Netzpolitischer Wochenrückblick KW 10: Datenschutz im Ausverkauf

Die Woche im Überblick: Große Koalition packt Datenschutz in den Ausverkauf, Bundesrat will Freifunk besser fördern und neue Enthüllungen zeigen, wie Geheimdienste im Namen der Sicherheit massive Unsicherheit schaffen.

CC-BY-ND enfad

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Mehr Überwachung wagen: Datenschutz im Ausverkauf

In einer Marathonsitzung hat der Bundestag am Donnerstag über eine Reihe von Gesetzen beraten, die Datenschutz und Bürgerrechte massiv einschränken. Den Beginn machte am Nachmittag das sogenannte „Datenschutzanpassungsgesetz“. Das Gesetz soll eigentlich nur das deutsche Recht an neue EU-Vorgaben wie die Datenschutzgrundverordnung anpassen, geht aber weit darüber hinaus – wie wir bereits mehrfach dargelegt haben.

Ebenfalls wurde der Weg für mehr Videoüberwachung durch private Betreiber freigemacht. Zudem erhält die Bundespolizei automatische Kennzeichen-Scanner und Bodycams. Oppositionspolitiker und Datenschützer bezweifeln, dass dadurch Terroristen aufgehalten oder die öffentliche Sicherheit verstärkt wird. Auf einer Anhörung im Bundestag zweifelten auch alle Sachverständigen an der These, dass terroristische Anschläge durch Videoüberwachung verhindert werden können.

Aus der Kategorie „Wenn etwas erstmal etabliert ist, reden wir nur noch über die Ausweitung“: Von der Öffentlichkeit bislang unbemerkt soll der vollautomatische Zugriff auf die Passbilder der Bürger für alle Geheimdienste des Landes durchgesetzt werden. Mit einem Gesetz, das diese Woche in erster Lesung im Bundestag behandelt wurde, könnte durch die Hintertür eine zentrale biometrische Datenbank aller Bürger entstehen.

Etwas Hoffnung macht noch, dass sich Ausschüsse des Bundesrats zur Datenschutzreform der Bundesregierung positioniert haben und mit ihrem Vorschlag für eine Stellungnahme der Länderkammer den Entwurf kritisieren und an einigen entscheidenden Stellen Verbesserungsvorschläge machen. Beim Ausbau der Videoüberwachung liegen sie aber mit der Bundesregierung auf Kurs. Mehr Überwachung geht natürlich immer. Bis 2020 will das Bundeskriminalamt seine Fähigkeiten zur Ortung und Identifizierung von Mobiltelefonen verbessern. Ein entsprechendes Forschungsprojekt wird von der EU-Kommission mitfinanziert. Es sollen fest installierte und mobile IMSI-Catcher eingesetzt werden.

Neue Enthüllungen zeigen erneut: Geheimdienste schaffen im Namen der Sicherheit massive Unsicherheit

Wikileaks hat Enthüllungen rund um eine CIA-Hacker-Einheit gestartet. Dabei wurde offengelegt, dass neben der NSA auch die CIA eigene Hackertruppen unterhält, die ebenfalls auf Schwarzmärkten Sicherheitslücken aufkaufen und dieses Wissen ausnutzen. In den vergangenen Jahren haben wir in verschiedenen aufwändigen Recherchen dokumentiert, dass der Bundesnachrichtendienst dies ebenfalls im Geheimen machen darf. In Gesprächen mit der taz, 3sat Nano und dem ARD-Mittagsmagazin hat Markus Beckedahl das aus unserer Sicht genauer erklärt und darauf hingewiesen, dass Geheimdienste mit dieser Praxis im Namen der Sicherheit massive Unsicherheit schaffen. Eine neue Studie dokumentiert, dass Sicherheitslücken im Schnitt sieben Jahre ausgenutzt werden, bevor sie gefunden und beseitigt werden.

Stell Dir vor, Dein cloudbasierter Assistenzdienst wird vor Gericht als Zeuge geladen. Das passiert jetzt in den USA, bei den Ermittlungen in einem Mordfall werden die Daten aus Amazons Echo genutzt. Amazon hatte die Herausgabe zuerst verweigert und sich auf die Redefreiheit berufen. Nachdem der Prozessbeschuldigte die Daten doch herausgeben wollte, schloss sich das Unternehmen dem an. Während die technischen Möglichkeiten und die Befugnisse für Überwachung in der Schweiz ständig erweitert werden, geht die Zahl der statistisch erfassten Überwachung zurück. Das geht aus dem jährlichen Bericht der Digitalen Gesellschaft Schweiz hervor.

Es gibt auch gute Nachrichten!

Kommen wir zu besseren Nachrichten. Bei der EU-Urheberrechtsreform hat sich die Berichterstatterin des Parlamentes gegen das absurde Leistungsschutzrecht positioniert, das Günther Oettinger als Vermächtnis hinterlassen hatte. Das gibt etwas Hoffnung, aber beherzte Schritte des Parlamentes in Richtung Harmonisierung und digitaler Binnenmarkt fehlen jedoch bisher. Der Bundesrat hat beschlossen, Freifunk-Communities in die Abgabenordnung aufzunehmen und damit als gemeinnützig anzuerkennen. Das ist ein wichtiger Meilenstein zur Förderung des digitalen bürgerschaftlichen Engagements zur Schaffung offener und freier WLANs durch die vielen Freifunk-Communities. Jetzt sind Bundesregierung und Bundestag am Zug. Ebenfalls in den Genuss von WLAN, wenn auch nicht so frei, soll der Deutsche Bundestag kommen. Bis 2018 sollen alle Liegenschaften unseres Parlaments mit Hotspots ausgestattet werden. Wir wünschen viel Erfolg bei der Verkabelung.

Forscher rund um Yochai Benkler und Ethan Zuckerman haben in einer Studie analysiert, welche Rolle gezielte Desinformation im US-Präsidentschaftswahlkampf spielten. Das gibt spannende Einblicke in die Grabenkämpfe rechter US-Medien und die Rolle Breitbarts darin. 250.000 $ gibt es beim „MIT Disobedience Awards“ zu gewinnen. Die Auszeichnung soll an eine Person oder Gruppe gehen, die für „ein außerordentliches Beispiel für zivilen Ungehorsam zum Vorteil der Gesellschaft“ verantwortlich zeichnen. Nominierungen werden angenommen.

Lobbyisten sind manchmal keine Argumente zu dumm. Der Zeitungsverleger-Verband Nordrhein-Westfalen hat es herausgefunden: Adblocker sind die Ursache für den Niedergang der Demokratie. Sie müssen verboten werden, dann wird alles wieder gut. Und im englischsprachigen Teil von Kamerun ist jetzt seit fünfzig Tagen das Internet abgeschaltet. Mitte Januar hatte die Regierung des westafrikanischen Staats Internetprovider angewiesen, dort die Internetversorgung einzustellen. Hintergrund der Internetsperre sind soziale Konflikte in der Region rund um die Stadt Bamenda.

Der Zündfunk Generator auf Bayern2 hat über „Ethik für Nerds: Warum Programmieren eine gesellschaftliche Verantwortung mit sich bringt“ berichtet.

Wir wünschen ein entspanntes Wochenende und eine schöne neue Woche. Mit weniger Überwachung!

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3 Ergänzungen

  1. Der Link >> „Ethik für Nerds: Warum Programmieren eine gesellschaftliche Verantwortung mit sich bringt“ scheint nicht zu funktionieren.

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