufen weitestgehend entlang der Parteilinien, Berufsverbände und der Bundesdatenschutzbeauftragte üben Kritik, die Industrie applaudiert.

Das Gesetz schafft eine zentrale Forschungsdatenbank mit Daten aller gesetzlich Versicherten und die Möglichkeit zur ärztlichen Verschreibung von Gesundheitsapps. Außerdem ebnet es den Weg zur Elektronischen Patientenakte. Netzpolitik.org hatte in dieser Woche detailliert über die Gesetzespläne berichtet und sieben Gefahren des Gesetzes zusammengefasst.

Die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen, Maria Klein-Schmeink, sieht im DVG eine „Wirtschaftsförderung für Gesundheitsanwendungen“. Sie fordert, dass das Selbstbestimmungsrecht über die eigenen Daten gewahrt bleiben muss. Achim Kessler von der Linken befürchtet, dass die erhobenen „Daten auch privaten, wirtschaftsnahen Forschungseinrichtungen zur Verfügung gestellt werden“.

Jens Spahn sieht sein Gesetz naturgemäß positiv und erklärte, dass der „Datenschutz auf höchstem Standard“ eingehalten werde. Ähnlicher Meinung ist Dirk Heidenblut von der SPD, er sieht den Datenschutz als „sehr genau und sehr penibel“ beachtet. Seine Fraktion veröffentlichte eine Stellungnahme, wonach sämtliche Bedenken ausgeräumt worden seien.

Widerspruchsmöglichkeit gefordert

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber sieht hingegen Nachbesserungsbedarf. Er spricht sich unter anderem für eine Wi­derspruchsmöglichkeit gegen die Verwendung der eigenen Daten aus, diese ist im jetzigen Gesetz nicht vorgesehen. In einem Tweet betont er explizit, dass seine Bedenken gegenüber dem Gesetz nicht vollständig ausgeräumt wurden.

Der Paritätische Gesamtverband wünscht sich ebenfalls eine Möglichkeit des Widerspruchs gegen die Nutzung privater Daten. Er kritisiert, dass die Einrichtung einer großen Datenbank mit hochsensiblen Daten einer „Einladung an Hacker und Datendiebe“ gleichkomme. Gleichzeitig sei diese Datenbank aber eine Stärkung der Forschung, so der Vorsitzende Rolf Rosenbrock.

Barbara Lubisch, Bundesvorsitzende der Deutschen PsychotherapeutenVereinigung (DPtV), fordert auch, dass PatienInnen bei der Nutzung pseudonymisierter Daten ein Widerspruchsrecht eingeräumt wird. Sie sieht insbesondere Daten zu psychischen Erkrankungen als besonders sensibel und schützenswert an. Des Weiteren solle ein Nachweis der Wirksamkeit und des medizinischen Nutzens bei Apps erbracht werden.

Peter Dabrock, Vorsitzender des Deutschen Ethikrates, empfiehlt in einem Kommentar für die Tagesschau, die PatientInnen als „Ko-ManagerInnen ihrer Daten“ mitzunehmen um eine „datengetriebene Medizin“ voranzubringen.

Industrieverbände sehen DVG positiv

Wirtschaftsvertretern geht das Gesetz hingegen nicht weit genug. Der Bundesverband Informationswirtschaft Bitkom fordert, die „Gesundheitsdaten auch für die private Forschung, sowie für die Hersteller von Medikamenten und Gesundheitsanwendungen“ zugänglich zu machen.

Abgesehen davon sieht Bitkom in dem Gesetz einen „Durchbruch für die Digitalisierung der Gesundheitsversorgung“. Probleme beim Datenschutz sieht man nicht.

Ähnlich äußerte sich der Bundesverband der Deutschen Industrie. Iris Plöger, Mitglied der Hauptgeschäftsführung, sagte dazu: „Die größte Gefahr besteht nicht im Datenmissbrauch, sondern darin, Daten gar nicht erst zu nutzen.“

3 Ergänzungen

  1. „Ähnlich äußerte sich der Bundesverband der Deutschen Industrie. Iris Plöger, Mitglied der Hauptgeschäftsführung, sagte dazu: „Die größte Gefahr besteht nicht im Datenmissbrauch, sondern darin, Daten gar nicht erst zu nutzen.““

    Wenn man als Bürger fordert, dass auch Daten „der Industrie“ so freizügig genutzt und zugänglich gemacht werden, ist schnell Schluss mit lustig.
    Da wird so wenig wie möglich veröffentlicht. Wo kämen wir denn dahin, wenn solche Daten lückenlos in einer EU weiten Datenbank gespeichert werden müssten…?

  2. Die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen, Maria Klein-Schmeink, sieht im DVG eine „Wirtschaftsförderung für Gesundheitsanwendungen“. Sie fordert, dass das Selbstbestimmungsrecht über die eigenen Daten gewahrt bleiben muss.
    Da sind wir aber gespannt, wie die Grünen in den Ländern sich verhalten. Besonders die Hessischen Grünen habe sich in Hinsicht des Datenschutzes nun nicht besonders mit Ruhm bekleckert.

  3. Bis 16.1.2020 Online-Petition 98780 beim Bundestag zeichnen und teilen

    Die zentrale Speicherung der Gesundheits- und Sozialdaten von 70 Millionen gesetzlich Krankenversicherten ohne deren Einwilligung und ohne Widerspruchsmöglichkeit verstösst nicht nur gegen das im Grundgesetz verankerte Recht auf informationelle Selbstbestimmung, sondern auch gegen die DSGVO und gegen die ärztliche Schweigepflicht nach Paragraph 203 StGB. Deshalb verweigern viele Ärztinnen und Ärzte den Zwangsanschluss an die Telematik-Infrastruktur und nehmen Honorarkürzungen und ggf. weitere Sanktionen in Kauf. Wer etwas tun möchte, unterzeichne und teile die Online-Petition 98780 des Bundestages. Bei mehr als 50.000 Unterschriften MUSS sich der Petitionsausschuss mit dem Anliegen befassen. 40.000 Unterschriften auf Papier liegen bereits vor.

    https://epetitionen.bundestag.de/petitionen/_2019/_09/_02/Petition_98780.html

    Text der Petition:
    Der Bundestag möge beschließen, dass Patienten keine Nachteile erleiden dürfen, die ihre Daten nicht in elektronischen Patientenakten (ePA) auf zentralen Servern außerhalb der Praxen speichern lassen wollen. Die Telematik-Infrastruktur (TI) für Ärzte und Psychotherapeuten sowie die Nutzung der ePA für Ärzte und Patienten müssen freiwillig sein. Strafen gegen Ärzte und Psychotherapeuten, die sich nicht an die TI anschließen lassen, dürfen nicht verschärft, sondern müssen abgeschafft werden.

     

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