Vor Kurzem hat der Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen in Genf getagt, um zu prüfen, ob einzelne Staaten Menschenrechtsverletzungen begehen. Zu den Staaten gehörten zum ersten Mal seit 2006 auch die USA. Einen wichtigen Punkt bei der Prüfung, ob dort gegen den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR) verstoßen wurde, stellten die Überwachungspraktiken der Geheimdienste dar.
Der UN-Ausschuss kam dabei zu einem wenig überraschenden Ergebnis: Die Massenüberwachung durch die NSA verletzt das Recht auf Privatsphäre, die Aufsicht über die Geheimdienste hat dabei versagt, dieses Recht zu schützen. Trotz der Vorhersehbarkeit des Ausgangs ist die Feststellung des Gremiums nicht irrelevant, denn es kommt zusammen mit der konkreten Aufforderung, die Geheimdienstpraktiken zu reformieren. Erst kürzlich hatte Obama selbst einen von ihm beauftragten Reformvorschlag vorgestellt, daneben gibt es zahlreiche andere Entwürfe, die mal mehr mal weniger ernsthafte Verbesserungen oder schlimmstenfalls auch Verschlechterungen mit sich brächten.
In seinem zusammenfassenden Bemerkungen fordert der Menschenrechtsausschuss folgende Punkte:
- Es sollen alle notwendigen Vorkehrungen getroffen werden, damit Überwachungsmaßnahmen rechtmäßig, angemessen und notwendig sind und das Recht auf Wahrung der Privatsphäre nicht verletzen (Artikel 17 des ICCPR).
- Es soll sichergestellt werden, dass Eingriffe in Privatsphäre, Familie, Heim oder Kommunikation von öffentlich einsehbaren Gesetzen und hinreichend spezifisch zweckgebunden stattfinden. Ebenso müssen Aufsichtsmechanismen und Maßnahmen zur Verhinderung von Missbrauch vorliegen.
- Das aktuelle System muss reformiert werden, um unabhängige und effektive Aufsicht zu etablieren.
- Es soll von verpflichtender Datensammlung durch Dritte abgesehen werden.
- Betroffenen Personen soll der Zugang zu Rechtsmitteln bei Missbrauch gewährt werden.
Kernproblem bei der Verletzung von Menschenrechten wie Eingriffen in die Privatsphäre ist, dass die USA weiterhin an der Überzeugung festhalten, außerhalb des Landes nicht zur Wahrung von Grundrechten verpflichtet zu sein. So stelle beispielsweise die Überwachung von Nicht-US-Personen keine Menschenrechtsverletzung seitens der USA dar, was schon oftmals kritisiert wurde, auch durch das Europaparlament. Die Auslegung, wann eine Person eine US-Person ist beziehungsweise wann man davon ausgehen kann, wurde in der Vergangenheit gern freizügig interpretiert, auch wenn Präsident Obama in einer neuen Direktive offiziell auch Nicht-US-Personen Privatsphäre zugesteht.
Besonders drastisch wird die anhaltende Geringschätzung von Menschenrechten außer Landes durch eine Aussage des ehemaligen Rechtsberaters des amerikanischen Außenministeriums John Bellinger vor dem Privacy and Civil Liberties Oversight Board, das ihn Mitte März anhörte:
Even if the ICCPR did apply to persons subject to U.S. jurisdiction but outside U.S. territory, the treaty would still not establish a universal right to privacy applicable to persons overseas.
Diese Einstellung hat er in einer nachträglichen Stellungnahme zu Kritik von Ryan Goodman, Berater für internationales Recht im US-Außenministerium, noch bekräftigt und urteilt die Stellungnahme des UN-Ausschusses zur Menschenrechtssituation in den USA ab:
It is yet another example of some human rights advocates declaring international law as they would like it to be, not as States have actually agreed it is.
Aber Massenüberwachung ist nicht die einzige Menschenrechtsproblematik in den USA. Der Menschenrechtsausschuss kritisierte unter anderem ebenso Folter, das fortwährende Bestehen des Guantanamo-Gefangenenlagers, weiterhin geltende Gesetze zur Todesstrafe und 16 Bundesstaaten und gezielte Tötungen, unter anderem durch Drohnen. Es besteht also Handlungsbedarf, doch vor allem ein Umdenken, dass die Diskriminierung von Nicht-US-Personen beendet. Sonst werden all die Bemühungen, sich um internationale Regelungen für Rechte in der digitalen Welt zu bemühen, wirkungslos bleiben müssen.
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