Der Tragödie 4. Akt: Jetzt doch Ehrendoktor in Rostock? Snowden und die Hochschulwürden

UeberwachtesNetz-square_512pxEs ist wie ein gutes klassisches Drama. Von der Exposition (Wir, die Philosophische Fakultät der Universität Rostock, denken darüber nach, Snowden den Ehrendoktor zu verleihen) zu der Steigerung (Wir haben im Fakultätsrat darüber entschieden, Snowden die Ehrendoktorwürde zu verleihen) bis hin zum Wendepunkt (Rektor Schareck ist dagegen, sieht Snowdens wissenschaftliche Leistung nicht).

Jetzt kündigt sich das retardierende Moment an (Verzögerung, Hoffnungsblick) – Medienberichten und einer Pressemitteilung der Uni Rostock zufolge hat der unbeugsame Fakultätsrat heute beschlossen, sich nicht mit der Ablehnung des Rektors zufrieden zu geben. Wird nun doch alles gut? Oder ist das nur ein weiteres Element in einem Schlagabtausch, in dem der Wunsch, einen Menschen, der sich wesentlich um Wissenschaft, Freiheit, Forschung, Bürger- und Grundrechte verdient gemacht hat, für seine Taten auszuzeichnen, der (politisch motivierten?) Wort- und Satzungstreue eines mutlosen Universitätsrektors entgegen steht?

Was geschieht als nächstes? Folgt diese Inszenierung dem vorgezeichneten Weg, dann gibt es keine andere Möglichkeit, als dass die Ehrendoktorwürde-Causa ihrem unweigerlichen Ende (Katastrophe) entgegenschreitet, nämlich der Einmischung der Landespolitik, die für sich entschieden hat, Grundrechte würden im Internet nicht gelten. In Hochschulangelegenheiten wird sich ja offiziell nicht eingemischt, aber wenn man uns schon fragt…

Zückt schon einmal eure Taschentücher für das herzzereißende Finale dieser unglaublichen Show, in der es ein einfaches Zeichen zur Würdigung Snowdens Verdienste nicht durch den Genehmigungsdschungel der politischen Gegner schafft. Immerhin, können wir noch sagen, nimmt eine andere Uni jetzt die ‚Bürde‘ auf sich, die Anerkennung der Öffentlichkeit in akademische Anerkennung umzuwandeln: Wer Lust hat auf ein leichteres Lustspiel, der wende sich in Richtung der FU Berlin, deren akademischer Senat Snowden jetzt zum Ehrenmitglied ernennen will, wie der Tagesspiegel weiß. Da an „Ehrenmitglieder“ vermutlich geringere wissenschaftliche Anforderungen gestellt werden als an „Ehrendoktoren“, können wir unseren durchnagten Fingernägeln eine Pause gönnen und uns entspannt zurücklehnen, während wir mit letzter Kraft ein „Herzlichen Glückwunsch“ hauchen.

10 Ergänzungen

  1. Die Frage ist … warum stellt sich ein Rektor dermaßen gegen seine Professoren? Zweifelt er an ihrem Urteilsvermögen, oder hat er Angst?

    1. Es ist Angst!

      Wir erleben hier noch einmal die Schlachten der letzten Reste der bürgerlichen Gesellschaft, die sich – nachdem sie sich dem Kaiserreich, den Nazis und den USA hingegeben haben _ nun gänzlich eines wichtigen Glaubwürdigkeitsankers beraubt sieht. Snowdens Ehrung würde in einem der bürgerlichen Gesellschaft vorbehaltenem Raum (Universität) deutlich zu Ausdruck bringen, wie erbärmlich und würdelos genau diese Gesellschaft ist.

      Erbärmlich ist sie, weil sie lieber wegschaut als Fehlentwicklungen zu brandmarken und zu korrigieren. Würdelos ist sie, weil sie sich stets dem Machtausübenden unterworfen hat. Hinzu kommt, dass man sich als Partner der USA lange Zeit auf der ‚guten Seite‘ gesehen hat. Doch die Offenlegung dieses paranoiden Totalüberwachungsplans hat deutlich gemacht, dass Freiheit und Demokratie, die mit allen Mitteln verteidigt werden, eben dadurch zerstört werden.

      Die deutsche bürgerliche Gesellschaft kann Freiheit und Demokratie nur ausnutzen, um ihre Privilegien zu sichern. Um diese zu erringen und durchzusetzen – dazu ist das deutsche Bürgertum unbrauchbar.

      1. Herr Kinscher, dies ist mit Abstand die klügste Analyse, die ich bisher in dieser ganzen Sache im Netz gelesen habe. Chapeau!

      2. Dem kann ich mich nur anschließen. Es ist sowohl erstaunlich wie erschreckend, dass es in der ganzen Debatte so lange gebraucht hat, bis dies mal jemand ausspricht. Auch von mir: Chapeau!

  2. Dass ein Rektor die Bitte eine Fakultät zu einem Dr hc ablehnt ist ein bisher kaum dagewesener Affront.

  3. Kann auch Erpressung sein- Wir wissen ja nicht, welchen Hobbys der Herr Rektor nachgeht- die Politiker mit Zugang zu BND und NSA wissen das schon. Und wer will schon einen Skandal riskieren, nicht wahr?

    Wir sollten eine große Liste machen mit Leuten, die sich der Kooperation verdächtig gemacht haben. Dann sparen wir uns später die Recherche wenn’s ans Eingemachte geht.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.