Dieser Artikel erschien zuerst auf der Webseite der Free Software Foundation Europe (FSFE).
Die Free Software Foundation Europe veröffentlicht heute ihre Freie-Software-Wahlprüfsteine zur Bundestagswahl am 22. September 2013. Alle darin aufgeführten Parteien bezogen Stellung zu den Fragen ob öffentlich finanzierte Software als Freie Software bereitgestellt werden muss, zur ElsterFormular Software, Kontrolle von Mobilen Geräten, Secure Boot, gebührenfreier Lizenzierung von Standards, Werbung für unfreie Software auf Webseiten der öffentlichen Verwaltung und Softwarepatenten. Erfreulicherweise haben die Parteien ihr Wissen seit der letzten Bundestagswahl bezüglich Freier Software klar verbessert.
Im Folgenden findet sich eine Zusammenfassung und Bewertung der vollständigen Antworten durch die FSFE. Des Weiteren ermutigt die FSFE Freie-Software-Aktivisten, diese Fragen und Antworten als Inspiration für eigene Fragen an weitere Kandidaten auf Bundes- wie auch auf Landesebene zu nehmen.
Erfreulich zunächst: SPD, Grüne, Piraten, Linke und die Freien Wähler wollen, dass von öffentlicher Hand beauftragte und finanzierte Software als Freie Software veröffentlicht wird. Die SPD schreibt „von der öffentlichen Hand finanzierte Software soll, soweit es geht, als Freie Software auch wieder der Allgemeinheit zur Verfügung stehen.“ Die Grünen fordern die Veröffentlichung als Freie Software bereits in ihrem Wahlprogramm (siehe FSFEs Übersichtsseite zu Wahl- und Parteiprogrammen in Deutschland) und begründen in ihrer Antwort die Forderung nach Veröffentlichung mit Vorteilen „wie größere und nachhaltigere Innovationspotentiale, Verbreiterung der Kompetenz im Umgang mit Software, aber auch sicherheitsrelevante Vorteile.“ Weiterhin kritisieren sie den Rückschritt weg von Freier Software im Auswärtigen Amt. Die Piraten und die Linke befürworten beide die generelle Veröffentlichung aller öffentlich finanzierten Inhalte. Die FDP geht nicht direkt auf die Frage ein sondern fordert generell „sowohl proprietäre, als auch Freie Software“ bei Ausschreibungen zu berücksichtigen.
Dagegen sieht die CDU „haushaltsrechtliche Hürden“ für die Veröffentlichung und Weiterentwicklung Freier Software durch die öffentliche Verwaltung. Dazu verweist sie auf einen Absatz der Bundeshaushaltsordnung (BHO § 63 Abs. 2). Die Bundesregierung schreibt jedoch im rechtlichen Begleitdokuments zum Migrationsleitfaden: Dieser Absatz „stellt also keine Begrenzung für die Weitergabe von Software dar“ (S. 41) und „[i]m praktisch wichtigsten Fall, der Fortentwicklung von GPL-Software, darf die Behörde die eigenen Entwicklungsanteile ohne Erhebung von Lizenzgebühren an Private weitergeben“ (S. 43). Dagegen sieht der Migrationsleitfaden das Problem der kostenlosen Weitergabe an Private bei vollständiger Neuentwicklungen sowie bei Fortentwicklungen von Non-Copyleft-Programmen. Unverständlich ist, warum die Union die BHO in 8 Jahren Regierungsbeteiligung nicht geändert hat, wenn sie dieses als Problem sieht. Des Weiteren soll laut CDU/CSU in jedem Einzelfall geprüft werden, ob die Software „mit naheliegenden Veränderungen so abgewandelt werden kann, dass sie zu gesetzlich verbotenen Zwecken eingesetzt werden kann“, und wenn dies zutrifft, soll diese nicht veröffentlicht werden.
Die Zurückhaltung der ElsterFormular-Software stößt bei den Parteien auf Unverständnis, Bedauern und Kritik. Die FDP macht auf die Plattformunabhängigkeit von der geplanten Version von Elsteronline aufmerksam, die auf Java verzichten soll. Sie bedauert jedoch, dass das ElsterFormular nicht plattformunabhängig zugänglich ist. Die Freien Wähler empfinden die gegebene Plattformabhängigkeit im Hinblick auf die Systemsicherheit unverständlich. Für die SPD ist die Bindung an einen Betriebssystemhersteller inakzeptabel, und sie will sich dafür einsetzen, „entsprechende Software auch für alternative Betriebssysteme bereitzustellen.“ Die Grünen wollen sich dafür einsetzen, dass auch Nutzerinnen und Nutzer freier Betriebssysteme das ElsterFormular nutzen können. Deutliche Kritik kommt von den Linken: „Die Bereitstellung des Elster-Formulars lediglich für Microsoft Windows und das Zurückhalten von GNU-Linux- und Mac OS X-Versionen durch das für die Entwicklung von Elster federführende Bayerische Landesamt für Steuern aus vermeintlich wirtschaftlichen Erwägungen ist inakzeptabel.“ Die Piraten sprechen sich außerdem für eine Veröffentlichung der Software und Dokumentation unter einer Freien Lizenz aus, auch wenn diese qualitativ schlecht wäre, um zumindest anderen die Möglichkeit einzuräumen, die Software weiterzuentwicklen.
Alle Parteien sind sich einig: Öffentliche Einrichtungen sollten sich bei der Beauftragung von Softwareentwicklungen sämtliche Nutzungsrechte (Zugriff auf den Quellcode, das Recht, die Software selbst oder durch Dritte weitzuentwickeln, das Recht die Software an andere weiterzugeben) einräumen lassen. Dazu die FDP: „Das macht unabhängig vom Hersteller und bietet Planungssicherheit und Freiheit bei der Dienstleisterwahl.“ Die SPD und die Grünen begründen ihre Forderungen vor allem aus Sicht der IT-Sicherheit. Laut der Linken soll der Staat „seine Verfügungshoheit sicherstellen und im Sinne der Allgemeinheit nutzen“. Die CDU will „einen besonderen Wert darauf legen, dass zukünftig Weiterentwicklungsmöglichkeiten der Software von Beginn an berücksichtigt werden.“ Piraten und Grüne verweisen darauf, dass staatliche Nutzungsrechte Bedingung sind, um – wie von beiden Parteien gefordert – Software der öffentlichen Verwaltung unter Freien Lizenzen zu veröffentlichen. Weiterhin wollen die Freien Wähler über eine Bestrafung für Beamte und Angestellte nachdenken, die für den Staat Verträge ohne diesen Nutzungsrechte unterschreiben.
Zur Kontrolle mobiler Geräte befragt, gehen die Parteien primär auf Datenschutzaspekte ein. Die SPD sieht „insbesondere das Recht auf informationelle Selbstbestimmung vor besonderen Herausforderungen.“ Grüne, Linke, Piraten und SPD fordern datenschutzfreundliche Technik als Grundeinstellung („Datenschutz durch Technik“), wohingegen CDU/CSU, FDP und Freie Wähler auf eine bessere Aufklärung der Bürger abzielen. Zu der Frage welche Rechte die Anwender über die Software auf diesen Geräten haben sollten – eine Frage, die von der FSFE z.B. mit ihrer FreeYourAndroid.org-Kampagne aufgeworfen wird – treffen die Parteien jedoch keine Aussagen.
Beim Thema „Secure Boot“ sind sich zunächst alle Parteien einig: das Eckpunktepapier der Bundesregierung enthält wichtige Forderungen, die sie unterstützen und umsetzen wollen. „Mit der Implementierung von Secure Boot werden die Eigentümer von IT-Geräten in der Möglichkeit beschränkt, unabhängig und vollständig die Kontrolle über Inhalte und Anwendungen auszuüben“, so die Linke zur Problembeschreibung. Die FDP will „sicherstellen dass Nutzer eine informierte Entscheidung über ihre Geräte treffen können“ und die CDU möchte die Arbeit zu dem Thema auf nationaler und internationaler Ebene weiter verfolgen. In ihrer ausführlichen Antwort schreiben die Piraten: „Systeme, die den Nutzer daran hindern, bestimmte Software zu installieren, sind wirtschaftspolitisch nicht akzeptabel. Dies führt zwangsläufig zur Förderung von Oligopolen oder Monopolen im Softwaremarkt. Wichtiger noch ist aber die gesellschaftspolitische Bedeutung der Kontrolle über IT-Systeme [….]“ Die Grünen bezweifeln, wie die Bundesregierung „mit der großflächigen Bindung an Microsoftdienste“ das Eckpunktepapier umsetzen will und die SPD fordert eine „Initiative auf europäischer Ebene […], damit diese Vorgaben nicht nur eine politische Willenserklärung bleiben, sondern tatsächlich eingehalten werden.“
Bis auf die CDU und die Freien Wähler befürworten alle Parteien explizit die gebührenfreie Lizenzierung von Standards. Die Grünen verweisen auf ihre Forderung aus der Enquete Kommission „Internet und Digitale Gesellschaft“ (EIDG), bei der sie die öffentliche Verwaltung zur Förderung der Interoperabilität und Zukunftsfähigkeit ihrer IT-Systeme konsequent auf den Einsatz offener Standards verpflichtet will, „um bei der Weiterentwicklung der Systeme nicht von den Interessen einzelner Marktteilnehmer abhängig zu sein.“ Kritik an SAGA kommt von den Linken und den Piraten. Die Linken sehen in restriktions- und lizenzkostenfreien Spezifikationen keinen Automatismus zur vermehrten Implementierung in Freier Software. „Hierzu sind der aktive politische Wille und ein initiatives Handeln der Bundesregierung erforderlich“ so die Linken. Die Piraten kritisieren, dass ODF in SAGA nur ein empfohlenes Format sei, was dazu führe, „dass in der Verwaltungspraxis immer noch unfreie Software und nicht-offene Formate eingesetzt werden können.“ SAGA verkomme so zu einem „Papiertiger“.
Bedauerlicherweise sieht die CDU kein Problem mit Werbung auf Webseiten der öffentlichen Verwaltung für unfreie Software, solange diese der Benutzerfreundlichkeit dienen. Die anderen Parteien lehnen diese Art der Werbung klar ab und wollen diese in der Zukunft unterbinden. Die Grünen verweisen in ihrer Antwort auf ihre Anfrage „Werbung für proprietäre Software auf Seiten von Bundesministerien und der öffentlichen Verwaltung“ (Drucksache 17/8951) in der sie dieses Thema aufgegriffen hatten und auf die darauf folgende Besprechung des Themas im IT-Planungsrats. Die Freien Wähler bieten ihre Mithilfe für Lösungen im Kommunalbereich an.
Die jahrelange Arbeit gegen Softwarepatente zeigt Wirkung: Inzwischen sind sich alle Parteien auf Bundesebene beim Thema Softwarepatente einig, dass die Patentierung von Software effektiv begrenzt werden soll. Dazu verweisen sie auch auf den interfraktionellen Antrag „Wettbewerb und Innovationsdynamik im Softwarebereich sichern – Patentierung von Computerprogrammen effektiv begrenzen“.
Allgemein ist die CDU/CSU dafür, „Serious Games“ (Lernspiele, deren primäres Ziel es ist, Wissen auf unterhaltsame Weise zu vermitteln) in Schulen und Universitäten einzusetzen, und überlegt, diese unter freie Lizenzen zu stellen. Auch die FDP hat Vorhaben im Bildungsbereich: Sie wollen mehr Kinder an das Programmieren heranführen und bei der „Anschaffung von neuen Lernmitteln darauf [achten], dass diese plattformunabhängig eingesetzt werden können.“ Die Freien Wähler wollen Freie Software im kommunalen Bereich fördern. Die Grünen wollen vor allem eine konsequente Ausschreibepraxis für von öffentlichen Geldern finanzierte Software, kritisieren weiterhin Rückschritte wie z.B. im Auswärtigen Amt und wollen durch Veröffentlichung eigener Software („betatext“) mit gutem Beispiel vorrangehen. Die Linke sieht Freie Software im Kontext der Gemeingüterwirtschaft und denkt z.B. daran, diese mit einem Teil der Rundfunkbeiträge zu fördern. Die SPD will primär Freie Software in der Verwaltung fördern und, wie bereits bei den Sondervoten in der EIDG gefordert, „Födermittel für Usability-Analysen und die Verbesserung der Benutzerfreundlichkeit bei ausgewählten Projekten bereit […] stellen.“
- Andere Wahlbefragungen der Free Software Foundation Europe sowie Veröffentlichungen zur letzten Bundestagswahl.
- Erwähnung von Freier Software in Wahl- und Parteiprogrammen in Deutschland.
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Gilt das dann auch für den „Bundestrojaner“, wenn die Behörden selber einen schreiben? Der ist ja auch aus öffentlicher Hand finanziert.
Mir fehlt etwas der Kontext. Was meinst Du mit „Gilt das“? Was ist „das“?
Wertvolle Idee die Parteien über diese Themen zu befragen.
Schockierend an den Antworten ist, dass das Thema FREIHEIT von fast niemandem in ausreichender Form aufgegriffen wurde.
Freie Software geht um:
Kontrolle über die eigene Software, Unabhängigkeit, Eigenbestimmung, Eigenverantwortlichkeit, über Transparenz, Sicherheit, Schutz, Gemeinschaft, Zusammenarbeit, Ethik, Dezentralisierung von Machtbestimming im pos. Sinne echter Dekokratie, dem Verfolgen positiver Ideale, usw.