Noch kein Musterpolizeigesetz: Was die Innenminister stattdessen diskutieren

Überwachung von Chat-Gruppen, Abschiebungen, Predictive Policing und ein gemeinsames Polizei-Netz: Die Tagesordnung der Innenminister für ihr halbjährliches Treffen ist lang. Ein Thema muss jedoch bis nächstes Jahr warten: das geplante Musterpolizeigesetz.

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So könnte die Garderobe der rein männlichen Innenministerkonferenz aussehen (Symbolbild) – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Fancycrave

Zweimal pro Jahr treffen sich die Innenminister und -senatoren der Bundesländer zu einer Konferenz, diesmal kommen sie in Magdeburg zusammen. Von Mittwoch bis Freitag dieser Woche diskutieren sie unter Vorsitz des sachsen-anhaltischen Innenministers Holger Stahlknecht: Es geht um einen bundesweit einheitlichen Tag für Polizei, Feuerwehr und Katastrophenschutz ebenso wie um Terrorabwehr.

Schon im Sommer 2017 beschloss die Innenministerkonferenz (IMK), es müsse ein Musterpolizeigesetz geben, an dem sich die Bundesländer orientieren. Horst Seehofer soll im Innenausschuss des Bundestags gesagt haben, er wolle das harte bayerische Polizeigesetz als Blaupause nehmen. Doch neben dem Freistaat verschärfen auch viele andere Bundesländer ihre Gesetzgebungen – Sachsen oder Brandenburg zum Beispiel. Oder sie haben es bereits getan, wie in Hessen. Die Richtung ist vorgegeben.

Ein Musterpolizeigesetz wird es dieses Jahr nicht mehr geben

Doch die IMK wird dieses Mal noch kein Musterpolizeigesetz vorschlagen, die Erarbeitung dauert noch. Laut Informationen von netzpolitik.org drückt aber Niedersachsen auf die Tube und drängt auf einen beschleunigten Prozess. Daher soll der zuständige Arbeitskreis bis zur nächsten Frühjahrssitzung einen neuen Plan vorlegen. Von einem konkreten Entwurf ist noch nicht die Rede.

Zur Polizeiarbeit gibt es diesmal andere Schwerpunkte: Die Länder wollen ihre polizeiliche IT-Infrastruktur vereinheitlichen. Laut der Deutschen Presseagentur soll Software in einem sogenannten Datenhaus für alle Länderpolizeien entwickelt und anfallendes Datenmaterial einheitlich erfasst werden. Die Finanzierung sollen die Länder anteilig stemmen, entsprechend ihrer Finanzkraft. Bei der nächsten IMK soll das Bundesinnenministerium einen Kostenplan und eine Verwaltungsvereinbarung „Polizei-IT-Fonds“ vorlegen.

Das Projekt Cop Map beschäftigt die Innenminister

Ein anderes Thema ist Cop Map. Die Landkarte ist ein Projekt des Peng! Kollektiv und hat es dank Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier auf die Tagesordnung der IMK geschafft. Die Karte soll auf Polizeigewalt und rassistische Polizeikontrollen hinweisen, indem Nutzer einschlägige Vorfälle und Polizisten melden. Nach Informationen von netzpolitik.org sind sich jedoch nicht alle Bundesländer einig, ob sich extra dafür ein Arbeitskreis der IMK mit der Karte beschäftigen soll.

Desweiteren lässt sich die IMK vom Bundesinnenministerium über den Einsatz von Predictive-Policing-Software informieren und Hessen wird von Pilotprojekten mit Body-Cams berichten. Die Minister wollen auch klären, ob bestehende vertragliche Regelungen zum bundesweiten, gemeinsamen Überwachungszentrum für elektronische Fußfesseln gelten, die zur Gefahrenabwehr dienen sollen. Während zunächst Fußfesseln nur bei tatsächlich straffällig gewordenen Personen eingesetzt werden durften, haben sich mittlerweile einige Bundes- und Landesgesetze geändert. Inzwischen reicht teilweise allein der Verdacht, dass jemand eine schwere Straftat begehen könnte, um den Aufenthaltsort dieser Person elektronisch überwachen zu dürfen.

Die Länderminister beschäftigen sich auch mit IT-Sicherheit und lassen sich vom Cyber-Sicherheitsrat Bericht erstatten. Sie planen darüber hinaus einen Beschluss zur Sicherheit von IoT-Geräten und wollen die Bundesregierung auffordern, Mindeststandards für IT-Sicherheit weiter auszudefinieren.

Überwachung von rechten Chatgruppen auf der Tagesordnung

Laut Informationen des MDR soll die Überwachung von Chatgruppen auf der Tagesordnung stehen. Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen forderten demnach, Internet-Chatgruppen überwachen zu dürfen, die für rechtsextreme Demonstrationen mobilisieren.

Weitaus mehr öffentliche Aufmerksamkeit als Digitalthemen haben andere Tagesordnungspunkte der IMK bekommen: Die Politiker diskutieren über den Umgang mit AfD-Jugendorganisationen, wie weit der Abschiebestop nach Syrien verlängert werden soll oder ob künftig Fußballfans mit Haftstrafen rechnen müssen, wenn sie Pyrotechnik in Stadien zünden.

5 Ergänzungen

  1. Wie die Stuttgarter Nachrichten vom 27.11.18 berichten, will Baden-Württemberg künftig verstärkt “privat“ Abschieben lassen; ausländische Airlines und “Balkan-Security“ (z.B. rumänische Sicherheitsfirmen) kamen hierbei – für deutsche Abschiebungen/Rückführungen – bereits zum Einsatz: “(…) Strobl will seinen Vorschlag der Innenministerkonferenz von Bund und Ländern unterbreiten, die von Mittwoch bis Freitag in Magdeburg tagt. (…)“, so die Stuttgarter Nachrichten.

    https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.strobl-will-abschiebung-von-mehr-gambiern-private-polizei-soll-abschiebung-forcieren.a06f508a-e6fe-4256-8c17-011c4c43b1b9.html

    Wie derartige “private Abschiebungen/Rückführungen“ aussehen können hat kürzlich (26.11.18) der Flüchtlingsrat Niedersachsen veröffentlicht:

    Gewalttätige Massenabschiebung der Bundespolizei?

    https://www.nds-fluerat.org/35560/aktuelles/gewalttaetige-dublin-massenabschiebung-der-bundespolizei/

  2. Es ging auch um Pünktchen.
    Hier wird auch wieder wie bei der eGesundheitskarte für Flüchtlinge an der schwächsten Gruppe ausgetestet, was „geht.“

    Mittwoch, 28. November 2018
    Innenminister beratenPunktesystem soll Flüchtlinge bewerten

    Kriminelle Flüchtlinge sollen je nach Schwere der Straftat Maluspunkte erhalten. Ab einer bestimmten Zahl könnten sie dann ausgewiesen werden. Der Plan des Bundeskriminalamtes könnte schon rasch umgesetzt werden.

    https://www.n-tv.de/politik/Punktesystem-soll-Fluechtlinge-bewerten-article20744324.html

    31.10.2018 18:04 Uhr
    Experten warnen vor „Super-Scoring“ à la China in Deutschland
    Ein Sachverständigenrat sieht in einem Gutachten Gesetzgeber und Aufsichtsbehörden in der Pflicht, ein „Social Credit“-Bewertungssystem zu verhindern.
    Von Stefan Krempl

    https://www.heise.de/newsticker/meldung/Experten-warnen-vor-Super-Scoring-a-la-China-in-Deutschland-4208327.html

    Man will keine Mauer bauen und auch kein Scoringsystem einrichten!

  3. Wenn man sich vor Augen führt, wie der ehemalige RAF Anwalt Otto Georg Schily sich als Bundesinnenminister verhalten hat stellt sich die Frage, was einen derartigen Sinnes- / Gesinnungswandel verursacht haben kann? Mir fällt dazu nur eine logische Erklärung ein die da lautet: Dienste wie das Bundesamt für Verfassungsschutz malen (um ihre Existenz zu rechtfertigen) derartige Horror Szenarien an die Wand, dass gutgläubige Bundesinnenminister wie von diesen Diensten gewünscht reagieren.

    Das viele dieser Maßnahmen mehr publikumswirksame Schaumschlägerei sind als etwas an den Ursachen zu ändern wird von großen Teilen der Wähler bei der nächsten Wahl ignoriert.

    1. Nur sind diese Schaumschlägereien zugleich die Sargnägel einer freien Gesellschaft, der Bürger- und Grundrechte und somit brandgefährlich. Erst vor dem Hintergrund einer allgemeinen Entwicklung zu Polizeistaat und neuerlichem Faschismus in Europa. In Frankreich wurde der Ausnahmezustand kurzerhand per Gesetz zum Normalzustand erklärt. Eine aus Tschechien kommende EU-Justizkommissarin ignoriert jeglichen Hinweis auf Wahrung des Grundrechtsschutzes, in immer mehr EU-Staaten sind faschistoide Parteien (neudeutsch als rechtskonservativ verharmlost) an der Macht oder zumindest an der Regierung beteiligt. Ich sehe neuerlich dunkle Zeiten für Europa kommen.

  4. @ Togijak
    Diese Entwicklung des Rechtsanwalts Schily beschäftigt mich auch seit Jahren und zwar weil er von einem exzellenten Strafverteidiger zu einem knallharten Innenminister wurde. Deine logische Erklärung ist eine mögliche. Ich glaube an eine andere: Er hat als Strafverteidiger von Terroristen Einblicke gewonnen, die ihn zu dem knallharten Minister gemacht haben. Denn so einem professionellen Strafverteidiger kann man beim besten Willen keine Gutgläubigkeit unterstellen.

    @skinnie
    Schon richtig, die Sicherheitsorgane neigen dazu, extreme Bilder zu zeichnen und sind insofern eine Gefahr für die Freiheit. Auf der anderen Seite fällt doch auf, dass
    (1) sehr viele der als Vergewaltiger und Totschläger auffallenden Immigranten schon vorher wegen Gewalttätigkeit polizeibekannt waren, ohne angemessene Sanktionen zu erfahren;
    (2) unsere Gesellschaft massiv von organisierten kriminellen Strukturen unterlaufen wird (organisierter Sozialbetrug, Rauschgifthandel, Schutzgelderpressung) und sich diese Strukturen mittels IT-Tools organisieren;
    (3) sich brutale Gewalttäigkeit wie bei G 20, Im Umfeld von Fussballspielen und im Kontext rechter Demonstrationen auf Internetplattformen zur Gewalt verabredet.

    Deshalb müssen sich auch die Sicherheitsbehörden darauf einstellen mit neuen Rechtsgrundlagen, InternetRecherche und konsequenterem Durchgreifen. Wir werden unser grosszügiges auf Resozialisierung ausgerichtetes Straf- und Ermittlungsrecht so nicht mehr aufrecht erhalten können.

    Schon jetzt driften wir auf ein Zweiklassenrecht hin: Wer einen festen Wohnsitz hat, Führerschein und geregeltes Einkommen wird eher sanktioniert, als jemand der das nicht hat. Der bleibt weitgehend unbehelligt. Wenn wir den Gleichheitssatz aufrecht erhalten wollen, müssen sich alle auf eine härtere Gangart einstellen.

    Wollen wir dennoch eine liberale Gesellschaft bleiben, müssen wir mehr Eingriffe zulassen aber auf der anderen Seite was tun: Kontrolle der Sicherheitsbehörden, Grenzen der Eingriffe definieren.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.