Bundeskabinett beschließt Hate-Speech-Gesetz: Oberflächliche Änderungen, Gefahr bleibt

Für das Bundeskabinett ist das Netzwerkdurchsetzungsgesetz jetzt beschlossene Sache und der nun dritte Gesetzesentwurf öffentlich. Zentrale Kritikpunkte wurden nicht einbezogen.

Das Gesetz nimmt nun seinen Weg Richtung Bundestag. – Public Domain Jon Flobrant

Das Bundeskabinett hat heute das Netzwerkdurchsetzungsgesetz in einer nochmal überarbeiteten Form beschlossen. Die Änderungen zwischen dem zweiten und nun dritten Referentenentwurf (Vergleich) beinhalten nur oberflächliche Änderungen, zentrale Kritikpunkte bleiben bestehen.

Justizminister Heiko Maas (SPD) möchte mit dem Gesetzesentwurf Hate Speech und Fake News im Internet bekämpfen. Mit dem nun beschlossenem Gesetzentwurf der Bundesregierung ist der Pfad geebnet für eine Abstimmung im Bundestag und Bundesrat noch in dieser Legislaturperiode.

Änderungen im Entwurf der Bundesregierung

Der Kabinettsentwurf ernennt das Bundesministerium für Justiz als „zuständige Verwaltungsbehörde nach § 30 [Gesetz über Ordnungswidrigkeiten]“. (Nachzulesen auf S. 12 des neuen Entwurfs). Die Digitale Gesellschaft schlussfolgert in einer heutigen Pressemitteilung, dass das Ministerium somit „allgemeine Verwaltungsvorschriften für die Verhängung von Bußgeldern erlassen kann“. Zudem vermutet die Digitale Gesellschaft, dass der Entwurf dahingehend verändert wurde, um Bedenken zu beseitigen, dass soziale Netzwerke nun rigoros und proaktiv löschen werden müssen.

Im neuen Entwurf ist eine Passage verschwunden, welche Messenger aus der Liste von betroffenen Plattformen streicht. (Nachzulesen auf den S. 19 beider Entwürfe). Jedoch bleibt abzuwarten, inwiefern solche Kommunikationsanbieter im letztendlichen Gesetz beachtet werden. Eine Überarbeitung des Telekommunikationsgesetzes kann Messenger zukünftig einschließen. Dies war von Anfang durch die weit gefasste gesetzliche Definition von soziale Netzwerken im Gesetzestext möglich.

Bezüglich drohenden Bußgeldern gegenüber sozialen Netzwerken räumt der dritte Entwurf der Bußgeldbehörde Kulanz ein. Dies gilt, wenn die Netzwerke einer Löschung nicht fristgerecht nachkommen beziehungsweise den beanstandeten Inhalt nicht als rechtswidrig erkennen und „das soziale Netzwerk keine Möglichkeit hat, den Wahrheitsgehalt [der vermeintlich rechtswidrigen Äußerung] zeitnah zu klären“. (Nachzulesen auf S. 26 des neuen Entwurfs).

Für das problematische geplante zivilrechtliche Auskunftsrecht von Plattformen gegenüber Privatpersonen ist nun in der Begründung ein Richtervorbehalt (S. 2) angedeutet, jedoch nicht festgeschrieben. Der Auskunftsanspruch könnte zu Missbrauch führen, wenn beispielsweise Online-Stalker so zu den realen Adressen ihrer Opfer gelangen. Gleichzeitig könnte er das Ende von Anonymität und Pseudonymität im Internet einläuten.

Heiko Maas erhofft juristischen Exportschlager

Maas sieht in seinem Gesetzesentwurf einen zukünftigen Exportschlager Deutschlands für die Legislative der Europäischen Union: „Ich werde unsere Regelungsvorschläge daher auch meinen Kollegen im Rat der Justiz- und Innenminister vorstellen. Wir wollen den Prozess auf europäischer Ebene weiter vorantreiben.“

Maas hält die Meinungsfreiheit als Gut hoch und sieht sie in seinem Entwurf nicht gefährdet. Er begründet die Dringlichkeit seines Entwurfs mit dem Einfluss des Internets für den öffentlichen Raum. So seien „Verbalradikalisierung […] oft die Vorstufe zur körperlichen Gewalt“. Dies steht konträr zu der geplanten Auskunftspflicht für Plattformen, da nun Menschen mit einfacheren Mitteln Informationen über Personen erlangen können, die beispielsweise unter Pseudonym agieren. Inwiefern Gerichte solche Anfragen tiefergehend prüfen und nicht nur durchwinken, ist bei Überlastung und Unterbesetzung fraglich.

Kritik bleibt

Volker Tripp von der Digitalen Gesellschaft warnt abermals vor einer privatisierten Rechtsdurchsetzung: „Die Bekämpfung von strafbaren Inhalten ist eine genuin staatliche Aufgabe.“ In ihrer Pressemitteilung fordert die Bürgerrechtsorganisation Abgeordnete direkt auf, dieses Vorhaben zu stoppen.

Zeitschriftenverleger, diverse Verbände sowie die Chefin der Video-Plattform Youtube erhoben zuvor massive Kritik an dem Gesetzesentwurf. Alle sehen sie die Meinungsfreiheit in Gefahr.

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

13 Ergänzungen

  1. Ich folgere korrekterweise aus dem Entwurf:

    Da Deutschland keinerlei eigene Hardware bzw. Software wie z.B. Betriebssysteme, Soziale Netzwerke unabhängig anderer Drittländer entwickelt, erfolgreich vermarktet, wird nun der China-Politik gefolgt staatliche Backdoors / Regulierungen in US-Anbieter zu implantieren zu Säuberungszwecken, da das Internet nur aus Facebook, Skype, Twitter, Windows 10 usw. besteht.

    Daher muss man auch die Trumppolitik des Ausverkaufs der Menschen… ähhhhm…Daten dulden und den Datenschutz beerdigen, richtig? Man hat ja nichts, also kann man nur schweigend dem Taktgeber folgen.

    Wenn das Internet nur aus kommerzieller Software und Technikidioten bestehen würde, wäre das in der Tat eine Tragödie…. wenn…. :-)

  2. Eure Arbeit in allen Ehren. Aber es ist schon bemerkenswert, dass selbst ein Verband wie eco ein größeres Engagement und deutlichere Worte findet.

    „Ein schwarzer Tag für das freie Internet“

    https://www.eco.de/2017/pressemeldungen/eco-ein-schwarzer-tag-fuer-das-freie-internet.html

    Wäre an der Zeit sich darüber bewusst zu werden, dass der angebliche Kampf gegen Hass und Hetze insbesondere rund um das Thema Flüchtlinge vor allem auch dazu diente, das Immunsystem von sozial Engagierten lahmzulegen. Der arme Selfie-Flüchtling. Muss alleine gegen Facebook kämpfen.

    Es wird sich vermutlich noch rausstellen, dass ein Teil dieser Hetze und Fake-News nicht von Dummen oder Ausländerfeinden kam. Eine große Inzenierung. Und die Belohnung gab es heute.

  3. Auch wenn es überall zu lesen ist: Noch beschließt oder verabschiedet ein Kabinett mit gerade einmal 15 Mitgliedern keine Gesetze im Alleingang.

    1. Stimmt. Deswegen steht beim Justizministerium ja auch nur, dass der Entwurf beschlossen wurde. „Das Kabinett hat am 5. April 2017 den Gesetzentwurf zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken beschlossen.“
      Auch in diesem Artikel steht das Wort „Entwurf“ zigmal drin. :-)

    2. Sag mal „Linker“ war das wirklich das, was ihr Extremisten erreichen wolltet? Die totale Repression?

  4. Zum Glück habe ich mich immer von sozialen Netzwerken fergehalten…es war nur eine Frage der Zeit bis die Regierungsverbrecher zuschlagen werden…und außerdem ist da noch die Sache mit dem vollkommen dekadenten/unmündigen Wählervolk…aber das ist ein anderes Thema. ;-)

    1. Danke für den Link! Das kann man echt für einen Aprilscherz halten – alleine das Datum ist falsch. :-) Aber irgendwie auch kein Trost, dass es tatsächlich Politiker gibt, die es sich noch einfacher machen als unser Heiko.

  5. Parallel gibt es mit deren WiFi-Behinderungsgesetzen Netzsperren auf Zuruf und Frau „Vorratsdatenspeicherung“ Zypries ist selbstredend ganz stolz darauf, an sowas mitzuarbeiten.

    Wer Hoffnung hatte, dass das Bonmot „Wer hat unsverraten?Sozialdemokraten“ ausnahmsweise nicht wahr werden wird, ….naja, ihr seht ja selbst.

  6. Genau zum Schutz gegen Zensur wurde das Tor-Netzwerk erfunden. Damals konnte man ja nicht ahnen, dass die eigenen Regierungen mal zu paranoiden Idioten werden.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.