Kai Biermann hat bei Zeit-Online Philipp Wolff portraitiert, der als Vertreter der Bundesregierung im Geheimdienst-Untersuchungsausschuss darüber wacht, dass möglichst nicht zu viel aufgeklärt wird: Der Geheimhalter.
Und er war, wie es aus seiner Umgebung heißt, zwischendurch wohl auch mal beim Bundesnachrichtendienst. Heute ist Wolff Regierungsdirektor, die ersten Stufen der höheren Beamtenlaufbahn hat er damit bereits hinter sich. Er arbeitet im Bundeskanzleramt in der Abteilung 6, die den Bundesnachrichtendienst überwachen soll. Er ist dort schon einige Jahre. Was bedeutet, dass er in viele der Vorgänge und Spionageoperationen, die der Ausschuss des Bundestages nun untersuchen soll, selbst verwickelt war. Seit es den Ausschuss gibt, ist Wolff im Kanzleramt für ihn zuständig. Er hütet also auch seine eigenen Geheimnisse, wenn er reglementiert, was die BND-Leute vor dem Bundestag aussagen und was nicht. Dabei macht er keine Kompromisse.
Getreu dem alten Statistiksprichwort: Trau keiner Statistik, die Du nicht selbst gefälscht hast“ heißt es hier: „Gib keine Informationen weiter, die du nicht selbst bearbeitet hast.“ Ein Schelm, der Arges dabei denkt.
Ein sehr aufschlussreicher Artikel von Kai Biermann. Die Rolle von Philipp Wolff war bisher für die interessierte Öffentlichkeit so klar noch nicht erkennbar. Kai Bierman hat das nun geändert, vielen Dank dafür.
Wenn man den Artikel aufmerksam liest, dann drängen sich einige ganz zentrale Fragen auf. Eine Frage ist, welchen Zweck soll dieser Ausschuss erfüllen?
Der NSAUA ist durch den Bundestag eingesetzt und an den Untersuchungsauftrag gebunden. Der Untersuchungsauftrag ist wie bei jedem Untersuchungsausschuss durch den Kernbereich der exekutiven Eigenverantwortung der Bundesregierung begrenzt. Und hier liegt das Problem. Philipp Wolff ist sozusagen in persona die Inkarnation dieser Begrenzung, eingesetzt durch das Bundeskanzleramt. Er macht seinen Job hervorragend und damit den Ausschuss nahezu sinnfrei.
Der NSAUA hat eine öffentliche Ebene und eine nicht öffentliche. Das, was im öffentlichen Teil stattfindet, ist das Rauschen im Walde. Ohne die Protokolle von netzpolitik.org hätten wir niemals erfahren, wie sich so ein Rauschen anhört. Doch für das Verständnis, wie ein Staat funktioniert, und was davon die Öffentlichkeit erfährt, war die Protokollierung des Rauschens unverzichtbar, denn gelegentlich ist es interpretierbar. Es hört sich an wie eine Serenade von Disfunktionalität und bemühter Aussenwirkung, eingehüllt in kaltem Nebel. Kein Beifall, entsetztes Schweigen, für Buhrufe fehlt der Atem.
Doch was geschieht im nicht-öffentlichen Teil? Wird wenigstens dort die Axt angesetzt, oder doch nur Saft getrunken? Einen Saft, den der nette Herr Wolff filtert, anrührt und auch noch einschenkt? Die Öffentlichkeit hat zumindest ein Recht darauf, zu erfahren welcher Sachstand in diesem Teil des Verfahrens erreicht wurde. Die wiederholte Vernehmung von Zeugen legt zumindest den Schluss nahe, dass sich der Nebel auch dort nicht lüftet.
Wenn ich mir vorstelle, was etwa das Neue Forum am Ende der DDR mit solchen grauen Eminenzen wie einem Herrn Wolff gemacht hätte, dann könnte man noch Hoffnung haben. Doch 100 DM Begrüßungsgeld haben damals ausgereicht, auch dem ein Ende zu setzen.
Sehr geehrter Fflowiac!
Ich habe große Probleme Ihr Lob für Philip Wolf zu teilen.
„Philipp Wolff ist sozusagen in persona die Inkarnation dieser Begrenzung, eingesetzt durch das Bundeskanzleramt. Er macht seinen Job hervorragend und damit den Ausschuss nahezu sinnfrei.“
Ob man eiskalte Technokraten lobhudeln soll ,
die Unrecht kaschieren,verdecken,unterschlagen und Missetaten unter Verschluss halten, um den „Mächtigen“ den Rücken freizuhalten,beantworte ich für mich mit einem klaren „Nein“.
Sie scheinen dem Typus einiges abgewinnen zu können,nach Ihrem eindeutigen Lob zu urteilen.
Wenn man die Tätigkeiten der eiskalt funktionierenden Technokraten,die nur ihren Dienst verrichten, in einem größeren Kontext sieht,kann man ahnen, was Sie einem Land und den Menschen antun , dann wird das erbärmliche Agieren dieser Technokraten oftmals klarer,die Ausfüllung eines Stellenprofil zu beurteilen, ist oftmals zu wenig.
Die deutsche Geschichte hat zwei schlimme Diktaturen hervorgebracht ,in denen der Typus eiskalter Technokrat viel zu deren Funktion beigetragen hat.
Hannah Arendt „Die Banalität des Bösen“ drängt sich mir irgendwie auf,wenn ich diesen kalten Funktionär seine Arbeit verrichten sehe.
Schön dass Sie sich an diesem Satz reiben, lieber ‚wesendlich‘. Ein guter Satz erzeugt Wirkung und Empörung ist schon die halbe Miete.
Sie bezeichnen Philipp Wolff als „eiskalte Technokraten“. So kann man das schon sehen. Zwischen „Lobhudelei“ und einem anerkennenden Lob klafft eine entscheidende Lücke. Wolffs Kompetenzen kann man neidlos anerkennen, doch es ist ein subtiles und vergiftetes Lob, denn er „macht damit den Ausschuss nahezu sinnfrei“ folgt sofort. Beispiel: „Der Henker führte einen sauberen Schnitt, aber solche Berufe sollte es nicht geben“ macht die Absurdität deutlicher, die wohl gemeint war.
Im Fall des NSAUA ist die Absurdität, dass ein watchdog Namens Wolff die Arbeit des Ausschusses torpediert. Es ist unschwer zu verstehen, dass Wolff genau dafür eingesetzt ist und er erfüllt seine legale(!) Aufgabe gut! Ja, leider und gleichzeitig fürfen wir uns darüber empören.
Zu Geheimschutz und zur Amtsverschwiegenheit im parlamentarischen Untersuchungsausschuss siehe §§ 14 ff. Untersuchungsausschussgesetz (PUAG). Der Staat hat sich so aufgestellt. Das muss man zunächst akzeptieren, doch es darf auch beklagt und kritisiert werden.
Der Stellknopf für den Wolff-Filter befindet sich im BkAmt. Dort wird reguliert, wie oft sich Herr Wollf ungefragt zu Wort melden soll. Und schon haben wir mit Peter Altmaier die nächste Personalie, deren eingehendere Beleuchtung angesagt wäre. Der „schwarze Peter“ könnte die Zügel auch etwas lockerer lassen, oder?
„Sie bezeichnen Philipp Wolff als „eiskalte Technokraten“. So kann man das schon sehen. Zwischen „Lobhudelei“ und einem anerkennenden Lob klafft eine entscheidende Lücke. Wolffs Kompetenzen kann man neidlos anerkennen, doch es ist ein subtiles und vergiftetes Lob, denn er „macht damit den Ausschuss nahezu sinnfrei“ folgt sofort.“
Welche Kompetenzen meinen Sie ? Das Erfüllen von schematischen Vorgaben?
Da können Sie ja einen Automaten aufstellen,wo die Befrager vorher drauf drücken,ob sie eine Frage stellen dürfen oder nicht.
Wen jemand in seiner Berufsaussübung eine seelenlose Maschine kopiert,dem zolle ich keinerlei Respekt,denn er ist nur ein Erfüllungshilfe ohne Eigenleistung,mit vielen Sekundärtugenden ohne persönliche Leistung.
Wenn Sie solche Charakterzüge schätzen,ich definiere „Befähigung“ anders.
Was Herrn Altmaier angeht,so ist seine Funktion gegenüber der Kanzlerin wie bei „Herrn Wolff „gegenüber seinem Vorgesetzten gelagert,offenbar gibt es im Politbetrieb nur diese Herr und Vasall Kombination.
Die Crux an diesem UA ist die,dass diejenigen, deren Vergehen aufgedeckt werden sollte ,festlegen können, wie der Ausschuss zu arbeiten hat.
Sie platzieren noch Behinderer und Saboteure in den Ausschuss,da ist der Wolff nur Staffage,Concierge bei dieser Farce.
Respekt und Anerkennung gebührt den Aufklärungswilligen und sonst keinem.
@wesendlich
> Respekt und Anerkennung gebührt den Aufklärungswilligen und sonst keinem.
Natürlich gilt dies den „Aufklärungswilligen“ in erster Linie, doch auch gegenüber einem Gegner kann man durchaus Respekt haben.
> offenbar gibt es im Politbetrieb nur diese Herr und Vasall Kombination.
Nein. Es gibt auch andere. Nicht zuletzt gibt es noch eine Opposition.
„Natürlich gilt dies den „Aufklärungswilligen“ in erster Linie, doch auch gegenüber einem Gegner kann man durchaus Respekt haben.“
Selbstverständlich zolle ich Gegnern Respekt,wenn Sie Größe zeigen.
Mein Respekt gegenüber einem devoten Erfüllungsgehilfen hält sich in Grenzen.
„Nicht zuletzt gibt es noch eine Opposition.“
Zum Glück gibt es diese kleine Opposition ,für deren Aufklärungskampf ich großen Respekt habe.
Es ist wenig zielführend, die Kritik an einer Person und möglicherweise noch an deren Arbeitseinstellung fest zu machen. Sinnvoller hielte ich es, Systemkritik zu üben, denn Personen sind leicht austauschbar. Maier kann Wolff und Müller dann Maier ersetzen, das System jedoch verändert sich nicht.
§§ 14 ff. PUAG bestimmt die Regeln und diese laufen dem Sinn und Zweck des NSAUA zuwider. Wenn man Aufklärung ernst nehmen wollte, dann müsste man in diesem Fall die Geheimhaltungskultur durchbrechen oder zumindest zu akzeptablen Regeln finden, denn der UA befasst sich mit eingestuften Sachverhalten, die der Geheimhaltung unterliegen.
Der Versuch, einen Sonderbeauftragten im NSAUA zu etablieren entstand aus einem Bemühen, diese Ambivalenz aufzulösen, doch er ist ungenügend und unbefriedigend. Zudem hat der Sonderbeauftragte unreflektiert Quellen für seine Bewertung in seinem Gutachten benutzt, die offenkundig vom BND stammen, den er aber beurteilen sollte. So kann Vertrauen nicht hergestellt werden, geschweige denn verlorenes Vertrauen wiedergewonnen werden.
Es ist zudem eine Farce, drei verschiedene Versionen eines Gutachtens zu fertigen, eines für die Öffentlichkeit, eines geheimes für den UA und eines noch geheimeres für das BkAmt. Ein solches Vorgehen kann nur Düpierte im UA und vor allem in der Öffentlichkeit hinterlassen. Gäbe es noch einen Glauben an die Leistungsfähigkeit des NSAUA, wäre er spätestens jetzt verdampft.
Der NSAUA verdeutlicht Bruchstellen im Parlamentarismus, in Zeiten einer generalisierten Vertrauenskrise in Politik. Eine weitere Bruchlinie verläuft entlang der öffentlichen Wahrnehmung über den NSAUA. Der NSAUA deckt Verwerfungen zwischen Regierung einerseits und Mitgliedern des UA auf. Es besteht ein tiefes Misstrauen der Regierung gegenüber Mitgliedern des Parlaments. Unter diesen Bedingungen lässt sich Wahrheit kaum finden. Durfte die informierte Öffentlichkeit bisher über filmreife Bräsigkeit geladener Zeugen staunen, so kommen jetzt Arbeitsbedingungen des NSAUA ins Blickfeld, die berechtigte Zweifel am Erfolg des Ausschusses befördern.
Es ist Zeit, darüber nachzudenken, ob die Mitglieder des NSAUA ihren UA als offiziell gescheitert ansehen sollten. Immerhin besteht ein vermuteter Konsens darüber, dass der NSAUA einen Folge-UA benötigt. Doch unter den herrschenden Bedingungen dürfte das in erster Linie weiteren Frust akkumulieren. Ein weiteres „wie bisher“ sollten sich die Beteiligten nicht zumuten, und schon gar nicht der Öffentlichkeit, die ein Recht auf vollständige Aufklärung darüber besitzt, wie sie von all dem bisher Unglaublichen tatsächlich betroffen ist.
Eine unabhängige Kommission sollte eingesetzt werden, die nachweislich unabhängig ist, und die mit weitergehenden Befugnissen ausgestattet ist, als es der NSAUA jetzt ist. Diese Kommission sollte zudem auch mit Experten aus der Wissenschaft besetzt werden, mit Journalisten und mit Bürgern, die fachlich geeignet sind.
Geheimhaltung steht gegen Aufklärung. Der NSAUA ist an seinem Setting gescheitert, weil der Untersuchungsgegenstand eben sehr geheim gehaltenes betrifft. Das derzeitige Setting ist nicht dazu geeignet, den Untersuchungsgegenstand hinreichend aufzuklären.