Reaktionen auf Obamas Geheimdienstrede

Obamas Geheimdienstrede ist durch. Gerade in BürgerInnenrechtskreisen waren die Erwartungen nicht wirklich hoch, und die Reaktionen sprechen dafür, dass dies wohl auch die realistischste Einschätzung war. Anbei eine kleine Sammlung der Reaktionen:

Die American Civil Liberties Union (ACLU) gab etwa zu Protokoll:

“The president’s speech outlined several developments which we welcome. […] However, the president’s decision not to end bulk collection and retention of all Americans’ data remains highly troubling. The president outlined a process to study the issue further and appears open to alternatives. The president’s own review panel recommended that bulk data collection be ended, and the president should accept that recommendation in its entirety.”

Für Glenn Greenwald sind die Reformen von Obama nichts anderes als ein PR-Stunt, welcher nur dazu beiträgt, den Fokus von der Grundrechtsverletzung der Geheimdienste weg zu legen.

Obama prettifies the ugly; he drapes the banner of change over systematic status quo perpetuation; he makes Americans feel better about policies they find repellent without the need to change any of them in meaningful ways. He’s not an agent of change but the soothing branding packaging for it.


Die Freedom of Press Foundation, zu deren Vorstand Glenn Greenwald und Edward Snowden gehört, sieht die zentrale Frage nach dem Umgang mit dem 4. Zusatzartikel zur Verfassung der USA nicht beantwortet.

While the President’s decision that any search of the mass phone records database will now require judicial review is an important one, he still insists the records of millions of Americans should be held by either the government or a private party. In doing so, the President is overlooking a critical point: The Fourth Amendment was written to protect Americans against unwarranted searches and seizures. The NSA and the US government are trying normalize an interpretation in which the ’seizure‘ part of the Fourth Amendment does not apply.

Wohingegen die Electronic Frontier Foundation ihre Meinung in einer handlichen Punktekarte visualisiert und Obama 3.5/12 Punkten gegeben hat. 

Die Sicht der deutschen PolitikerInnen ist, auch im Bezug auf das Interview Obamas mit Claus Kleber (Ein Wortprotokoll gibt es hier), nicht so verhalten. 

Thomas de Maizere sieht im Gespräch  mit Bericht aus Berlin ein No-Spy-Abkommen nur dann Zustande kommen, wenn es sich auf substanziellen Boden befindet. Damit ist er zwar zurückhaltender als Heiko Maas, der im Gespräch mit der Bild am Sonntag Abkommen als Bedingung für gegenseitiges Vetrauen bezeichnet und es deshalb durchsetzen will, aber die NSA-Affäre sieht er dafür gelassener, denn das Internet wird auch von anderen Staaten als den USA überwacht.

Selbst wenn die NSA überhaupt nicht mehr sich für das Internet interessiert, es gibt  andere Staaten die es tun und zwar schamloser. Es gibt die organisierte Kriminalität die sich für das Netz interessiert […] es gibt Geschäftsmodelle die darauf basieren Profilbilder von privaten [Nutzern] zu verkaufen. Deswegen [ist] der Schutz des Internet gegen wen auch immer, das ist unsere gemeinsame Aufgabe, und nicht nur die Fixierung auf die NSA.“

Der Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier hingegen ist optimistisch, „dass Amerika die Stärke aufbringt, die Balance von legitimen Sicherheitsbedürfnissen und dem Schutz der Bürgerrechte richtig zu justieren“. Hans-Christian Ströbele hebt positiv hervor, dass Obama als erster Präsident der Vereinigten Staaten die Privatsphäre von Nicht-AmerikanerInnen anerkannt hat und sieht jetzt die Bundesregierung im Zugzwang:

Negativ war vor allem, dass [Obama] das Verhalten der NSA doch sehr geschönt hat […] aber er hat dann doch das Problem ganz offensichtlich erkannt und er hat eine ganze Reihe von Vorschlägen gemacht wo man erstmal gucken muss wie das gesetzgeberisch aussieht […].

Wir haben jetzt in der Tat die Möglichkeit […] dass [die Bundesregierung] genauso wie Obama die Sache zur Chefsache macht, dass die Bundeskanzlerin die Sache an sich zieht und […] versucht das Problem zu analysieren wie das Obama gemacht und und geht sie nach Washington und zieht hier, und in Europa und den USA die und die Konsequenzen, das erwarte ich eigentlich von ihr, die hat bisher eine solche Rede nicht gehalten.

Und es sieht auch nicht so aus, als würde Merkel bald eine solche Rede halten. Aber da Obama versprochen hat, dass es unter seiner Präsidentschaft nicht nochmal zu einer Überwachung ihrer Kommunikation kommen wird, hat sich das Thema vielleicht auch schon für sie erledigt.

10 Ergänzungen

  1. Viel mehr war nicht zu erwarten:
    Würde er viele Programme streichen, würde er sich politisch angreifbar machen. So funktioniert unser System leider :-(.

  2. „Obama prettifies the ugly“ und dies kann er verdammt gut. Jetzt kann man ahnen, warum einer wie er, in dieses Amt installiert wurde. Man kann es den Menschen nicht übel nehmen, wenn sie diesen Stuss glauben. Und das ist das Problem!

    Mit welcher Nonchalence er Klebers, relativ klugen Fragen, Paroli bot war schon eine Meisterleistung.

  3. Wünschenswert und notwendig wäre das Abkommen. Daran besteht kein Zweifel. Nur die Sinnhaftigkeit bezweifele ich. Würde sich irgendetwas ändern? Für uns Normalbürger?

    Wohl eher nicht.

  4. Als Zusammenfassung der aktuellen Diskussionslage ist zu empfehlen:

    http://wagnisdemokratie.wordpress.com/

    „Der Widerstand gegen die Ausspähung scheint nun endlich in eine konstruktive Phase einzutreten, in der nicht nur gejammert und gebastelt wird, sondern konkrete politische Forderungen an die Verantwortlichen formuliert werden. Bemerkenswert ist dabei das breite politische Spektrum, dass unisono die digitale Emanzipation Deutschlands und Europas fordert.“

    1. Interessante Frage in diesem Zusammenhang: Wenn das BSI Kapazitäten für diese Aktion aufbringt, warum schickt es nicht gleich Proaktiv Mails an alle Empfängeradressen raus? Man könnte das Verfahren umkehren: Alle Mails enthalten einen Code, den man auf der BSI-Seite (kein Link in der Mail!) prüfen kann. bsi.de oder bsi.bund.de eingeben wird doch wohl jeder hinbekommen. Dort platziert man einen gut sichtbaren Hinweis auf die Prüfung. Ist der Code bekannt, wird nochmal der Hinweis ausgegeben, dass die mail vom BSI stammt und die Adresse in gesammelten Daten eines Botnetzes aufgetaucht ist, zusammen mit den üblichen Sicherheitshinweisen.

      Der Aufwand wäre wahrscheinlich vergleichbar. Versendet man die Mails gestaffelt, verkraftet der Server auch die vielen Bounce-mails. Und das BSI hätte sich nicht zu einem weiteren möglichen Datensammler gemacht.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.