Google muss Milliardenstrafe für faule Taktiken bei Android zahlen

Die Wettbewerbshüter in Brüssel verurteilen Googles Knebelverträge, die der Konzern Geräteherstellern und App-Entwickler aufzwingt. EU-Kommissarin Margrethe Vestager verhängt eine Rekordstrafe gegen den Datenriesen, und das nicht zum ersten Mal. Doch das Bußgeld ist nur ein kleiner Stich gegen Googles Marktdominanz.

EU-Kommissarin Margrethe Vestager
EU-Kommissarin Margrethe Vestager CC-BY-NC-ND 2.0 EPP Group

Die EU-Kommission lässt gegenüber Google ihre Muskeln spielen. Die europäischen Wettbewerbshüter verhängen ihre bisher höchste Kartellstrafe in der Höhe von 4,43 Milliarden Euro gegen den Datenkonzern. Das Verfahren betrifft Googles Handy-Betriebssystem Android, eine große Einnahmequelle für den US-Konzern. „Google hat Android dazu verwendet, die Dominanz seiner Suchmaschine zu zementieren. Sein Vorgehen hat Rivalen die Chance verwehrt, Innovation zu setzen und aus eigenen Kräften in Wettbewerb zu treten“, sagte EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager heute in Brüssel.

Die nun verhängte Strafzahlung richtet sich gegen unfaire Taktiken Googles bei Mobilgeräten. Eigentlich ist das von Google entwickelte Android-Betriebssystem in seinem Kern Open-Source-Software. Doch die Wettbewerbshüter in Brüssel argumentieren seit Eröffnung des Verfahrens 2015, dass Googles das Android-Ökosystem durch zweifelhafte Methoden dominiere und dabei Wettbewerbsregeln verletze. Der Konzern verpflichte Hersteller von Android-Geräten vertraglich zur Vorinstallation seiner wichtigsten Apps. Knebelverträge und finanzielle Vorteile verhinderten zudem, dass Gerätehersteller auf andere Android-basierte Betriebssysteme umsteigen. Google sichere damit die Vorrangstellung seiner Suchmaschine, seines App-Distributionskanals Google Play sowie von Google Maps und anderen Diensten.

Dominanz bringt satte Profite

Der Konzern selbst wischt die Vorwürfe beiseite. Die Verbreitung von alternativen Android-Varianten ohne Google führten zu „Fragmentierung“ und hohen Kosten für Handyhersteller und App-Entwickler, argumentiert die von Google und Facebook finanzierte Developers Alliance. Dieses Argument ignoriert allerdings, dass die bisherige Situation vor allem Google nutzt. Während Apple mit seinen Geräten einen großen Anteil der Gewinne am Smartphonemarkt verbucht, bleibt für Hersteller von Android-Geräten deutlich weniger vom Kuchen übrig. Google verdient inzwischen durch mobile Werbung und Anteile an allen über seinen App-Store vertriebenen Anwendungen und Inhalten satte Profite.

Zusätzlich zur Strafe ordnete die Kommission an, Google müsse seine illegalen Taktiken binnen 90 Tagen beenden. „Unsere Entscheidung stoppt Google dabei, im Vorhinein zu entscheiden, welche Suchmaschine und welcher Browser auf Android vorinstalliert ist“, sagte Vestager. Wenn der Konzern diese Auflagen verletze, setze es von da an jeden Tag weitere harte Geldstrafen von bis zu fünf Prozent des täglichen weltweiten Umsatzes.

Nur Nadelstiche gegen Googles Marktmacht

Die Entscheidung ist nur ein kleiner Schritt im Kampf gegen die Marktdominanz des Konzerns. Die Suchmaschine von Google wird in der EU bei 90 Prozent aller Suchen verwendet, schätzt die EU-Kommission. Das Android-Betriebssystem kommt auf 80 Prozent Marktanteil in Europa. Es ist vor allem auf Handys der niedrigeren Preisklassen fast immer vorinstalliert. (Googles größter Rivale Apple dominiert hingegen mit seinem iPhone das Hochpreis-Segment.)

Google nutzt seit Jahren seine übermächtige Marktstellung geschickt für sich. Die EU-Kommission eröffnete mehrere Verfahren gegen den Konzern. 2017 straften die Wettbewerbshüter den kalifornischen Internetkonzern wegen unlauterer Bevorzugung seines eigenen Preisvergleichsdienstes Google Shopping mit der Rekordbuße von 2,4 Milliarden Euro. Ein Verfahren wegen Googles Werbeplattform AdSense läuft weiter.

Die Kommission macht mit den Strafen ihre laxe Haltung in der Vergangenheit kaum wett: 2008 winkte die EU-Kommission die Übernahme des Adtech-Anbieters DoubleClick durch Google noch ohne Weiteres durch. Google habe ja am Suchmaschinenmarkt mit Yahoo! und Microsoft ausreichend Konkurrenz, verlautete damals aus Brüssel. Damit ermöglichten die Wettbewerbshüter ein noch rascheres Wachstum Googles.

Dominanz ist nicht verboten

Das Urteil aus Brüssel dürfte auf absehbare Zeit wenig an der Dominanz von Google ändern. Die Strafe selbst zahlt der Google-Mutterkonzern Alphabet, der allein im ersten Quartal 2018 rund 9,4 Milliarden US-Dollar an Bilanzgewinn verbuchte, aus der Portokasse. Dass eine EU-Strafe große Änderungen für Google mit sich bringe, sei „nahezu unmöglich“, sagte der Investor und frühere Microsoft-Manager Robert Marcus zuletzt der Nachrichtenagentur Reuters. Zudem hat Google umgehend angekündigt, gegen die Entscheidung in Berufung zu gehen.

Die Wettbewerbsjuristin Inge Graef sieht ein grundsätzliches Problem. „Diese Fälle nehmen bestimmte Arten wettbewerbsfeindlichen Verhaltens von Google ins Visier, nicht seine Dominanz selbst. Denn das Wettbewerbsrecht verbietet lediglich den Missbrauch der Dominanz, nicht die Dominanz selbst“, schrieb Graef in einer E-Mail-Antwort an netzpolitik.org.

Ursache für die Marktkonzentration in den Händen von Konzernen wie Google sind jahrzehntelange Versäumnisse in der Wettbewerbspolitik, kritisierte ein im Vorjahr erschienener Bericht im Auftrag der Lobbywächter von Corporate Europe Observatory. Der Fokus der Behörden sei zu eng auf Marktverhalten ausgerichtet und richte sich nicht gegen die Konzentration wirtschaftlicher Macht auf wenige, transnationale Firmen, heißt es in dem Bericht.

Auch deutsche NGO-Vertreter warnen vor der Dominanz Googles. „Die europäische und bundesdeutsche Zivilgesellschaft hat lange das Thema zu stark vernachlässigt“, klagt Thomas Dürmeier von Goliathwatch. Die vor kurzem gegründete NGO aus Hamburg startete eine Kampagne gegen die diskriminierende Wirkung der Autovervollständigung von Google. Gemeinsam mit anderen Organisationen beteiligt sich Goliathwatch zudem an der Initiative Konzernmacht begrenzen! Sie wollen ein Zeichen setzen, dass die Marktmacht von Firmen wie Google nicht unwidersprochen bleiben darf.

14 Ergänzungen

  1. Dann wird Google Lizenzkosten für das Betriebssystem erheben, um Strafe zu bezahlen? Trifft sich ja mit der Copyright Politik der Grünen im EU-Parlament, die möchten, das Kreative vergütet werden und ihre Leistung nicht als Open Source kostenlos abgeben müssen, nur weil der böse US-Konzern Open Source so toll findet.

  2. WIeso könnt ihr nicht einfach mal den technischen Aspekt etwas besser herausstellen? Android ist kostenlos entwickelt worden, jeder, wirklich jeder darf Android ohne Zuzahlung benutzen um Geräte zu entwickeln. Wenn man einen PlayStore installiert, will Google, das die anderen Apps (Maps, GMail, Chrome,…) mit draufkommen (Sicherheit, Modularität und natürlich auch Verbreitung sind die Aspekte). Wenn ich von Maps einen Link aufrufe, dann wollen sie, das auch ein Browser installiert ist, am besten einer, der auch sicher ist. Wenn ich einen Playstore habe, muß sichergestellt werden, das immer die notwendigen Sicherheitsupdates installiert werden, damit dieser nicht „unsicher“ wird. FInde unsere EU Kommision einfach nur noch peinlich, aber wenn Anwälte alles entscheiden und nicht, wie in Amerika, auch mal Techniker etwas entscheiden, kommt halt sowas heraus. Microsoft und der Browser und die Milliardenstrafe und was ist darauf geworden?

    1. Ich finde es gut was die EU hier gemacht hat. Nicht nur trifft es mit Google genau die richtigen, sondern sie haben einfach Recht damit dass G. seine Marktmacht missbraucht und auch damit dass Android einem G. als Suche aufzwingen möchte (schau dir z.B. das Standard-Widget für die Suche an, wo man den Dienstleister nicht ändern kann).

      Eigentlich sollte man ihnen noch mehr dafür abknöpfen, dass sie daran mitwirken zu verhindern dass Leute das Betriebssystem ihrer Wahl auf ein Gerät installieren. Ich möchte bitte statt Android ein ECHTES LINUX installieren können (für dieses trojanische Pferd das nie ein echtes Linux sein wird sollten sie noch mehr Strafe zahlen).

      Monopole wie G. verhindern Innovation und sind bereits jetzt viel zu mächtig.

  3. Das es hier auch um schlechten Umgang mit App-Entwicklern geht:

    Gibt es auch ein entsprechendes Verfahren auch gegen Apple?

    1. Ich glaube nicht, die Voraussetzungen sind auch andere: Apple verkauft ja Geräte und Betriebssystem zusammen. Der beschriebene Missbrauch – Vorgaben an Hersteller – ist also nicht möglich.

      Natürlich ist es höchste Zeit, dass etwas zum Schutz von Gewerbetreibenden getan wird, die auf Plattformen angewiesen sind – in dem Boot sitzen dann nicht nur App-Entwickler, sondern auch Amazon-Händler, Youtuber und Instagram-Influencer.

  4. Ich finde die Entwicklung durchaus erfreulich. Lizenzgebühren für Android im Sinne des Android Open Source Project wären ja nicht möglich, da Open Source (https://source.android.com/setup/start/licenses) . Der AOSP-Markt könnte durchaus Bewegung vertragen.
    Allerdings griffe die EU-Kommission evtl. etwas zu kurz, wenn sie sich auf Google Search, Maps und den Play Store beschränken würde. Mit Google Cloud Messaging / Firebase Cloud Messaging und der Voreinstellung von Google’s DNS 8.8.8.8 laufen ja noch weitere sehr wichtige Funktionen von Android über Google.
    Wenn Android ein wenig befreit wird, dürften sich zuerst die Hersteller und Amazon, Facebook und Microsoft an die Stelle von Google setzen wollen. Aber grundsätzlich sehe ich hier schon eine Möglichkeit für mehr Datenschutz und Selbstbestimmung der Anwender.

  5. Ich nehme an, ähnliche Verfahren laufen auch gegen Apple und Microsoft? Oder betreibt die EU nur Google-Bashing?

  6. Die Forderung relativiert sich anschließend auf 250 Euro zahlbar in 5 Raten jeweils am 30.02. /31.04./ 31.06./ 31.09. /31.11 das jahr ist noch festzulegen und ohne Zinsen selbstverständlich,der EU Papiertiger hat gebrüllt.

  7. Dass Googles Marktmacht eingedämmt werden muss, steht für mich außer Frage. Die 2,4-Milliarden-Strafe im vergangenen Jahr wegen der Bevorzug eigener Dienste war daher auch richtig.
    Doch in diesem speziellen Fall, Android, ist die EU-Kommission weit übers Ziel hinausgeschossen und wird vielleicht zum Totengräber eines freien Smartphone-Betriebssystems. Die Wettbewerber, hier ist nur Apple erwähnenswert, wird das freuen. Apple hat im Unterschied zu Google sein Betriebssystem nicht verschenkt und wird daher auch nicht bestraft. Das verstehe, wer will.
    Bei allem Google-Bashing (nicht in diesem hintergründigen Blogpost, aber sonst oft in den Medien zu lesen) wird stets vergessen, dass auch andere Große ihre Chance gehabt hätten und nicht genutzt haben: Wo sind die Betriebssysteme von Samsung, LG, Nokia und Blackberry? Auf dem Müll, weil sie nicht gut genug waren. Amazon war dagegen schlau und nutzt das freie Android ohne Play Store und kann deshalb damit machen, was es will. Der Wettbewerb funktioniert also doch?

  8. Ich versteh nicht, was das soll ?! Gezwungen ?
    Niemand konnte mich bisher zwingen, bestimmte Software zu verwenden oder mich gar bei Facebook oder Whatsapp anzumelden.
    Ich nutze die Software, die ich nutzen möchte und diese richte ich so ein, dass sie möglichst wenig nach Hause funken kann. Sicherlich lässt sich das nicht ganz vermeiden, aber ich kann hier doch so einiges tun, um die herausgegebene Datenflut einzudämmen.
    Muss ich die Google-Suchmaschine verwenden – nein, muss ich nicht ! Will ich aber !
    Muss ich GMail verwenden – nein, muss ich nicht ! Will ich aber ! ………
    Apple zwingt mich sogar, nur bestimmte Datenformate nutzen zu können. Was ist mit ITunes – will ich nicht nutzen, muss ich aber, wenn ich Apple-Produkte besitze ?! Und was beinhaltet ITunes nicht so alles ……
    Ich sehe diesen „Zwang“ nicht. Da kenne ich andere Firmen, die meiner Meinung nach die Nutzer viel mehr bevormunden.
    Das es keine wirkliche Konkurrenz für Google-Produkte gibt, ist meiner Meinung nach nicht Google, sondern den „Schlafmützen“ vorzuwerfen, die den richtigen Zeitpunkt verpasst haben.
    Nun ist es so wie es ist. Für mich ganz okay.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.