Das deutsch-britische Firmen-Geflecht Gamma verkauft seit Jahren die Staatstrojaner-Suite FinFisher an dutzende Staaten, von denen nicht wenige Menschenrechte permanent mit Füßen treten. Darunter befindet sich auch Bahrain, das damit Menschenrechtsanwälte, Politiker, Journalisten und Aktivisten im Exil infiziert und ausgespäht hat. Vor über zwei Jahren haben unsere Freunde von Privacy International deswegen Beschwerde gegen Trovicor und Gamma International bei der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) eingereicht.
Jetzt hat die britische OECD-Kontaktstelle „National Contact Point“ eine Bewertung getroffen und veröffentlicht. Darin macht die Menschenrechtsorganisation folgende Empfehlungen an Gamma International:
- In seiner Sorgfaltspflicht internationale Erkenntnisse und Ratschläge der britischen Regierung zur Kenntnis nehmen, nicht nur offizielle Sanktionen.
- Sich an Regelungen und Diskussionen zu Best Practices der Branche beteiligen.
- Ihre Kommunikationsstrategie überdenken, um ein maximal transparentes und konsequentes Engagement der Branche zu bieten.
- Zusammenarbeit mit offiziellen Rechtsmitteln von Opfern, wenn ihre Produkte missbraucht wurden.
Privacy International kommentiert das Ergebnis:
Mit der heutigen Entscheidung stellt die OECD zum ersten Mal fest, dass ein Unternehmen, das Überwachungstechnologien verkauft, gegen menschenrechtliche Verpflichtungen verstoßen hat. Das ist eine der wichtigsten Entscheidungen, die je von der OECD getroffen wurde. Darin betont die NCP mit starken Worten, dass Gamma nicht über Prozesse zu Menschenrechten und Sorgfaltspflichten verfügt, die gegen die missbräuchliche Verwendung ihrer Produkte schützen könnten. Ihre Produkte sind einige der invasivsten Instrumente zur Überwachung, die auf dem geheimen Überwachungsmarkt zu erwerben sind.
Leider wollte das Gremium trotz deutlicher Beweise nicht eindeutig feststellen, dass Bahrain FinFisher eingesetzt hat und ist deshalb eher allgemein geblieben.
Eric King, Stellvertretender Direktor von Privacy International, kommentiert:
Die heutige Entscheidung ist ein Wendepunkt und stellt klar, dass sich Überwachungsunternehmen wie Gamma ihrer menschenrechtlichen Verpflichtungen nicht entziehen können. Diese Entscheidung bekräftigt, dass die Bereitstellung ausgefeilter Überwachungsinstrumente an einige der repressivsten Regimes der Welt nicht nur unverantwortliches Geschäftsgebaren ist, sondern menschenrechtliche Verpflichtungen der Unternehmen verletzt. Firmen, die sich so verhalten, müssen die Verantwortung dafür tragen, wie ihre Produkte verwendet werden.
Gamma hat durch sein Versäumnis, Prozesse zu Menschenrechten und Sorgfaltspflichten festzulegen, sowie seine vollständige Zurückhaltung, sich im OECD-Beschwerdeprozess zu engagieren, bewiesen, dass sie ein unverantwortliches Unternehmen sind, dem die Auswirkungen ihrer Tätigkeit auf Menschenrechte gleichgültig sind.
Die OECD hat heute bestätigt, dass Gamma und ähnliche Unternehmen nicht mehr ungestraft handeln können. Die Überwachungsindustrie – eine Branche, die Geld damit verdient, Regierungen ohne Achtung der Menschenrechte mit Instrumenten zur Unterdrückung ihrer Bevölkerungen auszustatten – muss ihre Praktiken verbessern und damit aufhören, im Schatten zu agieren.
Die NGO Bahrain Watch kommentiert:
Die zerstörerischen Kräfte dieser Art von Überwachungstechnik in den Händen von Regierungen, die nicht zur Rechenschaft gezogen werden, darf nicht unterschätzt werden. Wir wissen jetzt, dass in Bahrain Aktivisten, Journalisten und Anwälte durch diese Technik ausspioniert wurden. Nach Abschluss dieses konkreten Falls wurde deutlich, dass das auch in vielen anderen Staaten genau so passiert. Wir hoffen, dass diese OECD-Entscheidung auch in Zukunft Regierungen dazu drängen wird, entsprechende Technologien stärker zu regulieren.
Miriam Saage-Maaß, stellvertretende Legal Director des ECCHR, kommentiert:
Die Entscheidung der britischen NKS ist von grundlegender Bedeutung! Auch die deutsche Gamma-Tochter FinFisher Labs in München muss sich daran orientieren.
Zeitgleich läuft eine Strafanzeige bei der britischen „National Cyber Crime Unit“ der „National Crime Agency“.
Endlich wieder ein großer Schritt in Richtung Menschlichkeit und Rechtstaatlichkeit. :)