Großbritannien: Polizeieinheit überwacht 9000 Aktivisten

Eine Polizeieinheit der Londoner Metropolitan Police, die National Domestic Extremism Unit (NDEU), hat fast 9000 politische Aktivistinnen und Aktivisten überwacht. Das fand The Guardian mit einer Anfrage nach Informationsfreiheitsgesetz heraus. Demnach gibt es Akten über 8931 Personen, die als „domestic extremists“ gelten – laut einem senior officer haben viele von ihnen keinerlei Vorstrafen.

Die NDEU überwachte die Aktivistinnen und Aktivisten mit einem 17-köpfigen Team, das eine Technik namens „Socmint“ (Social Media Intelligence) anwendete. Damit werden Facebook Profile, Tweets, andere öffentliche Daten und Ortungsdaten gesammelt und analysiert sowie „sentiment analysis tools“, also ‚Gefühlanalysewerkzeuge‘ genutzt, um zukünftige Vebrechen vorherzusagen. Mit diesen Strategien sowie verdeckten Ermittlern und Informanten überwacht die Polizeieinheit Aktivistinnen und Aktivisten eines breiten politischen Spektrums, von der rechten Englisch Defense League über Tierschützer bis hin zu Anti-Kriegs-Demonstranten.
Met-Police-logo

Umut Ertogral, Leiter der Open Source Intelligence, sagte im Mai auf einer Konferenz in Australien (laut Wired dachte er, es handele sich um eine nichtöffentliche Präsentation):

[Social media] almost acts like CCTV (Videoüberwachungsanlagen) on the ground for us. Just like the private sector use it for marketing and branding, we’ve developed something to listen in and see what the public are thinking.

Seit den Unruhen in England 2011 soll diese neue Art der Überwachung eingerichtet und verbessert worden sein und wie Paul Wright bei Wired schreibt, zielt diese Art der Überwachung auf solche Daten die, absichtlich oder unabsichtlich, öffentlich zugänglich sind – während das Prism Programm der NSA es gerade auf nichtöffentliche Daten abgesehen hat.

Der Regulatory Investigation Powers Act (RIPA), der die Telekommunikationsüberwachung im Vereinigten Königreich regeln soll, wurde im Jahr 2000 verabschiedet und beinhaltet keine Kontrollmöglichkeit für Polizeiermittlungen, bei denen Social Media genutzt wird. Während es für Überwachungsmaßnahmen das Okay eines Vorgesetzten braucht, ist völlig unklar wie es sich bei öffentlichen Social Media Daten verhält. Eric King von Privacy International sieht hier Klärungsbedarf:

Millions of British citizens share billions of pieces of information about their lives with social networking sites every day. While Ripa authorisations are required for most methods of offline surveillance the police are refusing to come clean about what checks and safeguards — if any — are in place to ensure that surveillance of online activities stays lawful and proportionate.

Erst am Dienstag war bekannt geworden, dass die Metropolitan Police heimlich Treffen eines Anwalts mit einem Augenzeugen des Mordes an Stephen Lawrence 1993 abgehört hatte. Der Augenzeuge Duwayne Brooks war Ziel einer Hetzkampagne der Polizei, um seine Zeugenaussage zu diskreditieren. Im vergangenen Jahr wurden schließlich zwei Männer verurteilt, nachdem neue Beweise ans Licht gekommen waren.

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6 Ergänzungen

  1. Extremist. Activist. Ist doch alles eins. Zumindest wollen beide am Status Quo was ändern – und das geht ja nun mal gar nicht. Das muss man unterbinden.

  2. Die staatlichen Ermittlungsbehörden nutzen also öffentlich im Internet zugängliche Daten. Wer hätte das gedacht.
    Ich hoffe, niemand ist so naiv davon auszugehen, dass dies nicht passiert (sicherlich auch in D). Öffentliche Daten bei Twitter, Facebook und Co. sind eben genau: öffentlich, auch für Behörden. Den Vergleich, dass Social Networks durchaus einer Art Videoüberwachung gleichkommen können finde ich da sehr treffend und logisch.
    Als eigentlich interessante Teil erscheint mir, dass möglicherweise auch Tierschutzgruppen und Kriegsgegner mit verdeckten Ermittlern infiltriert werden. Auch, dass ein Anwaltsgespräch abgehört wurde ist unter aller Sau. Aber auch hier ist es leider mittlerweile so, dass einen das nicht wirklich überraschen dürfte.

    1. Und? Was machen wir daraus? Wenn wir „nicht überrascht“ sind und so gar nicht „naiv“.

  3. In England sind Kleinkinder Rassistisch wenn sie im Kindergarten zu eine exotischem Essen bäh sagen,das wird vermerkt und die Kinder und Eltern überwacht.

    Schön oder?

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