Nach Like in den Fokus: Bremer Verfassungsschutz durchforstet Internet mit eigener Software

Der Inlandsgeheimdienst der Hansestadt rückt offen zugänglichen Internetinhalten mit „analytischen Methoden“ auf die Pelle. Damit will der Dienst „Terrorpropaganda von Islamisten“ und „linksextreme Mobilisierungsvideos“ aufspüren. Wer oft das Wort „Dialog“ benutzt, hat wenig zu befürchten.

Wer dieses G20-Mobilsierungsvideo geliked oder geteilt hat, könnte in Bremen Probleme bekommen. (Screenshot) – Alle Rechte vorbehalten YouTube

Der Bremer Verfassungsschutz durchsucht das Internet nach bestimmten Schlüsselwörtern, um damit „Extremismus“  aufzuspüren. Das berichten mehrere regionale Zeitungen unter Berufung auf den Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV), Dierk Schittkowski. Demzufolge habe ein Mitarbeiter des Dienstes einen linguistischen Algorithmus namens „LEA“ entwickelt, mit dem Soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter analysiert werden.

Mit „LEA“ sollen der Tageszeitung „Weser-Kurier“ zufolge extremistische Inhalte identifiziert werden, „die vorher nicht als solche zu erkennen waren“. Im Fokus stünden demnach „Terrorpropaganda von Islamisten, fremdenfeindliche Hetze, linksextreme Mobilisierungsvideos oder ‚Reichsbürger‘-Videos“.

Suche nach auffälligen und häufigen Wörtern

Laut dem Verfassungsschutz werden derzeit nur offen zugängliche Inhalte in sozialen Medien durchsucht. Personenprofile oder geschlossene Gruppen und Foren seien nicht Gegenstand der „analytischen Methoden“. Das dabei genutzte Verfahren wird als „Open Source Intelligence“ (OSINT) oder „Social Media Intelligence“ (SOCMINT) bezeichnet.

Der Inlandsgeheimdienst nennt die Technik ein „Frühwarnsystem“ zum Aufspüren neuer extremistischer Gruppen. Die gefundenen Beiträge dienten außerdem als Beweismaterial. Dies würde bedeuten, dass auch die Polizei über Ergebnisse der Absuche informiert wird.

Die Bremer Software sucht hierzu nicht nur nach bestimmten Zeichenfolgen, sondern berücksichtigt auch die Häufigkeit bestimmter Wörter. Extremistische Gruppen würden beispielsweise oft Begriffe wie „Islamist“ verwenden, während bei nicht-extremistischen Gruppen eher das Wort „Dialog“ zu finden sei.

Keine Auskunft vom Senat

Nach Auskunft des obersten Bremer Verfassungsschützers geraten NutzerInnen auch durch Interaktionen in den Fokus des Dienstes. Ein Bericht zitiert den LfV-Chef mit den Worten, „wenn jemand 100mal Hassbotschaften liked, und das jeden Tag, dann haben wir auch den im Blick“. Laut Schittkowski machen sich NutzerInnen durch das Liken, Teilen oder Retweeten bestimmter Beiträge „bewusst oder leichtfertig zum Gehilfen“. Die Betroffenen müssten deshalb damit rechnen, das Interesse der Sicherheitsbehörden auf sich zu ziehen.

Eine Informationsfreiheitsanfrage an den Senator für Inneres in Bremen, in der nach Richtlinien und Verwaltungsvorschriften für Polizei und Verfassungsschutzamt zur offenen Internetbeobachtung gefragt wird, bleibt übrigens seit vier Monaten unbeantwortet. Dabei ging es auch um die Software zur Verarbeitung der gefundenen Massendaten.

13 Ergänzungen

  1. Na Glückwunsch. Was Hassbotschaften sind, bestimmt am Ende natürlich der Dienst, und wenn du nicht in den Fokus geraten möchtest, dann interagiere am besten nicht mit potentiell kritischen Botschaften. Das erinnert vermutlich nicht ohne Grund an den Sesame Credit aus China….

  2. Wir haben einen Reiseblog über Island und ich habe da relativ paranoide Einstellungen was Crawler angeht, so das sie gelegentlich geblockt werden. Ich bekomme dann eine Mail und da stand der dann hier drin:
    User IP: 195.200.70.45
    User hostname: mwg45.bayern.de
    User location: Munich, Germany

    Ist das wohl der bayrische Verfassungschutz? Welcher Crawler hat sonst bayern.de?

    1. Wenn sie crawler verwenden die sich als solche erkennbar geben, dann sind da keine Profis am Werk. Solange man also noch etwas mitbekommt, ist idR alles in Butter ;-)

    2. @Volker sagt: 13. Februar 2018 um 11:49 Uhr

      Der qualifizierte Crawler von Schnüfflern dürfte sich als google.bot oder Verwandte durch das Netz bewegen.

      Hier das Ergebnis der whois-Abfrage in Linux:

      inetnum: 195.200.70.0 – 195.200.71.255
      netname: LFSTAD-NET
      descr: IT-Dienstleistungszentrum des Freistaats Bayern
      country: DE
      org: ORG-LFDB1-RIPE
      admin-c: FH1957-RIPE
      tech-c: FH1957-RIPE
      status: ASSIGNED PI
      mnt-by: RIPE-NCC-END-MNT
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      mnt-by: ARCOR-MNT
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      phone: +49 89 2119 4478
      fax-no: +49 89 2119 14478
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      Nähere Auskünfte also unter der oben angegebenen Adresse.

  3. „fremdenfeindliche Hetze“ ?

    Antisemitismus, Rassismus, İslamophobie gegen hier geborene Menschen ist kein Fall von „Fremdenfeindlichkeit“. Es sei denn, Juden, Muslime etc. werden als fremde betrachtet, aber das ist ein anderes Thema.

    1. Hä?
      a) das entschuldigt die Hetze nicht, egal welche Diskussion von „fremd“ ihr nun zugrunde liegt
      b) hat nix mit dem Thema zu tun

  4. Zum Thema „liken von youtube-videos“ habe ich mal eine Frage: Wer sagt denn, dass ich meine gelikten Videos auch Inhaltlich gut finde? Denn das ist ja der Schluss, der daraus gezogen wird, wenn man in ein Raster gerät, sobald man problematische Inhalte liked. Allerdings „like“ ich Youtube-Videos aus unterschiedlichen Gründen:
    1. Ich möchte die Arbeit des Kanals würdigen, der das Video produziert hat, teile aber die politische Auffassung der Inhalts nicht. Als Beispiel: Ich like ein Video von „Jung&Naiv“ in dem er Gauland von der AfD interviewt. Macht mich das nun unbegründeterweise zum AfD-Fan?
    2. Ich like Videos, weil ich diese in irgendeiner Form für relevant halte. Google bietet die nützliche Funktion die von einem gelikten Videos in einer Liste darzustellen.
    3. Ich like auch, weil mir der Inhalt eines Videos gefällt.

    Wo wird nun zwischen diesen drei Fällen differenziert? Wird überhaupt differenziert?

  5. Nunja, was lernen die Andersdenkenden?

    Aus Isla’Mist wird der Islandmist oder Dialogverweigerer oder ein Dogmenvertreter, letztere könnte auch ein radikaler Christ sein, aber in der Szene weiß man Andeutungen richtig zu deuten, ansonsten entschuldigt man sich nach einer Missdeutung, beim Besuch im Krankenhaus!

  6. Also immer Worte wie Toleranz, Dialog usw einbauen.
    Oder einfach die Bedeutung bestimmter Worte in der eigenen InGroup entfremden.
    Klingt wie Arbeitsbeschaffung.

    1. Das richtige Wortkombination wäre „Creative Blockchaining“!
      Warum? Nun jeder (Rechner) muss einen Zettel mit den Ganzen Synonymen (verteilte Datenbanken) haben, um die Interne Kommunikation nicht miss zu verstehen, hui!
      Bekommt der Verfassungsschutz einen solchen Zettel in die Hand, haben sie gleich die Blockchain gehackt und somit Terroranschläge die mit Hilfe dieser Blockchain verübt werden sollten, also quasi Cyberangriffe, effektiv verhindert!

  7. Citizen Scoring 1.0

    Fehlt noch eine solche KI, welche Nutzer über IP und Accountnamen hinaus identifizieren kann. Legt Euch schon mal eine zweite, besser dritte Persönlichkeit zu!

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.