Gestern haben sich die amerikanische Federal Communications Commission (FCC) und das amerikanische Telekommunikationsunternehmen Verizon vor Gericht zur ersten mündlichen Verhandlung getroffen, in der es um nicht weniger als die Zukunft der Netzneutralität in den USA geht. Im Jahr 2010 hatte die FCC Regeln zur Netzneutralität beschlossen, an die sich die Provider zu halten haben. Das Gericht soll in dem Verfahren, das von Verizon gegen die FCC geführt wird, nun klären, ob die FCC überhaupt die rechtliche Grundlage besitzt Regeln zur Netzneutralität zu erlassen.
Die 2010 von der FCC vorgestellte „Open Internet Order“ enthält nur drei Regeln. mit denen die Netzneutralität gesichert werden soll. Erstens sollen die Internetprovider transparent angeben, wie sie mit dem Datenverkehr in ihren Netzen umgehen, damit Kunden besser informiert werden. Zweitens wird es den Internetprovidern verboten bestimmte Daten in ihren Netzen zu blockieren. Alle Daten sollen gleich behandelt werden. Und drittens sollen die Internetprovider keine „unangemessen“ Diskriminierungen bestimmter Dienste vornehmen, um eigene Dienste zu bevorzugen.
Am 30. September 2011 legte jedoch der amerikanische Telekommunikationskonzern Verizon bei einem Bezirksgericht in Washington Einspruch gegen die „Open Internet Order“ ein. Die Begründung: Die FCC, und damit die Regierung der USA, habe nicht die Autorität, Regeln für das Internet zu erstellen.Zusätzlich gibt Verizon an, dass die „Open Internet Order“ gegen den 1. und 5. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten verstoße. The Verge dazu:
The Fifth Amendment, it says, protects against having to give other companies a „permanent easement“ on its network, claiming a kind of unfair digital eminent domain. And it argues that the First Amendment says the FCC can’t force it to distribute others’ „speech“ (like video or calling services) without the chance to decide how it’s transmitted.
Susan Crawford, Professorin an der Benjamin N. Cardozo School of Law und ehemalige Beraterin von Barack Obama in Fragen der Wissenschaft, Technologie und Innovationen, erklärt dem Time Magazin die Bedeutung des Verfahrens:
Verizon vs. FCC presents a very significant historical moment. The question presented by the case is: Does the U.S. government have any role in ensuring ubiquitous, open, world-class, interconnected, reasonably priced Internet access?
Wie das Gericht in seinem Grundsatzurteil entscheiden wird, ist zur Zeit nicht absehbar. Die FCC scheint aber 2002 einen entscheidenden Fehler gemacht zu haben, der ihr nun nach zu hängen scheint. Damals entschied sie nämlich, Internetprovider anders als „normale“ Telekommunikationsanbieter zu behandeln, womit sie entscheidenden Einfluss auf die Internetprovider verlor. Jennifer Yeh von Free Press sagte gegenüber The Verge:
The FCC would have been on stronger footing if it had exercised its direct authority over telecommunications services.
Zwei der drei Richter scheinen dieses nun ähnlich zu sehen, wie die New York Times berichtet. Demnach würden die beiden Richter Laurence H. Silberman und David S. Tatel der Meinung sein, dass die FCC Regeln für Telefonverbindungen, nämlich dass alle Daten gleichwertig behandelt werden müssen, illegal auf die Infrastruktur des Internets anwenden würde. Die dritte Richterin, Judith W. Rogers, schien sich hingegen zu der Position der FCC zu bekennen.
The Verge hingegen berichtet von einem Urteil aus dem April diesen Jahres, welches der FCC wiederum „Munition“ in die Hand gebe:
In particular, they point to City of Arlington v. FCC, a 2013 case that could give the FCC the ammunition it needs. City of Arlington essentially holds that when Congress has made an ambiguous law, the agency is allowed to make a call on its own, and courts must defer to it when it does. The ruling arguably doesn’t apply to all kinds of authority, and it’s possible it won’t be used to determine the Verizon case — but if it does, David Sohn of the pro-net neutrality Center for Democracy and Technology says it „certainly cuts in favor of the FCC.“
Das Urteil im Fall „Verizon vs. FCC“ wird gegen Ende diesen Jahres oder Anfang des nächsten Jahres erwartet, wie die New York Times schreibt.
Zur Zeit laufen eine Reihe verschiedener Kampagnen in den USA, um das Thema Netzneutralität wieder in die Öffentlichkeit zu holen. Bereits gestern berichteten wir über die Mockumentary „The Internet Must Go“, die das Thema Netzneutralität auf lustige Art und Weise beschreibt. Susan Crawford, Larry Lessig und Tim Wu, die allesamt auch an dem Film mitgearbeitet haben, haben sich gestern zu einer Fragestunde auf reddit eingefunden. Und Public Knowledge hat eine Timeline mit den wichtigsten Ereignissen rund um das Thema Netzneutralität in den USA erstellt, die wir hier mit bestem Dank einbinden. Die Timeline steht unter der Lizenz Creative Commons BY-SA.
Ich hoffe das FCC wird vor Gericht Vodafones Zwillingsunternehmen ordentlich die Fresse polieren und gewinnen.