Kaum ein netzpolitisches Projekt ist momentan so hart umkämpft wie die ePrivacy-Reform der EU. Mitte Januar lud die Stiftung Datenschutz zum Datentag, um den unterschiedlichen Perspektiven ein Forum zu bieten. Während die Berichterstatterin des EU-Parlaments, Sozialdemokratin Birgit Sippel, für die geplante Modernisierung des Datenschutzes warb, warnte CDU-Politiker Axel Voss vor den Folgen der Verordnung für die Wirtschaft. Daniela Brönstrup, zuständige Unterabteilungsleiterin im Wirtschaftsministerium, ließ durchblicken, dass die abschließenden Verhandlungen zwischen EU-Parlament, Kommission und Mitgliedsstaaten im Trilog-Verfahren nicht vor Herbst diesen Jahres beginnen werden.
Die Kulisse für die Debatten und Vorträge bildete der Meistersaal am Potsdamer Platz – ein passender Ort, wie Stiftungsvorstand Frederick Richter, der die Veranstaltung moderierte, einleitend bemerkt: In dem ehemaligen Tonstudio nahmen unter anderem U2 ihr Berliner Album „Achtung, Baby!“ auf. „Achtung“ schalle es auch aus vielen Mündern, wenn es um die ePrivacy-Verordnung geht: Von denen, die in der ePrivacy-Verordnung eine Chance sehen, „eine große Gelegenheit, verlorenes Vertrauen in die digitale Gegenwart und Zukunft wiederherzustellen“, wie es Klaus Müller vom Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) ausdrückte. Aber besonders auch jene, die einen effektiveren Datenschutzes als wirtschaftsschädlich, gar als „gefährdend für ihre Geschäftsgrundlage“ ansehen, wie etwa Patrick Tapp, Präsident des Deutschen Dialogmarketing Verbandes.
Die Videos der Vorträge und Diskussionen gibt es auf datentag.de.
Vom Atompilz zur sachlichen Debatte
Die Aufregung um die ePrivacy-Verordnung ist jedenfalls groß und besonders ihre Gegner griffen zu drastischen Bildern und Vergleichen, wie Netzpolitik.org-Autor Ingo Dachwitz hervorhob. Sie sei ein Angriff auf den freien Journalismus, warnen Presseverlage. Die Werbebranche vergleicht sie mit einer Atombombe für das Geschäftsmodell der verhaltensbasierten Werbung. Und alle gemeinsam warnen vor einem Ende von Innovationen und Fortschritt, gar einer „App-ocalypse“. Der Datentag hatte sich vorgenommen, die unterschiedlichen Perspektiven ins Gespräch zu bringen und die Diskussion zu versachlichen.
Dazu trug etwa die Ökonomin Lucia Reisch bei, die empirische Erkenntnisse zur Macht der Voreinstellungen referierte. Untersuchungen zeigen demnach, dass nur wenige Nutzer die Standardeinstellungen ändern. Diese seien daher besonders wirkungsvoll und müssten gesellschaftlich diskutiert werden. Wenn etwa Datenschutzeinstellungen von Beginn an möglichst schwach eingestellt seien, wie es derzeit häufig der Fall ist, habe dies einen erheblichen Einfluss. Wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge würden dabei besonders „bildungsferne Menschen“ Voreinstellungen seltener ändern. Privacy-by-default, wie es das EU-Parlament für Browser und Apps fordert, ist demnach auch eine Frage der Gerechtigkeit.
Relevante Einblicke in den politischen Gestaltungsprozess steuerte als zuständige Unterabteilungsleiterin im Wirtschaftsministerium Daniela Brönstrup bei. Nachdem das Parlament sich im Oktober für eine datenschutzfreundliche Version der ePrivacy-Verordnung ausgesprochen hatte, warten derzeit alle darauf, dass der Rat sich positioniert und die Trilog-Verhandlungen beginnen können. Brönstrup deutete an, dass dies erst im Herbst so weit sein könnte. Auch in der Bundesregierung ist die Meinungsfindung demnach längst nicht abgeschlossen.
Voßhoff: „Aus großer Macht folgt große Verantwortung“
Wenn es nach Klaus Müller vom vzbv und der Bundesdatenschutzbeauftragten Andrea Voßhoff ginge, müsste die Bundesregierung sich möglichst nah an den Vorschlägen des EU-Parlaments bewegen. Die Werbeindustrie habe das Vertrauen der Menschen verspielt, so Voßhoff sinngemäß, und müsse nun mit einer rechtlichen Begrenzung leben. Selbst nach Bitkom-Erhebungen – „digitalfeindlicher Propaganda unverdächtig“- sei das Vertrauen der Menschen in die Digitalwirtschaft gering, sekundierte Müller. Das schade mittelfristig der Wirtschaft selbst. Auch Voßhoff brachte Datenschutz als möglichen Standortvorteil europäischer Firmen ins Spiel. In Hinblick auf die erhebliche Macht, über die Telekommunikationsunternehmen in Form von Nutzerdaten verfügen, verwies zitierte sie Spiderman: „Aus großer Macht erwächst große Verantwortung.“
Das sah naturgemäß auch Birgit Sippel ähnlich, die als Berichterstatterin des EU-Parlaments die Verhandlungen mit dem Rat und der Kommission führen wird. „Medienvielfalt ist wichtig, aber damit lässt sich doch nicht jedes beliebige Geschäftsmodell rechtfertigen“, sagte sie in Richtung Nachrichtenverlage und Medienhäusern, die ebenfalls fleißig gegen die ePrivacy-Verordnung lobbyieren. Sie ergänzte: „Ich würde ja auch nicht zulassen, dass Leute einfach in meine Wohnung schauen“.
Voss kritisiert „träge demokratische Strukturen, die Innovationen behindern“
Mit Axel Voss aus der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament kam einer der extremsten Kritiker der Verordnung und des Datenschutzes an sich zu Wort. Hatte er zuletzt Befürworter der ePrivacy-Verordnung noch als „Digitalgutmenschen“ bezeichnet, kritisierte er jetzt „behäbige demokratische Strukturen“ und „Verbote, die Innovationen behindern“ als Wettbewerbsnachteil gegenüber Amerikanern und Chinesen, weil „unsere selbstlernenden Algorithmen nicht genug Stoff zum Lernen“ bekämen.
In eine ähnliche Richtung argumentierte auch Patrick Tapp. Der Präsident des Deutschen Dialogmarketing Verbandes warnte davor, seine Branche zu sehr zu regulieren und argumentierte primär wettbewerbspolitisch. Die ePrivacy-Verordnung würde letztendlich nur den großen Plattformen aus den USA in die Hände spielen. In Erwiderung auf Sippel verteidigte er überwachungsbasierte Geschäftsmodelle zudem grundsätzlich: „Wenn mir jemand die Miete zahlt, kann er doch ruhig mal vorbeischauen.“ Überwachung sei dabei jedoch der falsch Begriff, schließlich ginge es „nur um anonymisierte Daten“, was nachweislich nicht stimmt.
In seinem Sinne dürfte auch der Beitrag von René Arnold des Forschungsinstitut WIK gewesen sein. Er hatte für das Wirtschaftsministerium eine Studie erstellt, die auf Grundlage von Gesprächen mit der Werbebranche zu dem Ergebnis kam, dass die ePrivacy-Verordnung in der vom Parlament anvisierten Fassung der Werbewirtschaft schade. Wegen ihrer Einseitigkeit und methodischer Mängel wurde die Studie zuvor von diversen Rednerinnen und Rednern kritisiert. Arnold verteidigte seine Studie und betonte die erheblichen Konsequenzen der Verordnung für datenbasierte Werbung. Die angezweifelte zentrale Aussage seiner Studie, dass mit „einer Reduktion des gesamten digitalen Werbebudgets von etwa einem Drittel“ zu rechnen sei, wiederholte Arnold jedoch nicht.
Verlagsvertreter: Es gibt kein Problem
Interessant bei der abschließenden Podiumsdiskussion waren die unterschiedlichen Interpretationen von Selbstbestimmung. Während Anwalt Niko Härting datenschutzfreundliche Defaults als Paternalismus nach Prenzlauer Berger Art kritisierte, machte Datenschützerin Marit Hansen deutlich, dass auch heute schon massiv mit Defaults gearbeitet werde. Es seien allerdings Voreinstellung, die Datenschutz auf ein Minimum reduzierten.
Christoph Fiedler vom Verband Deutscher Zeitschriftenverleger sah informationelle Selbstbestimmung im Bezug auf Online-Tracking schon jetzt gewährleistet. Man könne Cookies ja einfach blockieren und sich in Opt-Out-Listen eintragen. Deswegen könne man sich die ePrivacy-Verordnung sparen. Auf den Einwand von Ingo Dachwitz dass Cookies blockieren allein schon lange nicht mehr helfe, erwiderte er nichts. Deshalb fragte ein Publikumsgast erneut nach und verwies auf Spielewebsite für Kinder mit über hundert Trackern. Hier sah selbst Fiedler eine rote Linie überschritten und wunderte sich, warum gegen solche Fälle nicht rechtlich vorgegangen werde. Aber kann man Eltern vorwerfen, dass sie keine Klagewelle gegen dutzende Unternehmen starten? Mit der ePrivacy-Verordnung gäbe es die Möglichkeit, dass man sich nicht nur die zahllosen einzelnen Widersprüche durch einfachte rechtsverbindliche Browser-Einstellung sparen könnte – Sie sieht darüber hinaus sogar vor, dass Betroffene sich rechtlich von Verbänden vertreten lassen können.
Seit der Bundestagswahl im September bricht der Markt in Deutschland vollends ein. Die Menschen flüchten sich in die Krankheit oder Rente, wohlwissend um die sehr geringen Zukunftsperspektiven. Oder arbeiten extrem hart, und müssen erstaunt feststellen, dass das Gehalt immer niedriger wird. Und bei allem Arbeitswillen die Resultate der Arbeit zunehmend schlechter. Und damit das Gehalt noch geringer. Bis letzlich Weg ins Hartz IV führt. Darüber reden wil keiner. Viele machen sich im Internet Luft. Machten sich im Internet Luft, um genauer zu sein. Hate Speech ist genauso verpöhnt wie Fake News. Und Brüssel solls richten. Brüssel? Brüssel? Was war noch mal gleich mit Brüssel? Ach ja, die EU kämpft für unsere Rechte. Schließlich bezahlen wir sie dafür? Soviel Staat wie die EU kann sich niemand leisten. Doch noch rollt ja der Rubel.
Aha. Hat jetzt mit dem Artikel genau was zu tun?
NetzDG und ePrivacy-Verordnung sind zwei völlig unterschiedliche Dinge. Lesen hilft.
Selbst Schuld liebe Werbeindustrie. Euer schlechtes Image habt ihr selbst zu verantworten. Ich persönlich hätte nichts gegen Werbung, wenn man nicht im ganzen Web getrackt wird. Besonders perfide sind diese Trackerjunkies bei Kinderspielseiten und Kinderspielapps. Daher ist diese e-privacyOrdnung eine gerechte Ohrfeige.
… was mich nicht im Geringsten juckt. Die Werbebanner auf http://www.DZiG.de werden sogar den Suchmaschinen-Bots angezeigt. Der Nachweis lässt sich an Hand des Quelltextes führen. Es handelt sich um HTML statt um Javascript.
Mit Verlaub, ich bezweifele, dass Werbetreibende sich für den Schwachsinn auf Ihrer Webseite interessieren oder, dass die Presseverlage das mit ‚freiem Journalismus‘ meinen. Aber netter Versuch ein paar Besucher anzulocken.