Unter dem Motto „Mach dich nicht nackig – wirb für deine Grundrechte!“ startete heute das Bundesministerium der Justiz einen Kreativwettbewerb für Studierende. Auf einer flippigen (Achtung, wechselnde Neonfarben) Website werden Studierende aller Fachrichtungen aufgerufen, digitale Beiträge zu Themen einzureichen, „die im weitesten Sinne für die Grundrechte sensibilisieren, die das Private konstituieren und schützen“. Eine Jury bestehend aus der Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, den Leitern der Abteilungen Justizverwaltung, Bürgerliches Recht und Verfassungs- und Verwaltungsrecht und dem Leiter des Referats Presse- und Öffentlichkeitsarbeit verleiht irgendwann vor Beginn der Sommersemesterferien Preise zwischen 3000€ (1. Platz) und 1000€ (3. Platz) sowie Medientrainings für die Plätze 4 bis 10.
In der Pressemitteilung des BMJ heißt es:
Die Bundesregierung hat mit der Abschaffung von Internetsperren und der Absage an jedwede Form von Internetsperren bei Urheberrechtsverletzungen bewiesen, dass sie die individuelle Freiheit in der digitalen Welt als einen zentralen Wert versteht. Die Politik insgesamt muss für die Bedeutung der Grundrechte in der digitalen Welt werben, in einem dauerhaften Prozess. Die Debatte selbst ist ein unverzichtbarer Beitrag zu einem verantwortungsvollen Umgang mit den Chancen und Risiken der digitalen Welt. Politik und Netzgemeinde sollten diesen Diskussionsprozess vertiefen, damit nicht immer nur auf die Risiken der digitalen Welt hingewiesen wird. Je mehr Verantwortung wir alle für die digitale Welt übernehmen, desto weniger bedrohlich wirkt sie.
Als Grundrechte werden hier das Recht auf Privatsphäre und der Schutz vor staatlichen Eingriffen genannt, vorgeschlagene Themen für Einreichungen sind Schutz privater Daten, Wandel der Grundrechte in der digitalen Welt, Änderungen durch technische Errungenschaften wie Funkzellenortung.
Individuelle Freiheit als zentraler Wert stelle ich mir zwar in der politischen Umsetzung anders vor als bisher geschehen und dass sich die FDP im Wahljahr nochmal besonders gern für ihre ‚Internetverdienste‘ lobt, konnte zuletzt schön bei der Debatte zum Leistungsschutzrecht beobachtet werden. Dennoch liest sich die Pressemitteilung auch selbstkritisch, geht es doch um den Schutz vor Eingriffen des Staates. Und der Anspruch, auch mal Chancen der digitalen Welt statt nur die Risiken darzustellen, klingt nach einer guten Idee. Zu der Verwendung der Einreichungen äußert sich das BMJ leider nicht genauer, behält sich jedoch das Recht vor, die Beiträge zu bewerben, öffentlich zugänglich zu machen und zu vervielfältigen.
Man kann also gespannt sein, was daraus wird. Wer mitmachen möchte, kann sich hier noch nicht, aber gewiss bald, mit bis zu 4 weiteren Personen anmelden. Einsendeschluss ist der 15. März 2013.
Ziemlich skurill: Ein Ministerium wirbt dafür, dass sich mehr Menschen für den Schutz gegen staatlichen Eingriffe stark machen.
Aber vielleicht beschreibt das ganz gut den Zustand in dem wir uns momentan befinden. Die Grenzen sind nicht mehr klar gezogen.
Gab es nicht vor einem Jahr einen ähnlichen Wettbewerb vom Innenministerium? Ja, richtig, der hieß „Vergessen im Internet“.
http://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Kurzmeldungen/DE/2011/04/Vergessen_im_Netz.html
Der Wettbewerb war so erfolgreich, dass nicht nur die Webseite vergessen-im-internet.de bereits abgeschaltet ist, auch die Gewinner sind nicht mehr auf der Webseite des Innenministeriums zu finden.
Hab die Gewinner auf Umwegen dann doch gefunden: http://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2012/mitMarginalspalte/05/acatech.html
„Teilnehmen können Studierende aller Fachrichtungen. Auch Kleingruppen bis zu fünf Personen können sich an dem Wettbewerb beteiligen, wenn alle Gruppenmitglieder Studierende sind.“
Andere sind wohl zu dumm? Was soll dieses vor aussortieren? Will man die Menge der Einsendungen begrenzen? So wirkt das recht willkürlich und doof.
@leute: Ich glaube, die Herausforderung dürfte eher sein, ausreichend Einsendungen zu bekommen.
Das vermute ich auch. Daher wirkt die willkürliche Begrenzung auf Studierende — quasi „über Grundrechte und ihre Grenzen reden nur Studierte“ — noch merkwürdiger.
Zum Spaß: Es geht eine Behörde, die Wettbewerbe ausschreibt und die ja für alle Bürger da seien soll, nichts an ob ich studiere oder nicht. Das ist privat und kann höchstens später freiwillig von mir angegeben werden. Bei der Bewertung der Einsendungen sollte es auch keine Rolle spielen. Sind die Ideen eines Schlossers oder eines Zweiradmechanikers zu diesem Thema etwa irrelevant — nicht „Meta“ genug? Und wer darf das entscheiden?
ganz ganz kurz überkommt einen die Lust, diese fürchterlich faden und im Endeffekt verlogenen ministeriums-wettbewerbe zu untergraben. Wie gesagt, nur ganz ganz kurz, denn dann wird klar, dass „die Internetgemeinde“ hier nur instrumentalisiert werden soll.
PS: Danke an Torsten für den Link zu diesem unfassbar dümmlichen „Recht auf Vergessen“-Wettbewerb von BMI-Fuzzi Friedrich. Die Gewinnerliste liest sich wie aus einem schlechten Reich voller Anti-Aufklärung. Oh, moment, das ist ja auch aus unserer Republik.
Ich will keine f*cking Wettbewerbe, ich will anständige Politik der Aufklärung und der digitalen Bürgerrechte.