Was an „Kuratoren“ nervt: Die Kommentare von Sommeliers können so komplex und ausführlich werden, dass unter ihrem Einfluß Wein wie Wasser und Kaviar wie schwarzer Fischpudding schmeckt. Verbalisierung und Kommunikation tun (…) Erfahrung nicht immer gut – und wenn dies überhaupt je der Fall ist, dann höchstens zu einem gewissen Grad. Dabei steht mit (der ästhetischen) Erfahrung nicht weniger auf dem Spiel als der beinahe letzte Archipel unseres Lebens, den sich die Kommunikations-Welt noch nicht vollends unterworfen hat. Genießen Sie den Wein, löffeln Sie das bisschen Kaviar, das Sie sich leisten können (…) – und schweigen Sie dabei, so gut es geht. Nur wortloses Kuratieren geht nicht auf die Nerven. (Sagt Gumbrecht).
Ihr seid nicht allein. Wir lachen manchmal selbst über die Talk-Titel.
Die Inhalte lieben wir trotzdem. Kurz vor der Konferenz der Herzen hier subjektiv zusammengestellte und ausführlich kommentierte Programmempfehlungen
(aus den Bereichen Kultur/Medien/Urbanismus/Technikgeschichte/Soziologie, Markus folgt mit den Netzpolitik-Tips)
für Besucher mit wenig Zeit/ohne Orientierungssinn!
Europa besser machen:
(natürlich nur ein Programmpunkt unter vielen mit Europabezug, dazu kann man im Programm mit dem #Europa-HT suchen)
Man sollte es nicht versäumen, zu den drängendsten Problemen der Staatengemeinschaft Stellung zu beziehen, wenn man das Motto „Finding Europe“ wählt. Auf Konferenzen wird naturgemäß viel geredet, wir haben uns bemüht, zumindest Menschen einzuladen, die neben Reden auch Machen. Als Modellprojekt sucht CUCULA nach neuen Wegen und formuliert konkrete Lösungsvorschläge für die Flüchtlingspolitik.
I put the art in heart: (Kunst und Kultur)
James Bridle stellt im Victoria&Albert Museum London gerade eine intelligente Installation namens Hyperstacks aus, die Wissensorganisation, Ästhetik und Kritik am Überwachungsstaat zusammenbringt, bei der rp spricht er über politische Kunst und politisches Denken ohne billige Provokationen.
Hier Captain Obvious mit einer wichtigen Durchsage: Kommt zur Mediengruppe Bitnik!
Es gibt eine ganze Menge Menschen, die nicht verstehen, warum Kunst wichtig ist. Ausführliche Antworten geben unzählige Masterarbeiten, verkürzt und mit den Worten der Bitniks gesagt: „Wir sind überzeugt, dass es eine Aufgabe der Kunst ist, Ränder auszuleuchten und zeitgenössische gesellschaftliche Fragen zu thematisieren.“
Der „Random Darknet Shopper“-Bot ist gerade wieder freigekommen, Grund zu feiern!
Design / „Verhaltensdesign“
(feat. Mads und Holm von der Zentralen Intelligenz Agentur)
Wer will schon manipuliert werden? In Marketing und Politik gibt es einen neuen Trend, das „Nudging“. Manipulative Tweaks der Umwelt zu Zwecken einer verzerrten Entscheidungsarchitektur sind längst allgegenwärtig: von Straßenhubbeln zur Verkehrsberuhigung über psychologisch optimierte Speisekarten. Die Frage ist: Cui bono? Sind die Ziele zu begrüßen, die Methoden transparent und die Akteure legitimiert?
Wir sind Homo Ludens: „Games are the most important cultural form of our current century. Games also promise us to help us solve the large problems we are faced with. Why then haven’t they done so yet? What are we doing wrong?
Friends&Family (they got the brains and the looks)
Sicher ist nur, dass nichts sicher ist: Friedemann Karig, Meister der Vortrags-Eastereggs, führt anhand einer Diskursanalyse vor, wie Informationsfluss und Narrativbildung im Internet funktionieren und was eine „Lüge“ eigentlich ist. Aber auch der Begriff der „Wahrheit“ und seine Instrumentalisierung werden kritisch durchleuchtet. Warum entfernen Menschen sich freiwillig aus dem satisfaktionsfähigen Diskurs bzw. wohin?
Ein Hype geht um – die Filmindustrie hat den Hacker entdeckt, als Bösewicht und Held gleichermaßen:
Vier Hände auf einer Tastatur, Dateisysteme als 3D-Animation und Programmieren im Blindflug: Wie Hollywood sich Hacker vorstellt, hat mit der Realität nicht besonders viel zu tun. Oft ist die Action allemal sehenswerter als über Computer gekrümmte Gestalten. Eine Reise durch die Absurditäten der (Computer-)Filmgeschichte mit dem schönsten Duo, das deutsche Internetkonferenzen™ zu bieten haben, Hakan und Ole.
Und wo der Hype schon mal unterwegs ist:
Um im „content war“ zu bestehen, machen journalistische Publikationen so ziemlich jeden Hype mit. Wir zeigen, dass das nicht immer funktionieren muss. Das Publikum darf sich freuen auf Poetry Slam, Dub-Experimente und YouTube-Einlagen.
AllStars
Wider die einfachen Lösungen: Zygmunt Bauman, großer Soziologe und noch größerer Mensch, analysiert, wie es mit der Gesellschaft weitergehen könnte, wenn alle Systeme zusammenbrechen und keine neuen nachwachsen.
Der Vorsitzende Bundesrichter Thomas Fischer mit der lesenswerten und zugleich kontroversen ZEIT-Kolumne „Fischer im Recht“ erklärt den Unterschied zwischen (Un)Rechtsempfinden und Recht und was das alles mit dem Internet zu tun hat.
Man muss dieses Panel über „Hacktivismus“ schon alleine für den Titel mögen. „The history and practice of hacktivism is a complicated business. Where did it come from, who’s doing it, and why does it matter? Or is the whole discourse completely over-hyped? Join a discussion with some people who have thought about hacking and political engagement online. Come prepared to challenge what you hear.“
Nora&I built this City on Rock’n’Roll (Subkonferenz Wissenschaftsjahr Zukunftsstadt)
Der Vortrag gibt anhand von Projekten der Gruppe Haus-Rucker-Co einen Einblick in die Handlungsweisen evolutionär denkender Architekten, Planer und Künstler ab den 1960er Jahren, die bis heute Relevanz haben. (Ich hätte immer noch gerne einen dieser Environment Transformer.)
„The future city, like the future home, looks much the same as it always did (in advertisements). A key feature of futurism is nostalgia and current futurism is nostalgic for the 1950s, a period when potentially unlimited opportunities – in employment, education, public life and private life – opened up for women and were simultaneously shut down. By highlighting the regressive re-sexing of otherwise sterile and egalitarian environments Sarah Kember draws attention to, and expose a number of other false or questionable claims concerning: artificial intelligence; transparency; openness; efficiency; security; autonomy and sustainability. To what extent is the technology of the future all about comfort, care and convenience – and whose comfort, care and convenience are we talking about?“
Medien/Politik feat. Technologie
(feat. fantastic Anita Gohdes)
Wer auch so irritiert von den mit Fußballtrainerabgängen vollgetackerten Zeitungsfrontcovern ist und sich wundert, warum es wirklich relevante Informationen so selten in proportionalem Maß in die Medien schaffen: hier ein Teil der Erklärung, am Beispiel Syrien.
1, 2, Cyberpolizei. In diesem Talk werden auf unterhaltsame Weise netzpolitische Floskeln und Neologismen deutscher sowie europäischer Politik demaskiert. Und es wird gezeigt, warum der vorrangige Wortgebrauch von „Cyber“ lieber da bleiben sollte, wo er hingehört: in Science Fiction und Popkultur. Anna (aus der Redaktion) kann fast alles, sogar Sprachdekonstruktion!
(feat. fantastic Zarah)
„Hidden among the great progress that technology has brought to societies, is a history of technological advancements facilitating oppression. So before we think about how we want to leverage technology in the future, maybe we should learn from the mistakes of the past; how has technology been used to oppress societies historically, and what is the legacy of those technologies today?“
NerdAlert / I’m a historian of technology (so why don’t you kill me)
This goes out to all my Europäische Kultur-und Ideengeschichte-Homies out there: Thomas Morus’ Utopia als Kunstprojekt nachgebaut in Minecraft+Blockchains.
Technikarchäologie at its best: Warum es das jeweilige Gerät gab, warum es Erfolg hatte oder eben nicht. Welche Rahmenbedingungen brachten es hervor, welche Lücke füllte es aus, wodurch wurde es verdrängt bzw. warum hat es dann doch niemand benutzt? Das Techniktagebuch nun endlich auch mit analogem Ableger.
Statt Weinen und Aufgeben kann man sich auch in diesem Jahr noch mit Elan gegen Totalüberwachung stemmen, sowohl rhetorisch als auch in der Tat. Sollte man! Fantastic M.C. dreht zum Beispiel den Spieß um: Mit Open-Source-Werkzeugen sammelt er Daten aus sozialen Netzwerken, die Mitglieder des Überwachungsapparats hinterlassen – Metadaten der Geheimdienste, aus denen man wiederum Rückschlüsse auf deren Arbeit ziehen kann.
Im „digitalen Untergrund“ von Berlin gibt es seit einiger Zeit Quelltextlesungen. Junge Coder treffen sich vor Publikum auf einer Bühne. Sie sprechen über Programmiersprachen als handele es sich um Lyrik, analysieren Funktion und Aufbau wie Stil und Versmaß. Und weil auch im digitalen Zeitalter aus jeder Subkultur irgendwann einmal ein Kanon wird, ist es abzusehen, dass die Algorithmen unseren Alltag nicht nur wie mit unsichtbarer Hand bestimmen.
Special Interest / Für Fortgeschrittene
Ich habe für das aktuelle Jahrbuch Netzpolitik über „Surveillance Art“
geschrieben und mir zur Überprüfung der eigenen Thesen eine richtige Kunsthistorikerin eingeladen, die folgende Frage klärt: Können diese Arbeiten einen emotionalen und ästhetischen Zugang zu dem komplexen und oft sehr abstrakten Thema geben? Die digitale Massenüberwachung verfügt über ausgesprochen wenig sinnlich wahrnehmbare Aspekte. So dekorierten zahlreiche Medien ihre Beiträge monatelang mit dem Gesicht Edward Snowdens oder mit Kabelsalat im DE-CIX. Die Problematik blieb nahezu
ausschließlich über die Textebene erfahrbar, was zu einer Art ästhetischen Leerstelle führt.
Großes Gedankenexperiment zum Menschen im Zeitalter seiner technologischen Hybridierbarkeit: Viele der Probleme, philosophischen Gedankenspiele und Zukunftsszenarien aus Science-Fiction-Geschichten tauchen schon heute in unserem Alltag auf. Dafür muss sich niemand einen Chip implantiert lassen: Es genügt, ein Smartphone zu besitzen. Wie verändern selbstfahrende Autos, Roboter-Journalismus und Funkzellenabfrage bereits hier und heute die Art, wie wir denken und (zusammen)leben? (Dieser Talk muss sein, damit mein Mitbewohner wieder ruhig schlafen kann, er fürchtet sich nämlich ein bisschen vor der Singularität! Aber Bill Gates ja auch, das passiert den Besten!)
Hier geht es um einen kulturwissenschaftlichen Blick auf Geschichte, Phänomene und kulturelle Praktiken der Netzwerke; von den ersten Kanälen und Fangnetzen in Mesopotamien über Kreditkartensysteme bis hin zu Uber und AirBnB. In einem zweiten Schritt soll gezeigt werdem, wie die aktuellen Ausformungen der Netzwerke heute unser Zusammenleben entscheidend mitbestimmen. (feat @mspro und Sebastian Gießmann)
X/Misc./Hedonismus/Nach dem 1.-3. Bier/leichte Unterhaltung
(selbsterklärend, und man kann Bier gewinnen)
Meta-Wikipedia-Spiel: Bei „Six degrees of Wikipedia“ stellen die TeilnehmerInnen unter Beweis, wie viele Nächte sie in ihrem Leben bereits damit verbracht haben, sich vom 30-jährigen Krieg zu einer seltenen Kaktusart durchzuhangeln.
Delfine sind nicht nur niedlich. Sie sind auch Spione. Manchmal. Und Esel sehen auch unschuldiger aus als sie sind.
Die Rezeption neuer Formen von Bindung ist vielleicht zunächst einmal auf eine digitalaffine Bohème beschränkt. Gleichwohl zeigt die Entwicklung in anderen Themenbereichen, wie schnell sie ihren Weg in den Mainstream finden. Beziehung und Liebe entkoppeln sich zunehmend von Ökonomie und moralischen Traditionen und emanzipieren sich so zu einem freiwilligen Konzept, das auch neuen Strukturen gegenüber offen ist. Das Internet fungiert hier – wie in vielen anderen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bereichen – als Katalysator und Beschleuniger.
„Experimentelle Kulturwissenschaft zur Beobachtung der Gegenwart“ man muss sich nur dieses ScienceSlam-Video zu Gemüte führen um zu erkennen, warum ich Porombka-Fangirl bin und wieder studieren möchte.
AUSSERDEM: Im GIG-Makerspace, den meine Freunde und Kollegen Geraldine und Max organisieren, wird aus Müll 3D-gedruckt und auf einem Orchester aus Obst musiziert. Man kann dort Vorträge hören und basteln, außerdem ist die beste Stimmung auf dem ganzen Wissens-Festival (wir sind nämlich gar nicht Business, knickknack).
TLDR:
Special: Zum Einsingen für die Bohemian Rhapsody (Abschlusskaraoke)
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