Es ist leider immer noch schwer, eine genaue Positionierung der EU-Kommission in Fragen der Netzneutralität herauszufinden. Das liegt einerseits an der früheren EU-Kommissarin Neelie Kroes, die immer in der Öffentlichkeit für Netzneutralität „im offenen Netz“ warb, nur um dann im Kleingedruckten im Rahmen der Gesetzesvorlage diese auszuhöhlen und Spezialdienste schlecht zu definieren – und gleichzeitig zuzulassen, dass zwar im „offenen Netz“ nicht geblockt und gedrosselt werden dürfe, aber solche Dienste auch Überholspuren kaufen könnten. Und jetzt haben wir eine neue Kommission, wo unser Digitalkommissar Günther Oettinger das nacherzählt, was ihm die Lobbyisten von Deutsche Telekom & Co vorerzählen.
Und dann gibt es noch den Vize-Kommissionspräsident Andrus Ansip, ebenfalls zuständig für den digitalen Binnenmarkt. Ansip sprach heute auf einer Pressekonferenz in Brüssel über den digitalen EU-Binnenmarkt. Der gibt sich immer als Verfechter der Netzneutralität, aber wenn man genauer hinschaut, spielt er die Kroes. Auf die Frage, ob er Oettingers Taliban-Vergleich zustimmen würde, antwortete er:
„We have to find definitions of principles for net neutrality in European Union. We are in a hurry with this process already. Because when we’ll not be able to define a common definition for all the European Union then very soon we’ll get 28 different regulations. Once again and our market will even more fragmented as it is right now. So this is an urgent issue. I’d like to say that in main principles I can not see any differences in the approach as they have in the US and we have in the EU. Traffic has to be treaded equally in the internet, no blocking no throttling but at the same time, we have to keep the internet open also for innovation. And i can say that this approach is exactly the same here in the EU and there in the USA. And that’s why i’d like to say: Latvian during their presidency made a good job finding this quite broad consensus in definitions of principles of net neutrality. I hope during the negotiations process those definitions, we’ll even get more clarify from those definitions.“
Das Problem ist: Der „gute Job“, den die litauische Ratspräsidentschaft im EU-Rat gemacht hat, bedeutet, dass die Regierungen in die Trilog-Verhandlungen mit einer Position gehen, die am wenigsten Netzneutralität verspricht. Zumal es dort auch ungenaue Definitionen gibt, welche Inhalte denn trotzdem mit Netzsperren geblockt werden können.
Der Digitale Gesellschaft e.V. kommentierte dies:
So soll es künftig möglich sein, bestimmten Diensten im Internet eine Überholspur einzuräumen. Der Vorschlag sieht zudem die Möglichkeit von Netzsperren vor. Er manifestiert so die private Rechtsdurchsetzung und unterwandert Grundrechte. Zudem droht ein ernsthaftes Innovationshemmnis: Start-Ups und Anbieter nicht-kommerzieller Anwendungen werden durch langsame Zugänge ausgebremst, weil sie sich die Überholspuren nicht leisten können. Kein anderes Netzneutralitätsgesetz weltweit erlaubt derart unreglementierte Spezialdienste, die die Basis für ein Zwei-Klassen-Internet bilden.
Wir können nur hoffen, dass die Trilog-Verhandlungen mit Kommission und Parlament in eine Richtung gehen, wo sich die Definitionen vom EU-Parlament durchsetzen.
Erst gestern hatte Ansip während einer Rede nochmal kurz die Position der EU-Kommission zum Thema Netzneutralität angedeutet. Auch wenn Medienberichte (z.B. Dow Jones) aus den wenigen Worten einen Kontrast zu unserem EU-Kommissar Günther Oettinger ausmachen können, kann ich nichts Konträres erkennen. Zwischen den wenigen Zeilen kann man aber in der Politiker-Sprache und den passenden Gesetzesvorlagen rauslesen, was er meint:
On net neutrality, there are three elements we should address:
Firstly, we need to make sure that the internet is not splintered apart by different rules. This is why we need common rules for net neutrality.
Then, we need an open internet for consumers. No blocking or throttling.
And we want an internet that allows European industry to innovate and provide better services for consumers.
Kurz übersetzt: Im offenen Internet soll es Regeln zur Netzneutralität geben. Aber es muss auch Spezialdienste geben und da gelten dann halt andere Regeln. Man beachte das „European Industry“, damit sind Deutsche Telekom & Co gemeint. Das ist die alte Kommissions-Linie von Neelie Kroes. Also möglicherweise kein Unterschied zu Oettinger. Wobei wir bei ihm nicht sicher sind, ob Oettinger überhaupt Netzneutralität im offenen Netz haben will. Die Bundesregierung hat da ja eine andere Linie.
Mal kurz Klugscheißen jenseits des Inhalts:
Im Deutschen „macht“ man „keinen guten Job“, sondern „leistet gute Arbeit“.
Das 1:1-Übersetzen von „do a good job“ gehört in die gleiche furchtbare Kategorie wie „Bist Du OK?“ – „Are you OK?“ – „Gehts dir gut?“ und „Make sense“ – „Sinn machen“ – „Sinn ergeben“, etc.
Das tut in der Tat exakt überhaupt Garnichts zur Sache und ist im denglischen Sprachgebrauch, wie er hier im Blog geführt wird, ohnehin absolut legitim.
Ich bin ebenso wie Ansip kein Muttersprachler, habe ihn 1:1 transcribiert und nur die Ähs rausgenommen. Ich nehme aber gerne Muttersprachen-kompatible Übersetzungen an.
Muss dieser Unfug sein? Es hätte doch eine viel offensichtlichere Möglichkeit zum Klugscheißen gegeben: „Latvian“ heißt „lettisch“ und nicht „litauisch“.
> Sinn machen
http://www.scilogs.de/sprachlog/max-frisch-macht-sinn/
Bitte informieren und nicht unreflektiert die falschen Thesen von Sick zitieren. Danke.