EU Internet Forum: Anbieter sollen „freiwillig“ das Netz filtern

CC-by opensourceway

Die EU will mehr gegen den ganzen Terrorismus im Netz machen. Seit einem Jahr treffen sich daher Beamte der EU-Kommission und Europol regelmäßig mit fünf großen amerikanischen Internetanbietern, um den Zugang zu „terroristischen Inhalten“ einzuschränken – ganz ohne Richtervorbehalt oder lästige Gesetzgebungsprozesse.

Hintergrund

Der Grundstein für die Initiative wurde von EU-Kommissarin Cecilia Malmström gelegt, als diese noch für Inneres zuständig war. Anfang Januar 2014 kündigte die Kommission (pdf) an, sie werde…

…ein Forum mit den zentralen Akteuren der Kommunikationsindustrie ins Leben rufen, um alle Facetten des Problems, einzelne Vorgehensweisen und Möglichkeiten für eine engere Zusammenarbeit zu erörtern. […] Dabei wird es auch darum gehen, wie den Nutzern die Meldung von Anstoß erregendem oder potenziell illegalem Material erleichtert werden kann, wie Gegen-Narrative im Netz geschaffen werden können und wie leicht erreichbare alternative Botschaften ins Netz gestellt werden können, die zu kritischem Denken anregen.

Nur einige Jahre zuvor vergab Malmströms Generaldirektion Fördermittel an ein sehr ähnliches Projekt namens CleanIT, das damals kläglich scheiterte. Das „Internet Forum“ ist quasi ein zweiter Anlauf für die gleiche Idee. Unternehmen sollen freiwillig und ohne Richtervorbehalt Inhalte im Netz unzugänglich machen, frei nach dem Motto: Wer braucht schon Internetsperren, wenn es Nutzungsbedingungen gibt?

Treffen hinter verschlossenen Türen

Wie das Netz genau gefiltert werden soll, bleibt Verschlusssache. Denn die Treffen des EU Internet Forums finden im Geheimen statt, Dokumente werden nicht veröffentlicht. Die europäische Menschenrechtsorganisation EDRi stellte daher regelmäßig Dokumentenanfragen an die Kommission. Seitdem ist bekannt, dass Microsoft, Ask.fm, Twitter, Google und Facebook am Forum teilnehmen. Ziele, Diskussionen und Sitzungsprotokolle wurden aber auch auf Anfrage nicht herausgegeben – und wenn, dann nur als fast komplett geschwärzte Versionen (Übersicht über alle Dokumente).

Die ursprünglichen Ziele des Forums waren:

i) reducing accessibility to terrorist material online (removal of content),
ii) making better use of the internet to challenge the terrorist narrative (development and dissemination of counter narratives) and
iii) Exploring the concerns of law enforcement on new encryption technologies.

Im Laufe des Jahres weitete die Kommission jedoch den Arbeitsumfang des Forums auf „Hassreden in Online-Medien“ aus und kündigte nach mehreren undurchsichtigen Vortreffen am 3. Dezember den offiziellen Start des Forums an. Bei der Lancierung wurde den anwesenden Internetanbietern eine Wunschliste mit geplanten Maßnahmen (pdf) vorgestellt. Ein erstes Unternehmen soll seitdem bereits seine Nutzungsbedingungen geändert haben, um den Bitten der Kommission nachzukommen.

Die europäische Wunschliste soll auf einem deutschen „Ergebnispapier“ (pdf) aufbauen, das Heiko Maas etwa zur gleichen Zeit von einer „Task Force“ gegen Hasskommentare im Netz ausarbeiten ließ. Das Dokument wurde vom Spiegel zur Zeit der Veröffentlichung hauptsächlich als warme Luft abgetan, ist aber bei genauerem Hinschauen um einiges gefährlicher – vor allem, da es nun auf europäischer Ebene exportiert wird.

Meinungsfreiheit wird verletzt

Das Ergebnispapier liest sich in der Tat zunächst wie ein recht inkohärenter Maßnahmenkatalog. Das Papier würfelt dabei „rechtswidrige Inhalte“, „problematische Inhalte“ und andere Inhalte durcheinander, die zwar legal sind, aber gegen unternehmenseigene Richtlinien (wie etwa Facebooks Gemeinschaftsstandards) verstoßen könnten. Unternehmen sollen gemeldete Inhalte „in weniger als 24 Stunden“ prüfen und, falls erforderlich, ohne vorherigen Richterbeschluss entfernen.

Problematisch ist eine solche Aufforderung, wenn man bedenkt, dass sich US-amerikanische Unternehmen bereits zu globalen Sittenwächtern aufschwingen und tagtäglich vollkommen legale Inhalte zensieren, beispielsweise Homosexualität, stillende Mütter oder Fotos von Aborigines. Das Projekt onlinecensorship.org sammelt solche Fälle und hat etliche Löschungen in einem ersten Bericht analysiert. Fazit: Richtige Berufungsverfahren gibt es in sozialen Netzwerken nicht – meist führt ein Widerspruch ins Leere, an Wiedergutmachung ist gar nicht erst zu denken.

Strafverfolgung bleibt auf der Strecke

Weiterhin problematisch ist bei diesem rein kosmetischen Ansatz, dass die Strafverfolgung meist auf der Strecke bleibt. Im deutschen Ergebnispapier werden die Unternehmen nirgends gebeten, Informationen über klar illegale Kommentare oder Einträge an die Polizei weiterzugeben, um eine effektive Strafverfolgung zu ermöglichen. Dies hat dann zur Folge, dass gelöschte Inhalte leicht an anderer Stelle wieder hochgeladen werden können, ohne dass sich die Täter um eine Verfolgung sorgen müssten.

Auch das EU Internet Forum bekämpft lediglich Symptome, anstatt die Ursachen anzugehen. Schlimmer noch, es schlägt – mit dem deutschen Papier als Vorlage – ein und denselben Ansatz für sehr verschiedene Probleme (Hasskommentare und (nicht definierten) „Terrorismus“) vor.

Private Repression statt Demokratie

Seit Zensursula hat man auf deutscher und auf europäischer Ebene anscheinend dazugelernt: Durch öffentlich-private Partnerschaften regelt man das mit dem Sperren und Löschen sehr viel effizienter, indem man den Rechtsstaat umgeht – Gesetze erregen viel zu viel Aufsehen, dauern zu lange und machen einem danach einen enormen Verwaltungsaufwand.

Im Guardian beschreibt Evgeny Morozov diesen Trend passend: Unsere politische Führungsebene gibt die Verantwortung für die Lösung von sozialen bis hin zu militärischen Fragen immer öfter ans Silicon Valley ab – und verschlimmert das Demokratiedefizit unserer Institutionen.

Unsere Demokratien werden von steigender Ungleichheit und Terrorismus bedroht. Google und Facebook haben übernommen.

18 Ergänzungen

  1. so nicht! Gefahren hin oder her! Hier geht es um die Freiheit im Netz; bekanntermaßen werden dann z. B. Inhalte von E-Mails nach Worten wie Bombe oder dergleichen „gefiltert“, obwohl in der Mail möglicherweise nur stand, dass „auf der Party eine „BOMBENSTIMMUNG“ war“ und schon ist man TERRORIST – man ist aber immer Terrorist derer, die man terrorisiert – für mich sind das die EU – Kommissare und die vermeintlichen Sicherheitsfanatiker…………

  2. Wenn die das versuchen, sind hundertausende auf den Straßen. Wie bei ACTA damals. Das können die aber *sowas von* vergessen.

  3. Evtl. war der Fall Böhmermann, eine Blendgranate -> https://netzpolitik.org/2016/zwei-apps-mit-ortsdaten-reichen-um-einen-nutzer-zu-identifizieren/#comment-2050658 für diesen Plan hier?
    Einem Regionet -> http://board.gulli.com/thread/1414965-kipo-sperren-reibungsloser-start-moeglich/?p=11574595#post11574595 …??
    Deutschland … schön geschichtet … den Zugang zum internationalen Terrornetzwerk … sorry Internet, also nicht nur dem „Deutschnet“, mit Amazon.de, Facebook.de … usw. usf. *.de, abgesichert durch die Routingprotokolle der ISPs?
    Eine grandiose Wahnvorstellung, die langsam in die Realität kriecht, wie kalter Nebel (The Fog, Nebel des Grauens) …
    … politische Salamitaktik, in kleinen Dosen wird das Gift serviert, bis die Bürger gelähmt in die Höhnisch grinsenden … den Rest könnt Ihr euch ausmalen!

    1. … aber das ist doch der Sinn!
      Die Beleidigungen im Internet verschwinden, das Ventil bleibt geschlossen, der Druck … seiner Meinung/Ängste freien Lauf zu lassen … steigt und muss sich irgendwann „entspannen“!
      ( … ist wie bei einem Schnellkochtopf, solange die Düse (freie Meinungsäußerung im Internet) nicht verstopft ist, brodelt es zwar im Topf, aber er detoniert nicht! -> https://de.wikipedia.org/wiki/Schnellkochtopf )
      Gut für die Strafverfolgungsbehörden, wenn diese … nein, für die Politik ist das gut (neue Gesetze für das Produkt „Sicherheit“, das wir Bürger möglichst teuer bezahlen sollen), für die Polizei und andere Strafverfolgungsbehörden ist das nicht gut, wenn sich eine Menge N an Menschen zusammenrottet und ihrem aufgestauten „Meinungsdruck“ auf der Straße entspannen!
      Da kann man dann gut politisch Reinknüppeln!
      … von wegen Terrorzellen, die unkontrolliert ausbrechen, ihre Rechte/Linke/Grüne Gewaltparolen brüllen und gegen die Herren aufbegehren!

      Die Alternative?
      Naja, man kann die Gesetze nutzen, die es gibt … Beleidigung, Mobbing, Antisemitismus usw. usf. strafrechtlich verfolgen um so dem Terror auf der Straße präventiv vorzubeugen, eine Zusammenrottung von Gleichgesinnten präventiv zu unterbinden …
      Aber das bedeutet ja Arbeit … und das Personal hat die Politik präventiv entlassen … damit die Schläge gegen den Terror, der durch die Straßen rasen soll, von übermüdeten und genervten Polizisten durchgeführt werden kann!

      Warum?

      Naja … damit man endlich die Bundeswehr gegen den Terror aus dem inneren Einsetzen darf!

  4. Nun – allerdings muss man sich fragen wie viel Einfluss ein Microsoft, google, Facebook, Twitter und Co. schon haben .. das ist eine Handvoll Seiten auf denen ein Post verschwindet aber auf Blogs oder anderen Seiten können sich die Leute die sich äußern müssen immer noch vertun. Am Ende finden alle einen Weg indem sie zB. einen Link verteilen.
    In Summe sind solche Aktionen Tropfen die auf dem heißen Stein verdampfen und bald keine Bedeutung mehr haben.
    Ich bin gegen das Filtern oder Bewerten von Post’s von fraglichen Gruppen – hier müssen eher Mittel geschaffen werden die eine richtige Verfolgung ermöglichen. Das zumindest ist Rechtsstaatlich. Alles Andere ist Willkür.

  5. Mann, Orwell, Du hast Dich aber um gute 30 Jahre verrechnet! Außerdem heißt es nicht MiniTruth, sondern Innenminister und irgendwelche Kommisionen, es ist nicht ein Big Brother, sondern einige davon und nach dem Brexit kann sich die Insel den Amerikanern anschließen und dann passt auch das.

  6. Ja, endlich! Das wird auch Zeit!
    Man kan ja keine 2 kB weit surfen ohne von diesem ganzen Terrorismus belästigt zu werden.
    Auch die ständigen Spendenaufrufe für IS gehen mir gewaltig auf die Nerven. Dabei kann man die Spenden nicht mal absetzen! Das habe ich mit dem Finanzamt geklärt.

  7. Das Streben nach Macht ist Menscheneigentum, heut und bis zum Ende der Menschheit.
    Der Stärkere gewinnt und unterdrückt die Schwachen.
    Wer nicht unterdrückt werden will, muss weichen oder stärker sein.
    Terror ist alles, was wir hinnehmen müssen und uns nicht gefällt. anm. „Somit auch Gesetze“.
    Eine Alternative zu den grossen Gewalten sind immer ebenso grosse Gewalten.
    Jeder der Macht erhält, wird diese nutzen oder verdrängt werden.
    (Das gilt schon für den kleinsten Lütt im KG.)
    Somit wird aus jeder grossen Macht, zwangsweise eine Diktatur.
    Freiheit ist ebenso eine Bedrohung wie jedes auferlegte Gesetz.
    Wo Jeder machen kann was er will, wird auch jeder Opfer der anderen An-/Absichten.

    Ein gefiltertes Netz ist nichts anderes als ein Privatsender. -viel Spass damit, ihr Politiker-

    Wirkliche Freiheit, oder echte, Allen alles recht machende Alternativen sind reine Illusion.
    Der Mensch ist, was er isst, eine Bratwurst!
    Das Niederlegen der grossen Gewalten, wie auch immer, führt zu Anarchie (Herrschaftslosigkeit), welche zu neuer Gewaltenbildung führt und das Spiel beginnt von vorn.
    Die Meinung, man würde selbst besser Regieren, spiegelt die eigene Blindheit wieder.
    Was würde man denn machen können, dass es jedem gefällt, zu jeder Ansicht konform bleibt?
    Die Antwort ist „Nichts“, genau das wird gemacht und den Menschen werden Nebensächlichkeiten, die mal mit zwei, mal mit drei Buchstaben bezeichnet werden, als wichtig verkauft.

    Eine einfache Frage dazu:
    Wie lange braucht man um den Aufenthaltsort einer Person zu ermitteln?
    Wie lange braucht die Weltregierung für die gleiche Aufgabe?
    Anm.: Wenn es ein Problem geben würde, wäre es schon beseitigt!

    Politik ist PR, Menschen sind Bratwürste. Das ganze klingt wie es ist, ein Produkt.
    Man macht eine Wurst wichtig und wirbt für die angeblichen Eigenschaften etc.
    Wenn manche diese Wurst für Sch….. halten, was kann der Produzent dafür?
    Man braucht dein Geld und nicht deine Meinung, also, halt die Klappe und mach deine eigene Sch….. und wenn dabei eine Wurst raus kommt, um so besser!

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