Informationsfreiheits-AblehnungSelektoren beeinträchtigen „vertrauensvolle Zusammenarbeit mit USA“

Wenn bekannt wird, welche Ziele die USA in Deutschland und Europa überwachen, würde das „die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den USA beeinträchtigen“. Mit dieser Begründung verweigert das Kanzleramt die Herausgabe der 40.000 aussortierten Spähziele. Der einzige, der die Liste lesen darf, ist Sonderermittler Graulich – der vertraut dabei dem BND.

Wo der V-Mann die Selektoren lesen darf: BND-Neubau in Berlin. Bild: Simon – Pierre Krautkrämer. Lizenz: Creative Commons BY-SA 3.0.

Heute ist Selektoren-Tag. Am Vormittag hatten wir über ein Gutachten berichtet, dass der Untersuchungsausschuss alle Akten eines Ermittlungsbeauftragten bekommen muss. Dann berichtete die Tagesschau: Der frühere Richter Graulich hat seine Arbeit als NSA-Sonderermittler aufgenommen. Und jetzt haben wir eine Antwort auf eine Informationsfreiheits-Anfrage, mit der wir bereits Mitte Mai die Selektorenliste beim Kanzleramt angefragt hatten. Die Ablehnung (Überraschung!) listet gleich drei Gründe:

Nachteilige Auswirkungen auf internationale Beziehungen

Außenpolitisches Ziel der Bundesregierung ist eine vertrauensvolle Abstimmung und Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten von Amerika (USA). Die Bundesregierung möchte alle Maßnahmen unterlassen, die dieses Ziel beeinträchtigen könnten. Eine einseitige Offenlegung der Selektorenliste durch die Bundesregierung wäre geeignet, das Verhältnis zu den USA nachhaltig zu beschädigen. Die USA und deren Nachrichtendienste könnten sich veranlasst sehen, künftig mit Vertretern der Bundesregierung und den Nachrichtendiensten der Bundesrepublik Deutschland nur eingeschränkt Informationen zu teilen, da sie befürchten müssten, dass vertraulich mitgeteilte Informationen zu einem späteren Zeitpunkt öffentlich würden. Dies würde sich in erheblicher Weise nachteilig auf die Wahrnehmung der deutschen außenpolitischen Interessen durch die Bundesregierung auswirken.

Auf deutsch: Wenn bekannt wird, wie die USA die „vertrauensvolle Zusammenarbeit beeinträchtigen“, wird die „vertrauensvolle Zusammenarbeit beeinträchtigt“.

Noch geheimer als streng geheim

Würde die Selektorenliste unbefugten Dritten bekannt, so könnte dies nachteilige Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit des Bundesnachrichtendienstes (BND) haben und in der Folge die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und ihre Interessen gefährden. Bei der Gewinnung von Erkenntnissen sind die Nachrichtendienste auf Nachrichtenzugänge angewiesen, die in besonderer Weise schutzwürdig sind. Sie stellen das wichtigste Instrument eines Nachrichtendienstes zur Informationsgewinnung dar und haben folglich eine überragende Bedeutung für die Erfüllung des gesetzlichen Auftrags. Dies betrifft auch die Zusammenarbeit mit anderen Nachrichtendiensten. Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit ist dabei die Geschäftsgrundlage für jede Kooperation. Eine öffentliche Bekanntgabe entgegen der zugesicherten Vertraulichkeit würde nicht nur die Nachrichtendienste des Bundes in grober Weise diskreditieren sondern auch zu einem Rückgang von Informationen aus diesen Bereichen und damit zu einer Verschlechterung der Abbildung der Sicherheitslage durch die Nachrichtendienste des Bundes führen. Die betreffende Selektorenliste ist daher als Verschlusssache mit dem Einstufungsgrad „Geheim-Schutzwort“ eingestuft. Die Voraussetzungen des § 3 VSA-Bund für die Einstufung liegen weiterhin vor.

Und nochmal: Die „vertrauensvolle Zusammenarbeit“ von NSA und BND wird nicht durch die Spionage gefährdet, sondern durch Aufklärung.

Keine Informationsfreiheit bei Geheimdiensten

Schließlich beanspruchen die Geheimdienste des Bundes eine Blanko-Ausnahme von sämtlichen Informationsfreiheits-Anfragen, inklusive des Speiseplans der Kantine in Pullach.

Sonderermittler Graulich: V-Mann der Regierung beim BND

Aber auch sonst scheint es für den BND ganz gut zu laufen. Wie die Tagesschau berichtet, sitzt V-Mann Graulich weder bei Parlament noch Regierung, sondern direkt beim BND:

Diese Woche hat Graulich angefangen: Er sitzt im neuen BND-Komplex in der Berliner Chausseestraße – in dem Gebäude also, das zuletzt von sich reden machte, weil es unter Wasser stand, nachdem die Wasserhähne gestohlen worden waren. Einen Teil des Areals hat der BND bereits in Benutzung, hier hat Graulich einige Büros bezogen. Unterstützt wird er von ein paar Mitarbeitern, die der BND ihm zur Verfügung gestellt hat – es sind vor allem technische Experten, die dem Sonderermittler das System der NSA-Selektoren erklären sollen.

Graulich muss sich dabei nicht nur auf den technischen Sachverstand von BND-Mitarbeitern verlassen, sondern auch darauf, dass der BND ihm das gesamte Material zur Verfügung gestellt hat. „Ich werde das analysieren, was man mir vorlegt“, sagte Graulich vor drei Wochen, als Detektiv sei er nicht beauftragt.

Aufklärung sieht anders aus.

13 Ergänzungen

  1. Demokratie untergraben, Verdächtige bestimmen ihren eigenen Richter, Regierung drückt und duckt so jeglichen heiklen fragen. Merkel traut sich noch nicht mal zur BPK. YT reicht ja schließlich.

    Also das Merkel Kabinett ist echt das schlimmste Kabinett der letzten 20 Jahre! So einen Schrott konnten noch nicht einmal Kohl und Schröder gemeinsam abliefern und die waren schon viel länger im Amt! Ich sag nur NSU, Austerität Griechenland, NSA, BND und alles andere was unter den Teppich gekehrt wurde!

  2. Kann man die Bundesregierung nicht auf die Herausgabe verklagen? Oder überhaupt darauf klagen, dass die Interessen der Bürger und des deutsche Volkes und nicht die anderer Staaten vertreten werden?
    Kann ich zu einem einfachen Rechtsanwalt gehen und sagen: mach das mal für mich? Oder gibt es andere Kontrollorgane, die man anrufen kann. Soviel ich noch aus dem Schulunterricht weiss, sollte doch das Parlament die Regierung kontrollieren. Wenn die machen kann, was sie will, wo ist die Grenze. Ich fühle mich schon an die Machtergreifung Hitlers erinnert (ich war natürlich nicht dabei, Geschichtsunterricht eben) aber was sich unsere Regierung ehrausnnimmt, ist schlicht Verfassungsbruch.

    1. Zur Kontrolle der Regierung durch das Parlament:
      Da die Regierung auch die größte Fraktion stellt, wird es schwierig mit der Kontrolle. Faktisch gibt es ja auch gar keine Gewalten Teilung, die Mitglieder der Regierung sind gleichzeitig Abgeordnete im Parlament.
      Zu Verfassungsbruch:
      Wir haben ja keine Verfassung die gebrochen werden könnte. es gibt lediglich das Grund Gesetz. Eigentlich sollte über eine Verfassung abgestimmt werden, aber Merkel sagte das wäre unnötig, weil das Grund Gesetz verfassungsrang hätte. Dass das nicht stimmt haben wir ja inzwischen gelernt (die Anstalt: https://youtu.be/exO_-umPSd4).

      1. Bundesgesetzblatt Jahrgang 2007 Teil I Nr. 59, ausgegeben zu Bonn am 29. November 2007, Seite 2614:
        … Die von Besatzungsbehörden erlassenen Rechtsvorschriften (Besatzungsrecht) … werden aufgehoben, soweit sie nicht in Bundes- oder Landesrecht überführt worden sind und zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens Regelungsgebiete betrafen, die den Artikeln 73, 74 und 75 des Grundgesetzes zuzuordnen waren.
        … Von der Aufhebung ausgenommen ist das Kontrollratsgesetz Nr. 35 über Ausgleichs- und Schiedsverfahren in Arbeitsstreitigkeiten …

      2. Artikel II Ziffer 2. des Kontrollratsgesetzes Nr. 35

        Berührt die Streitigkeit die Interessen der Alliierten Besetzung, so kann der
        Befehlshaber der betreffenden Zone die deutsche Provinzial- oder Landesarbeitsbehörde
        anweisen, den Parteien die Unterbreitung der Streitigkeit vor dem Schiedsausschuß
        aufzugeben.

      3. Im Zuge des Zweiten Gesetzes über die Bereinigung von Bundesrecht im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums der Justiz vom 23. November 2007 wurden die 1955 im Überleitungsvertrag definierten Rechtsvorschriften der Besatzungsbehörden aufgehoben, sofern sie nicht in Bundes- oder Landesrecht überführt sind. Lediglich das Kontrollratsgesetz Nr. 35 über Ausgleichs- und Schiedsverfahren in Arbeitsstreitigkeiten vom 20. August 1946 bzw. 9. Februar 1950 bleibt gültig.

        https://de.wikipedia.org/wiki/Besatzungsrecht

  3. Ja genau unsere Verfassung heißt Grundgesetz: sollte dieses „Gesetz“ uns nicht vor genau solchem Abschaum schützen? Schade nur, dass das Gesetz eben vom Abschaum mitverfasst wurde. Wer hat hier wohl wen getrollt frag ich mich.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.